Der Kunde wirbt selbst

Markenbindung im Web 2.0: Im heiß umkämpften Online-Werbemarkt setzen einige Start-ups auf den unerschöpflichen Beteiligungsdrang der Nutzer.

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Von
  • Erica Naone

Markenbindung im Web 2.0: Im heiß umkämpften Online-Werbemarkt setzen einige Start-ups auf den unerschöpflichen Beteiligungsdrang der Nutzer.

Der Platzhirsch im Online-Werbegeschäft ist ohne Zweifel Google: 22,9 Milliarden Dollar erlöste der Datendienstleister im vergangenen Jahr mit den Textanzeigen, die er neben Suchergebnissen, in Blogs und auf zahlreichen anderen Webseiten platziert. Hinzu kommen einige große Werbenetzwerke. Dennoch ist das Geschäft mit der Onlinewerbung permanent in Bewegung. Verschiedene Start-ups stellten kürzlich auf der Konferenz TechCrunch Disrupt in New York neue Konzepte vor, mit denen sie ein Stück vom weiter wachsenden Werbekuchen im Netz zu ergattern wollen.

WeReward etwa will alltägliche Aktivitäten von Verbrauchern mit der Bewerbung von Marken zusammenbringen. Ähnlich wie die Dienste Foursquare – Nutzer übermitteln anderen ihren Aufenthaltsort – und Flickr – Nutzer teilen mit anderen ihre Fotos – setzt das Start-up aus Orlando in Florida auf den nicht abreißenden Drang von vieler Leute, irgendetwas von sich im Netz mitzuteilen.

In diesem Fall sollen Nutzer kleine Aufgaben der Kunden von WeReward erfüllen und dafür reale „Belohnungen“ einstreichen. Wer etwa von einer Pizzakette beliefert wird, könnte in dem Moment, in dem die heiße Packung an der Haustür zugestellt wird, eine Foto von sich machen und ins Netz stellen. Dafür bekommt er dann Punkte gutgeschrieben, die er entweder in Preisrabatte oder Bargeld umsetzen kann.

Die Nutzer gar zu Produzenten von Werbespots zu machen, hat sich VideoGenie vorgenommen. Das Start-up aus Palo Alto in Kalifornien will den heimlichen Regisseur im User wecken. Auf der Seite von VideoGenie können Markenfirmen quasi unverbindliche Bestellungen von Werbevideos mit inhaltlichen Vorgaben und konkreter Deadline platzieren. Im Prinzip also ein Briefing, wie es auch an Werbeagenturen herausgeht.

VideoGenie bietet den Nutzern, die die Herausforderung annehmen, eine Plattform, um ihre Videos fertigzustellen und zu veröffentlichen. Die Unternehmen können sich dann die Videos rauspicken, die ihnen am besten gefallen, und entlohnen die Urheber ebenfalls mit Rabatten oder anderen Leistungen. Auf diese Weise wird die herkömmliche Produktionskette aus Werbeagentur, Filmproduktion und Postproduktion einfach ausgeschaltet. Zu den Investoren hinter VideoGenie gehört unter anderem Google-Chef Eric Schmidt, und das Start-up macht bereits Profit.

Einige andere Firmen wie GeoToko aus Kanada wollen sich als Vermittler zwischen Unternehmen und Kunden andienen. GeoToko will dies über eine Online-Plattform erreichen, an die der Mikroblogging-Dienst Twitter, die Ortungsdienste Foursquare und Gowalla und die Empehlungsseite Yelp angeschlossen sind. Dort können Markenfirmen über die GeoToko-Plattform Gewinnspiele und Rabatte bekannt geben oder Preise ausloben. GeoToko übernimmt quasi die Verteilung einer Kampagne auf verschiedene Online-Kanäle für ein Unternehmen.

Auf der Suche nach neuen Werbekonzepten scheinen die großen Markenfirmen solchen Ideen nicht abgeneigt zu sein. Für die gehe es darum, ein immer zersplitterteres Publikum zu erreichen, sagt Frank Cooper, bei Pepsi Hauptverantwortlicher für Kundenbindung. Er schaue sich deshalb genau an, wie sich Menschen in den sozialen Netzwerken im Web verhielten. Die große Frage sei: „Wie können wir dort nachhaltiger mit den Verbrauchern zusammenkommen?“

Für Cooper ist Kundenbindung nicht nur, jemanden davon zu überzeugen, ein Produkt zu kaufen. Es gehe darum, dass der Verbraucher eine emotionale Bindung an eine Marke bekomme und dann im Namen der Marke oder für die Marke handele. So hat Pepsi kürzlich in einer Kampagne seine Kunden aufgefordert, Änderungen an seinem populären Getränk „Mountain Dew“ vorzuschlagen. Zwar sei die Kundenbindung mit herkömmlichen Verfahren schwer zu messen, räumt Cooper ein. Dennoch führe kein Weg daran vorbei: Die großen Marken würden nicht mehr nur um Käufer konkurrieren, sondern um eine kulturelle Wirkung.

Die neuen Werbevermarkter müssen freilich noch zeigen, ob sie diese Kundenbindung über die experimentelle Startphase hinaus, in der sich Nutzer vielleicht nur aus Spaß beteiligen, erreichen können. Einige große Marken wie Starbucks und Red Bull lassen sich bereits auf solche neuartigen Online-Kampagnen ein. Die Schwierigkeit sei, konservativere Unternehmen von ihrem Nutzen zu überzeugen, sagt Chris Fralic vom Wagniskapitalgeber FirstRound Capital. Bislang würden nur Firmen mitmachen, die bereits den Wert von Nutzer-generierten Inhalten begriffen hätten. (nbo)