Microsoft wächst in allen Bereichen

Kurz nach Ankündigung von Dividendenerhöhung, Sonderdividende und Aktienrückkauf kann Microsoft gestiegenen Umsatz und Gewinn melden. Die liquiden Mittel des Softwarekonzerns liegen mittlerweile bei über 60 Milliarden US-Dollar.

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Von
  • Jürgen Kuri

Mit einer Dividendenerhöhung, einer Sonderdividende und einem Aktienrückkaufprogramm für die nächsten vier Jahre von bis zu 30 Milliarden US-Dollar überraschte Microsoft die Börse bereits kurz vor der Vorstellung der Geschäftszahlen für das vierte Quartal. Die wiesen zudem satte Zuwächse aus: Der Nettogewinn von Microsoft lag bei 2,69 Milliarden US-Dollar (25 Cents pro Aktie, ein Plus von 82 Prozent im Jahresvergleich) bei einem Umsatz von 9,29 Milliarden US-Dollar (ein Plus von 14 Prozent gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahrs). Dabei kam nach Meinung vieler Beobachter ein anziehendes Geschäft bei PCs und Servern Microsoft zu Gute. Erwartet hatte die Börse allerdings einen Gewinn von 29 US-Cents pro Aktie -- es tröstete offensichtlich nicht, dass unter Ausschluss von Sonderbelastungen der Gewinn operativ bei 32 Cents pro Aktie lag, denn zu Beginn des nachbörslichen Handels geriet das Microsoft-Papier stark unter Druck; beim Umsatz (die Prognose betrug 9 Milliarden US-Dollar) lag Microsoft weit über den Erwartungen.

Für das Gesamtgeschäftsjahr 2004 erzielte Microsoft einen Umsatz von 36,84 Milliarden US-Dollar. Dies bedeutet ein Plus von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Nettogewinn lag bei 8,17 Milliarden US-Dollar -- darin enthalten sind schon die Belastungen unter anderem für das neue Mitarbeiter-Aktienprogramm, für die Einigung mit Sun und für die Bezahlung der Strafe im EU-Kartellverfahren. Im Vorjahr lag der Nettogewinn bei 7,53 Milliarden US-Dollar.

Die Dividendenzahlungen waren ein lange geforderter und auch erwarteter Schritt angesichts liquider Mittel, die sich zum Ende des vorigen Quartals auf weit über 50 Milliarden US-Dollar angehäuft hatten und zum Ende des abgelaufenen vierten Geschäftsquartals bei 60,592 Milliarden US-Dollar liegen. Dies sei ein herausragendes Geschäftsjahr gewesen, meinte der Redmonder Finanzchef John Connor, man habe sehr gute Geschäfte in alle Bereichen gemacht, die Margen in den sich entwickelnden Geschäftsbereichen verbessert und eine ganze Reihe von juristischen Streitigkeiten lösen können. Microsofts Management sei zuversichtlich, weiteres Wachstum erzielen zu können. Die beste Zeit stehe für den Softwarekonzern erst noch bevor, verbreiteten Microsoft-Manager bereits vor der Veröffentlichung der Bilanzen; er würde die Wachstumsaussichten von Microsoft über die jeder anderen Firma in der Welt stellen, meinte Connor.

Ganz so rosig sehen Investoren das nicht immer, da es im Kerngeschäft von Microsoft mit Windows und Office nach Ansicht einiger Analysten nur noch langsames Wachstum gebe. So stieß die Ankündigung der Dividendenausschüttungen und des Aktienrückkaufs nicht auf ungeteilte Zustimmung -- weniger allerdings wegen der Tatsache, dass dies geschieht, als vielmehr wegen der Höhe der dadurch auf Microsoft zukommenden Ausgaben: Die Sonderdividende alleine kostet in diesem Jahr 32 Milliarden US-Dollar, insgesamt bleiben dem Konzern dann aber immer noch weit mehr liquide Mittel, als sie andere Firmen vorweisen können, die zudem jeden Monat um bis zu einer Milliarde US-Dollar weiter wachsen. Da fallen das von Microsoft bezahlte Rekordbußgeld im EU-Wettbewerbsverfahren, das schon in den Bilanzen des dritten Quartals ausgewiesen worden war, kaum noch ins Gewicht.

Der Bereich Information Worker (unter anderem zuständig für das Office-Paket) steigerte den Umsatz um 23 Prozent im Quartalsvergleich. Die Sparte Server and Tools (unter anderem Windows Server 2003, Visual Studio, Exchange, SQL Server) legte um 20 Prozent zu -- SQL Server und Exchange konnten laut Microsoft jeweils sogar mehr als 20 Prozent wachsen, während Windows Server 2003 bei den Lizenzen um 19 Prozent zulegte. Die Client-Sparte (alle Windows-Betriebssysteme) wuchs um 9 Prozent. Zwei Bereiche, in denen Microsoft bislang noch nicht so glücklich operiert, konnten ihre finanzielle Situation verbessern: Business Solutions (vor allem Navision und Great Plains) legte beim Umsatz um 9 Prozent zu und verringerte den operativen Verlust von 73 auf 42 Millionen US-Dollar; Mobile and Embedded Devices (unter anderem Windows CE und die Smartphone-Systeme) konnte den Umsatz um 59 Prozent steigern und die operativen Verluste von 68 auf 42 Milllionen US-Dollar verringern.

