Das Prinzip Fuchs

Die Bremer Unternehmerfamilie Fuchs führt ihren weit gefächerten Raumfahrtkonzern noch so persönlich wie einen Kleinbetrieb. Anfang des Jahres erhielt die Aktiengesellschaft für viele unerwartet den Bauauftrag für das europäische Navigationssatellitenprojekt Galileo.

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Von
  • Anwen Roberts
Inhaltsverzeichnis

Die Bremer Unternehmerfamilie Fuchs führt ihren weit gefächerten Raumfahrtkonzern noch so persönlich wie einen Kleinbetrieb. Anfang des Jahres erhielt die Aktiengesellschaft für viele unerwartet den Bauauftrag für das europäische Navigationssatellitenprojekt Galileo.

Auf den ersten Blick wirkt Manni schwerelos, reglos, fast leblos. Der Südafrikanische Krallenfrosch lauert an der Wasseroberfläche auf Futter. Mit bald 17 Jahren hat Manni für ein Labortier schon ein stolzes Alter erreicht und darf im wohltemperierten Aquarium seinen Ruhestand genießen. Schon 1993 hat Manni, kaum dem Kaulquappenalter entwachsen, einschlägigen Ruhm als "Froschonaut" erlangt. Zehn Tage lang diente er im Biolabor des US-Spaceshuttles Columbia als Versuchstier und umrundete dabei 160-mal die Erde. Als einziger noch lebender Proband ist Manni seither Maskottchen des Bremer Satellitenbauers OHB Technology. Damals war OHB technischer Ausrüster für bemannte Raumflüge.

Tatsächlich passt das amphibische Tierchen ausgezeichnet zu einem Betrieb, der Höhenflug und Bodenhaftung verbindet, der solide und abgehoben zugleich ist. Denn seit die Europäische Kommission den Auftrag zur Produktion der Galileo-Satelliten an OHB vergeben hat, gehört das Unternehmen, das aus einem kleinen Schiffsreparaturbetrieb hervorging, zur ersten Garnitur der europäischen Raumfahrtindustrie. Der 566 Millionen Euro schwere Auftrag umfasst die Konstruktion der ersten 14 von 30 Galileo-Satelliten.

Da staunt die Branche: Ein Bremer Familienbetrieb, der in einem Überraschungscoup das größte europäische Prestigeprojekt an sich reißt? Ein David, der dem mächtigen Raumfahrt-Goliath EADS den sicher geglaubten Großauftrag wegschnappt? Die Rolle des Underdogs gefällt der Familie Fuchs, die das Unternehmen bereits in der zweiten Generation leitet. Doch das Image täuscht: Durch eine geschickte Unternehmenspolitik hat OHB sich in knapp drei Jahrzehnten von einer kleinen Maschinenbau-Klitsche zum Hightech-Konzern gemausert, der 2009 mit gut 1500 Mitarbeitern 287 Millionen Euro Umsatz realisierte.

Davon hatte das Ehepaar Christa und Manfred Fuchs sicher nicht zu träumen gewagt, als es 1981 den Fünf-Mann-Betrieb Otto-Hydraulik Bremen kaufte. Vier Jahre sollte es noch dauern, bevor Manfred, Flugzeugbau-Ingenieur und begeisterter Flieger, seinen sicheren Job im Raumfahrtunternehmen ERNO aufgeben konnte und selbst zum Zulieferer in der Orbital- und Satellitentechnik wurde. Von der Schiffsreparaturfirma überlebte nur das Kürzel OHB, das heute "Orbitale Hochtechnologie Bremen" bedeutet. Anfang der 1990er-Jahre ergriff das Ehepaar Fuchs die Chance, durch Firmenneugründungen das Portfolio seines Unternehmens sinnvoll zu ergänzen.

Eine Expansionspolitik, die Sohn Marco geschickt fortsetzte, nachdem er 2001 den Vorstandsvorsitz übernommen hatte. Der gelernte Jurist bereitete auch den Börsengang vor. Heute ist die OHB Technology eine Aktiengesellschaft mit zwölf Firmen im Volleigentum, neun Beteiligungen runden das Spektrum ab. Trotzdem ist der Konzern mehrheitlich im Besitz der Familie geblieben, die bis heute zwei Drittel der Anteile hält. Das weiß auch Fritz Merkle zu schätzen, Vorstand für Geschäftsentwicklung bei der Raumfahrt-Tochter OHB-System: Ein Unternehmen im Familieneigentum bedeute immer verantwortliches, auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Handeln. Größter Vorteil des Familienbetriebs aber seien die "kurzen Entscheidungswege". Er meint es wörtlich.

Die Teppich-Etage im Bremer Firmensitz mündet in einer Art Wendehammer mit Polstersesseln. In unglamourösen Büros rund um das Rondell sitzen die Vorstände Tür an Tür. Designatmosphäre ist woanders: In Merkles Büro hängen alte Holzschnitte historischer Gerätschaften neben einem Schnappschuss von Manni, der seinen blassgelben Bauch zeigt. Und natürlich fehlen auch nicht die Fußabdrücke der Apollo-14-Astronauten auf dem Mond.