Ein Android für alle Fälle

Androiden-Grün ist die Farbe der Saison. Smartphones mit dem Betriebssystem Android stechen die Konkurrenz mit guten Argumenten aus: Offen, funktionsreich, eine schicke Oberfläche und viele kostenfreie Apps. Der Trumpf ist die große Vielfalt von klein bis groß und billig bis teuer.

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Achim Barczok
  • Rudolf Opitz
Inhaltsverzeichnis

Die Androiden haben die Kontrolle übernommen. Gerade mal ein Jahr und vier Monate ist es her, dass das erstes Smartphone mit Android-Betriebssystem auf dem deutschen Handymarkt Einzug hielt. Heute wirbt jeder Mobilfunkprovider in seinen Schaufenstern mit dem grünen Maskottchen, die meisten Hersteller haben gleich mehrere Android-Handys im Portfolio. Wer ein cooles Smartphone ohne Apfel-Logo will, kauft Android.

Android hat sich neben dem iPhone OS zum interessantesten Smartphone-Betriebssystem entwickelt: funktionsreich, eine schicke Optik, viele Apps, dank guter Touchscreenbedienung optimal für Surf- und Multimedia-Maschinen. Der Erfolg spricht für sich: Nach eigenen Angaben aktiviert Google derzeit täglich 100 000 Android-Smartphones, die Marktforscher der NPD-Group meldeten für das erste Quartal 2010, bei den Privat-Käufen in den USA sei Android am iPhone vorbeigezogen: Demnach lag Android mit 28 Prozent Anteil auf Platz zwei hinter den Blackberrys von RIM (36 Prozent).

Knapp 20 Android-Modelle bekommt man derzeit in Deutschland. Wir haben uns davon die elf aktuellen Geräte angeschaut. Das Google Nexus One, das HTC Desire und das Sony Ericsson Xperia X10 streiten sich mit Premiumausstattung, großen Touchscreens und Straßenpreisen ab 440 Euro um die Spitze. Auch das schon etwas ältere Motorola Milestone, das HTC Legend und das Motorola Backflip gehören mit Preisen um die 400 Euro zur Oberklasse. Das Sony Ericsson Xperia X10 mini, das Samsung Galaxy Spica und die beiden LG-Handys GW620 und GT540 bekommt man für unter 250 Euro ohne Vertrag, letzteres lag uns als Vorseriengerät vor. Das untere Ende markiert das Acer beTouch E110 mit 160 Euro Straßenpreis.

Jeder Hersteller kann Android auf seinen Geräten installieren und nach den eigenen Vorstellungen anpassen. Das quelloffene Betriebssystem basiert auf dem Linux-Kernel 2.6 und wird vom Firmenkonsortium Open Handset Alliance entwickelt, dem inzwischen fast alle namhaften Netzbetreiber, Chip-Produzenten und Geräte-Hersteller angehören. Die Oberhand hat Gründer Google: Der Online-Riese präsentiert neue Versionen, treibt die Entwicklung voran und stellt die Infrastruktur für Synchronisationsdienste und den Vertrieb der Anwendungen.

Android lässt dem Anwender viele Freiheiten. Er kann Software installieren und auf die SD-Karte mit einem Datei-Manager oder über einen per USB angeschlossenen PC zugreifen. Android-Programme können gleichzeitig laufen (Multitasking) und starten in getrennten Sandboxen, sodass Abstürze nicht das ganze System herunterreißen.

Seit Android 1.0 hat Google sechs Betriebssystem-Versionen veröffentlicht, etwa alle drei Monate eine. Die anwendungsübergreifende Systemsuche gibt es beispielsweise erst ab 1.6, animierte Hintergrundbilder ab 2.1, die WLAN-Hotspot-Anwendung ab 2.2. Eine Übersicht der Unterschiede haben wir in der Tabelle unten zusammengestellt. Neue Versionen stehen allerdings nie zeitgleich für alle Modelle zur Verfügung. So gibt es die vor kurzem vorgestellte Version 2.2 Froyo (siehe S. 39) bisher nur für das Nexus One. Das HTC Desire, das HTC Legend, das Motorola Milestone und das Samsung Galaxy Spica haben Android 2.1 installiert. Auf den übrigen läuft Android 1.6 mit einer vom Hersteller angepassten Oberfläche, auf dem Acer E110, auf dem Motorola Backflip und dem GW620 sogar nur 1.5.