Bei der Internet-Abteilung MSN bejubelt Microsoft das erste profitable Jahr in der Unternehmensgeschichte: Statt 567 Millionen US-Dollar Verlust im vorherigen Geschäftsjahr konnte der Bereich dieses Jahr einen operativen Gewinn von 121 Millionen US-Dollar erzielen. Der Umsatz im Quartal kletterte leicht von 559 auf 588 Milliarden US-Dollar.

Der Bereich Home and Entertainment (unter anderem die Spielkonsole Xbox und die PC-Spiele) bleibt, trotz eines Umsatzwachstums von3 Prozent, das hässliche Entlein des Konzerns: Als einziger Bereich dehnte er seine operativen Verluste aus, und zwar von 245 auf 339 Milllionen US-Dollar. Dies dürfte Microsoft angesichts des -- auch unter Berücksichtigung der Dividendenankündigungen -- exorbitant hohen Bergs an liquiden Mitteln nur am Rande stören: Betrachtet man dies doch offensichtlich als Investition in die Zukunft, in der sich der Bereich zum stolzen Schwan entwickeln soll und Microsoft im Bereich der digitalen Unterhaltungselektronik ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hofft. Gewinne mit der Xbox 1 erwartet man nach eigenen Aussagen sowieso nicht -- für die Förderung der eigenen Position bei Unterhaltungselektronik und digitalen Medien hat man dagegen mittlerweile sogar eine eigene Abteilung gegründet.

Für das weitere Wachstum hoffen die Analysten bei Microsoft zudem zum einen auf Longhorn -- immerhin bezeichnete Bill Gates die nächste Windows-Version schon einmal als eines der wichtigsten Produkte in der Firmengeschichte. Investoren hoffen, dass Longhorn dem PC-Markt und damit Microsoft einen gewaltigen Schub verleiht -- sie werden aber noch bis 2006 darauf warten müssen. Auch könnte Microsoft durch den Zukauf von Firmen wachsen, und zwar in Bereichen jenseits des Kerngeschäfts wie der Unterhaltungselektronik oder der Geschäftssoftware, in der Redmond zwar schon aktiv ist, bislang aber teilweise noch unter "ferner liefen" geführt wird (Business Software) oder Verluste hinnimmt, um sich im Markt zu etablieren (Unterhaltungselektronik). Die Übernahmegespräche mit SAP waren ein deutliches Signal, dass man bei Microsoft offensichtlich nichts ausschließt.

Der Bereich der Firmenkunden, ebenfalls ein wichtiger Hinweis auf künftige Geschäfte, sorgte in diesem Quartal für positive Signale: Der deferred revenue (bei Microsoft als unearned revenue geführt und im deutschen Rechnungswesen passiver Rechnungsabgrenzungsposten genannt) lag bei 3,996 Milliarden US-Dollar gegenüber 3,463 Milliarden US-Dollar im Vorjahresquartal und 2,79 Milliarden US-Dollar im Vorquartal. Als deferred revenue bezeichnet man Umsätze vor allem mit Firmenkunden, die auf Grund von Service-Verträgen, die über mehrere Jahre gelten, oder beispielsweise länger laufende Lizenz-Abschlüssen zwar schon gemacht wurden, auf Grund der langen Laufzeit der Verträge aber erst über die eigentliche Zeitspanne der Vereinbarungen hinweg realisiert und verbucht werden.

Die Erwartungen für das Gesamtjahr musste Microsoft senken -- dies vor allem deswegen, da durch die höheren Dividendenausschüttungen und die Aktienrückkäufe der angehäufte Geldberg schrumpft und damit auch die Gewinne durch damit mögliche Investitionen oder durch Zinsen. Der Gewinn im gesamten Geschäftsjahr 2005 soll nun noch bei 1,05 bis 1,08 US-Dollar statt bei 1,32 bis 1,33 US-Dollar liegen; die erwarteten guten Geschäfte illustriert aber die Anhebung der Umsatzprognose: Hier rechnet Microsoft nun mit 38,4 bis 38,8 Milliarden US-Dollar statt wie zuvor prognostiziert mit 37,8 bis 38,2 Milliarden US-Dollar.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft in US-Dollar
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)

Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.*
* Gewinne unter Bilanzierung des neuen Aktienprogramms für Microsoft-Mitarbeiter