Neue Wege zum Retinatransplantat

Menschliche embryonale Stammzellen lassen sich zu dreidimensionalen Strukturen wie Netzhautzellen umformen.

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Von
  • Courtney Humphries

Menschliche embryonale Stammzellen lassen sich zu dreidimensionalen Strukturen wie Netzhautzellen umformen.

US-Forscher haben eine dreidimensionale, netzhautartige Struktur aus menschlichen embryonalen Stammzellen geschaffen, von der sie hoffen, dass sie in einigen Jahren als Retinatransplantat für Personen mit Makuladegeneration und anderen Augenerkrankungen dienen könnte.

Die neue Methode wurde von Hans Keirstead an der University of California, Irvine, entwickelt. Der Stammzellbiologe sieht in seiner Technik eine Alternative zu Transplantaten aus fetalem Gewebe, die bislang nur an einer kleinen Patientengruppe getestet wurden. Fetale Zellen sind schwierig zu gewinnen – von ethischen Bedenken einmal ganz abgesehen. Aus diesem Grund sei eine bessere Quelle sehr nützlich, glaubt Keirstead.

Bei der Studie schuf der Forscher zunächst zwei Zelltypen aus menschlichen embryonalen Stammzellen: Netzhautzellen im frühen Stadium und retinale Pigmentepithelzellen (RPEs), die ihre Nährstoffversorgung sicherstellen. Keirstead ließ die beiden Zelltypen gemeinsam in einer Brutkammer wachsen. In dieser Phase wurden sie verschiedenen Konzentrationen bestimmter gelöster Substanzen und wachstumsfördernden Chemikalien ausgesetzt. Die Zellen bildeten daraufhin dreidimensionale Strukturen, was mit Stammzellmaterial sonst nur sehr selten gelingt.

Keirstead glaubt, dass seine Studie zwei wichtige neue Strategien zur Herstellung von Retinatransplantaten eröffnet: das Züchten von Netzhautzellen zusammen mit RPEs und das Bad dieser Zellen in einer sich graduell verändernden Lösung, die die Entwicklung dreidimensionaler Zellschichten fördert. Sein Team fand außerdem heraus, dass dieser Ansatz Netzhautzellen generierte, die sich bereits auf dem Weg zur Ausdifferenzierung in verschiedene andere für das Sehen wichtige Zelltypen befanden.

Ein Retinatransplantat arbeite am besten, wenn es aus Zellen bestehe, die noch nicht voll entwickelt seien, meint Keirstead. "Die dreidimensionale Schicht ist bewusst in einem sehr frühen Stadium." Andere Untersuchungen hätten gezeigt, dass junge Zellen sich leichter in bestehendes Gewebe integrierten und seltener verendeten.

Robert Lanza, wissenschaftlicher Leiter von Advanced Cell Technologies, hat bereits vor einigen Jahren entdeckt, dass bei der Umwandlung menschlicher embryonaler Stammzellen in RPE-Zellen andere Stammzellen spontan dazu übergingen, voll ausgebildete Schichten zu bilden – darunter auch Bereiche mit Photorezeptoren. "Keirsteads Studie zeigt, dass man diesen natürlichen Prozess ausnutzen und Techniken aus dem Tissue Engineering für den Aufbau dreidimensionaler, netzhautähnlicher Strukturen verwenden kann."

Lanza ist allerdings skeptisch, was die klinische Nutzbarkeit solcher Retinatransplantate anbelangt. "Man kann nicht einfach eine Netzhaut transplantierten und das Augenlicht so wiederherstellen", meint er. Es fehlten die komplexen Verbindungen ins Gehirn. Einen Vorteil sieht er dagegen in der Nutzung mehrerer Zellkonstrukte. "Momentan scheint der Austausch individueller Zelltypen aber der beste Ansatz für Menschen mit degenerativen Augenkrankheiten zu sein."

Eine Methode, die Advanced Cell Technologies vorantreibt, ist die direkte Umwandlung menschlicher embryonaler Stammzellen in RPE-Zellen, um diese dann in die Netzhaut einzupflanzen. Diese Therapie funktioniert am besten in einer frühen Phase der Makuladegeneration – nicht aber zur Wiederherstellung bereits verlorener Sehkraft. Alternativ ist es auch möglich, Stammzellen zu transplantieren, die sich bereits in einer frühen Phase der Umwandlung zu lichtempfindlichen Photorezeptoren befinden. Dies wurde bereits im Tierversuch gezeigt.

Die dritte Strategie setzt wiederum auf das bereits erwähnte fetale Gewebe statt individueller Zellen. In einer kleinen Studie unter zehn Patienten zeigte sich im Jahr 2008, dass sieben Teilnehmer danach Verbesserungen bei der Sehkraft bemerkten. Allerdings wird noch lebhaft darüber diskutiert, ob sich diese Transplantate tatsächlich in bestehendes Gewebe integrieren. Keirstead hat eine Reihe von Tierversuchen vorgenommen, die seiner Meinung nach bewiesen, dass das neue Gewebe im Auge arbeitet. Sollte das wirklich so sein, wäre die Technik für Menschen im Spätstadium der Makuladegeneration interessant, wenn die Retina große Teile ihrer Funktion verloren hat.

Keirsteads Team will nun aber zunächst an einer Lösung ohne fetales Gewebe weiterarbeiten. Dabei gilt es zu demonstrieren, dass die mit dem neuen Verfahren gewonnenen Gewebearten aus Stammzellen wie gewünscht funktionieren. Tierversuche an Ratten befinden sich derzeit in Planung. (bsc)