Dass nicht alle Androids auf demselben Stand sind, hat unterschiedliche Gründe. Einige Smartphones erfüllen die Anforderungen an Speicher, Prozessorleistung oder System-Ausstattung nicht. Bei anderen kommen die Gerätehersteller nicht mit dem rasanten Aktualisierungstempo von Google mit, müssen sie doch die Updates jedes Mal an zusätzlich installierte Software und Oberflächen anpassen.

Das grundlegende Oberflächen-Design unterteilt den Startbildschirm in mehrere Seiten, die beim horizontalen Wisch übers Display huschen. Hier finden Programmverknüpfungen, Weblinks oder Ordner Platz und auch die Widgets, die beispielsweise das aktuelle Wetter, einen Newsfeed oder einen Kalender-Ausschnitt anzeigen und sich in der Regel automatisch aktualisieren. HTC beispielsweise personalisiert die Startbildschirme mit großen Anwendungswidgets, Sony Ericsson baut die Optik beim X10 komplett um, beim X10 Mini sogar das Bedienkonzept.

Nur ein gutes Drittel aller Android-Smartphones läuft mit Android 2.1, wenn man von den Zugriffszahlen auf den Market ausgeht (Stand: Mai 2010, gemessen über 14 Tage).

(Bild: Google)

Eine jederzeit sichtbare Statusleiste am oberen Bildschirmrand gibt Auskunft über die Zeit, aktuelle Verbindungen, laufende Anwendungen und eingetroffene Nachrichten. Auch Apps können diese Statusleiste nutzen, um etwa neue Tweets zu vermelden oder an einen Termin zu erinnern. Zieht man die Leiste nach unten, blendet Android detailliertere Infos zu den Statusmeldungen ein.

Als Grundausstattung sind Browser, E-Mail, Kalender, Kontakte und Medienspieler und Clients für die Google-Dienste Maps, Talk und YouTube installiert. Der Browser auf Basis von Webkit (Acid3-Browsertest: 93/100) macht vor allem auf den großflächigen Touchscreens des Nexus One, Desire, Milestone und Xperia X10 Spaß. Android 2.1 hat ihn fit für HTML5 gemacht und die Bedienung optimiert, mit 2.2 hat er einen deutlichen Geschwindigkeitsschub erfahren. Auf Multitouch-Smartphones zoomt man per Zweifingergeste, bei den anderen über Zoom-Buttons. Ein Doppeltipp auf einen Webseitenausschnitt vergrößert ihn und umbricht den Text auf Displaygröße.

Das Google Nexus One (links) zeigt alle Apps alphabetisch sortiert in einem schick animierten Anwendungsmenü, auf dem LG GW620 (Mitte) kann man sie in Kategorien einteilen. Beim Sony Xperia X10 mini (rechts) werden die Anwendungen auf 3 x 3 großen Seiten abgelegt.

Die meisten Hersteller passen den Browser höchstens in der Optik etwas an. Nur auf dem Desire und dem Legend ist er wesentlich umfangreicher geworden. Er kann sich als Mobil- oder Desktop-Browser ausgeben und deshalb auf Seiten mit angepasster Mobilansicht auf das Standardlayout wechseln. Durch langes Drücken markierte Textstellen kopiert der Browser in die Zwischenablage, übersetzt sie oder verschickt sie inklusive passender URL per Mail, Twitter und andere Webdienste. HTC hat Flash 10.1 beta installiert. Flash-Animationen laufen nur auf dem Desire einigermaßen flüssig ab, Videos mit hoher Auflösung ruckeln auf beiden.

