Google I/O: "Open Web Media Project" soll VP8 als Videostandard fürs Web etablieren [Update]

Zum Auftakt der Entwicklerkonferenz Google I/O stellte Google den jüngst erworbenen Videocodec VP8 unter Open-Source-Lizenz. Google enthüllte zudem zusammen mit Mozilla, Opera und 40 weiteren Unternehmen (unter anderem Adobe, ARM, AMD, Nvidia) das "Open Web Media Project" (WebM), das VP8 nebst Ogg Vorbis als Standard-Codecs für das Web etablieren soll.

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Von
  • Volker Zota

Gleich zu Beginn seiner Entwicklerkonferenz Google I/O ließ der Internetkonzern eine Bombe platzen. Google pfiff nicht nur auf die jüngsten Drohungen gegen Ogg Theora und VP8 und veröffentlichte den mit dem Kauf des Codec-Spezialisten On2 Technologies übernommenen Videocodec VP8 unter lizenzkostenfreier unwiderruflicher Open-Source-Lizenz. Das Unternehmen ging sogar noch einen Schritt weiter und enthüllte das "Open Web Media Project".

In Zusammenarbeit mit den Browser-Herstellern Mozilla und Opera sowie 40 weiteren Firmen – unter anderem Adobe und die meisten Hersteller von Mobilprozessoren – will Google einen Videostandard für das Internet schaffen, bestehend aus dem Videocodec VP8, dem Audioformat Ogg Vorbis und dem auf Matroska (MKV) beruhenden Container WebM. Die heute veröffentlichten Entwicklerversionen von Chromium, Firefox und Opera unterstützen WebM bereits. Ab dem 24. Mai soll es auch Chrome-Versionen mit WebM-Unterstützung im Early Access Release Channel geben. Patches für das verbreitete Multimedia-Framework FFmpeg, DirectShow-Filter für Windows und ein VP8-SDK runden das Angebot ab.

Damit dürften die Karten im Kampf um einen Web-Videostandard für HTML5-Video neu gemischt werden. Apple und Microsoft, die in ihren Browsern nur MPEG-4 AVC unterstützen respektive dies vorhaben, sehen sich nun mit einer breiten Allianz von VP8-Befürwortern konfrontiert. Freilich spricht für H.264 dessen enorme Verbreitung, doch kommen auch auf freie Webstreaming-Angebote ab Ende 2016 Lizenzzahlungen zu; kommerzielle Anbieter müssen jetzt schon für die Nutzung des patentierten Kompressionsverfahrens zahlen. Wie sich die Patent-Situation bei VP8/WebM entwickelt, bleibt abzuwarten. Google betonte lediglich, dass es "einige Patente an VP8 halte". Der Internetkonzern scheint sich seiner Sache aber relativ sicher zu sein, weil es sich von den im Vorfeld angedeuteten Patentansprüchen gegen den VP8-Vorvorgänger Ogg Theora (setzt auf VP3.2 auf) und "andere Codecs" nicht beeindrucken ließ.

Googles Tochter YouTube wird ebenfalls WebM unterstützen, um HTML5-Videos in 720p auszuliefern, die sich mit den kommenden Browser-Versionen ohne externe Plug-ins abspielen lassen werden. Wer YouTubes HTML5-Testbetrieb aktiviert hat, kann bereits erste WebM-Videos mit einer der oben erwähnten Entwicklerversionen der Browser anschauen, wenn er an die jeweilige URL "&webm=1" anhängt (Beispiel). Nach Googles Angaben laufe die YouTube-Encoderfarm momentan unter Hochdruck, um den Videofundus in das WebM-Format umzuwandeln.

Update:
Jason Garrett-Glaser ("Dark Shikari"), Mitentwickler des freien H.264-Encoders x264, hat eine erste Analyse von VP8 veröffentlicht. Wenig verwunderlich kommt er zu dem Schluss, dass VP8 qualitativ nicht mit den x264-Resultaten mithalten kann, wenn man das H.264 Main oder High Profile verwendet – hier gilt x264 als einer der besten seiner Zunft. Garrett-Glaser gesteht jedoch ein, dass VP8 bei seinen ersten Tests durchaus besser abschneidet als x264 bei Nutzung des einfachsten H.264-Profils (Baseline Profile).Qualitativ ordnet Garrett-Glaser VP8 momentan zwischen Xvid und Microsofts VC-1 ein.

Wenig begeistert zeigt er sich von der veröffentlichten VP8-Spezifikation. Sie sei ein Haufen zusammenkopierten C-Codes, der einiger Überarbeitung bedürfe. Hinzu komme, dass der VP8-Decoder deutlich langsamer sei als der H.264-Decoder von FFmpeg; hier befürchtet er Performance-Probleme, zumal VP8 für HD-Inhalte eingesetzt werden soll.

Dass VP8 frei von Patenten Dritter ist, zweifelt der x264-Entwickler ebenfalls an; dazu gebe es zu viele Ähnlichkeiten mit H.264, auch wenn VP8 deutlich simpler gestrickt sei. Zur Wahl von Ogg Vorbis als Audioformat und MKV als Container beglückwünschte Garrett-Glaser Google indes.

Unabhängig von der Patentfrage und davon wie gut VP8 tatsächlich ist, dürfte die breite Unterstützung dennoch Eindruck auf die H.264-Patentinhaber machen. Möglicherweise können diese sich nun doch dazu durchringen, wenigstens das H.264 Baseline Profile dauerhaft lizenzkostenfrei für die Web-Nutzung freizugeben und so den Streit um einen Webvideostandard beizulegen. (vza)