Auf dem Xperia X10 mini hat Sony Ericsson den Browser gestutzt: Das Laden von Bildern, JavaScript und Cookies lässt sich nicht deaktivieren, Popup-Fenster werden nicht angezeigt. Mächtige Alternativen findet man beispielsweise in Opera Mini oder dem Dolphin-Browser.

Für den Mail-Abruf haben Android-Smartphones zwei Anwendungen an Bord. Der Standard-Client verwaltet mehrere IMAP-, POP3- und seit Android 2.0 auch Exchange-Konten – nur das X10 mini ist auf ein Konto beschränkt. Der Google-Mail-Client beherrscht nur die hauseigenen Konten, die dafür dann mit Push. Die meisten 1.5- und 1.6-Geräte liefern noch einen dritten Mail-Client für Exchange-Konten mit. Der von LG ist besonders nützlich: Er kennt POP3, IMAP und Exchange, kann mehrere Mails in einem Rutsch löschen und speichert Anhänge beliebiger Formate auf der SD-Karte ab.

Kontakte, Mails und Termine synchronisiert Android mit den Google-Diensten, ab Version 2.0 Mails und Kontakte auch mit Microsoft Exchange. Die Synchronisation mit PC-Organizern ist nicht vorgesehen, einige Anbieter rüsten sie jedoch über eigene PC-Software nach. HTC bietet für seine Modelle beispielsweise eine Windows-Anwendung an, die Mails und Kontakte mit Outlook und den Windows-Kontakten abgleicht.

Im Market für Android stehen über 50 000 Anwendungen zum Download bereit, eine Übersicht mit empfehlenswerten haben wir vor einigen Ausgaben erstellt. Er ist direkt auf dem Smartphone zugänglich und erfordert ein Google-Konto. Besonders übersichtlich ist er nicht, über die Kategorienauswahl und die Suche kommt man irgendwie meistens an sein Ziel. Der Großteil der Apps ist kostenlos, aber auch kostenpflichtige Software-Pakete findet man dort. Bereits gekaufte Apps und Updates listet die Market-Anwendung unter „Downloads“ und kann sie jederzeit auf alle mit dem Google-Konto angemeldeten Smartphones herunterladen.

Auch wenn das Angebot quantitativ nicht an den App Store heranreicht, kann es sich durchaus mit dem von Apple messen lassen; nur bei Spielen wird es vom iPhone locker abgehängt. Die große Vielfalt rührt vor allem von der Offenheit des Stores her. Wer die einmalige Gebühr von 25 US-Dollar als Entwickler bezahlt hat, darf fortan dort veröffentlichen und Updates an seine Nutzer schicken. Anders als Apple kontrolliert Google die Apps nur rudimentär. Die Schattenseite: Programme stürzen öfter ab und Entwickler nehmen es nicht immer so genau mit den Interface-Guidelines, sodass man sich in vielen Anwendungen nicht gleich zurechtfindet.

Der Market zeigt nur die Programme an, die vom Entwickler für die Android-Version, Display-Größe und Ausstattung des Smartphones freigegeben sind. Die größte Zahl von Apps gibt es für das Google Nexus One, die meisten sind aber auch mit dem Legend, dem Milestone, dem Galaxy Spica und dem Xperia X10 kompatibel. Das HTC Desire und das LG GT540 fanden bei Stichproben mit typischen Suchbegriffen nur etwa 60 Prozent. Vermutlich handelt es sich dabei um das bekannte Problem, bei dem kopiergeschützte Apps für manche Firmware-Versionen nicht zugänglich sind, was in der Regel durch Updates seitens des Herstellers oder des Providers gelöst werden kann. Das X10 mini findet dagegen deshalb nur 20 Prozent der für das Nexus One verfügbaren Apps, weil viele Entwickler ihre Software nicht für die kleine QVGA-Auflösung anpassen.

Gar keinen Zugang zum Market erhält man auf dem Acer E110, weil es nicht die von Google vorgeschriebene Mindestausstattung besitzt: Ein Lagesensor fehlt. Zwar kann man Android-Installationspakete mit APK-Endung manuell herunterladen und installieren, doch die meisten Entwickler bieten ihre Software ausschließlich im Market an, vor allem kostenpflichtige gibt es selten als Web-Download.

Bei den kapazitiven Displays im Testfeld reicht ein leichtes Wischen über das Display, um zu blättern oder die Ansicht zu wechseln. Die resistiven erfordern etwas Druck, lassen sich dafür aber auch mit einem Stift bedienen, der allerdings keinem Smartphone beiliegt. Das Nexus One, das Desire, das Legend und das Milestone beherrschen Multitouch-Gesten. Während das Xperia X10 mit einem 4-Zoll-Display die größte Fläche bietet und sich deshalb komfortabel bedienen lässt, musste Sony Ericsson beim kleinen Bruder X10 mini Android stark anpassen, damit man auf dem 2,6-Zoll-Touchscreen überhaupt noch die Schaltflächen trifft.

Alle Android-Handys bieten mechanische oder Sensor-Tasten für den Startbildschirm, das Menü und einen Schritt zurück. Die meisten haben außerdem ein Steuerkreuz oder einen Trackball, um den Cursor zu steuern. Das LG GW620 und die beiden Motorola-Androiden Milestone und Backflip warten mit einer mechanischen Tastatur auf. Auf den übrigen tippt man ausschließlich auf virtuellen Tastaturen. Auf dem Xperia X10 mini ist es eine T9-Tastatur, wie man sie von Handys ohne Touchscreen kennt, die anderen verwenden ein Qwertz-Layout.

Die eigene Position finden die Android-Handys per GPS und über WLAN- und Mobilfunk-Ortung, bis auf das Backflip sind sie dabei recht fix. Bluetooth haben alle mit an Bord, genauso wie den UMTS-Beschleuniger HSDPA für schnelles Surfen im Netz, der 7,2 MBit/s brutto im Downlink erreicht. Bis auf das Acer E110 und das Galaxy Spica bieten sie außerdem HSUPA mit 2 MBit/s schnellem Uplink. Die Geschwindigkeit macht sich vor allem bei den beiden HTC-Geräten, dem Google Nexus One und dem Acer beTouch E110 bezahlt, weil sie den Internetzugang über USB an einen PC weitergeben können. Das Nexus One lässt sich auch als WLAN-Hotspot einrichten. In Android 2.2 ist beides ein Standard-Feature, doch man darf getrost bezweifeln, dass alle Hersteller und Provider es auf ihren Geräten erlauben werden. Eine 3,5-mm-Audiobuchse und ein Micro-USB-Anschluss sind inzwischen Standard.

Das Telefonieren klappt auf allen Smartphones zuverlässig, die Sprachqualität ist ordentlich. Am besten schneidet das Nexus One ab: Es nimmt über ein zweites Mikrofon an der Rückseite Umgebungsgeräusche auf und blendet sie bei der Telefon-Übertragung aus, was auch in lauter Umgebung für eine sehr gute Sprachqualität sorgt. Eine Freisprecheinrichtung und eine Stummschaltung besitzen alle. Wechselt man ins Startmenü, um beispielsweise eine Adresse nachzuschlagen, läuft das Telefonat im Hintergrund weiter. Nur beim X10 mini kann man das Telefonat nicht halten oder weitere Personen in ein Konferenzgespräch einladen.

Eine zweite Kamera für Videotelefonie hat keines der Geräte an Bord. Das Motorola Backflip würde sich zwar aufgrund seiner ungewöhnlichen Bauweise, bei der man die Geräterückseite nach vorne klappen kann, theoretisch für Videotelefonate eignen, hat aber keine passende Software installiert.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 13/2010.

Mehr Infos

Handys mit Android

Artikel zum Thema "Handys mit Android" finden Sie in c't 13/2010:

  • Smartphones mit Android ab 160 Euro - Seite 84
  • Android auf Windows-Mobile-Geräten - Seite 94

(acb)