Erfrischend

Google treibt die Weiterentwicklung der offenen Mobilplattform Android mit unvermindert hohem Tempo voran. Version 2.2 bringt unter anderem einen JIT-Compiler und einen Backup-Dienst.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Thomas Künneth
Inhaltsverzeichnis

Einmal im Jahr lockt Google Programmierer aus aller Welt zur hauseigenen Entwicklerkonferenz I/O nach San Francisco. Der Suchmaschinenprimus nutzte die diesjährige Veranstaltung unter anderem dazu, Version 2.2 seiner offenen Mobilplattform Android zu präsentieren. Wie üblich trägt die neue Release den Namen einer Süßspeise, diesmal Froyo (Englisch „frozen yoghurt“). Die bedeutsamsten Neuerungen stellte Vic Gundotra, Vice-President of Engineering, in einer Keynote vor, bei der er überraschend oft Seitenhiebe an den Konkurrenten Apple austeilte. Noch am selben Tag stand das aktualisierte Android SDK zum Download bereit, und nur wenig später konnten Nutzer eines Nexus One es durch ein manuelles Update mit Froyo ausstatten.

Anwender dürften vor allem die Integration eines Just-in-time-Compilers (JIT) spüren, der der virtuellen Maschine Dalvik nun zur Seite steht und Programme durch Übersetzen von Bytecode in prozessorspezifische Instruktionen beschleunigt. Google spricht von einer Steigerung um das Zwei- bis Fünffache im Vergleich zum Vorgänger Eclair. Mithilfe des Android NDK (Native Development Kit) erstellte Komponenten profitieren zwar nicht vom neuen JIT-Compiler, weil sie ohnehin als Maschinencode vorliegen. Da aber die meisten Anwendungen von Drittanbietern und viele Standardprogramme der Plattform fast ausschließlich in Java geschrieben sind, fühlt sich die gesamte Bedienung des Smartphones deutlich geschmeidiger an. Auch an der Geschwindigkeit des Webbrowsers hat Google gefeilt. Es portierte seine freie JavaScript-Engine V8 auf Android und erreichte damit nach eigenen Angaben eine gegenüber dem Vorgänger zwei- bis dreimal schnellere Ausführung von JavaScript-Code.

Froyo bietet zahlreiche neue Funktionen für Benutzer. Am unteren Rand des Home Screen (s. Aufmacher) befinden sich neben dem Symbol für den Anwendungsstarter zwei neue, die direkt zur Telefonie beziehungsweise zum Browser führen. Außerdem erklärt ein kleines Widget, wie man den Home Screen individuell einrichtet. Wer häufiger Texte in unterschiedlichen Sprachen schreibt, dürfte sich über den Tastaturwechsel freuen: Wischen über die Leertaste schaltet zwischen allen Sprachen um, die in den Systemeinstellungen unter „Eingabesprachen“ mit einem Häkchen versehen sind. Wort-Vorschläge passen sich entsprechend an. Viele Freunde (vielleicht nicht gerade unter den Mobilfunk-Anbietern) dürften auch die Funktionen „USB-Tethering“ und „Mobiler Hotspot“ finden. Tethering bezeichnet den Einsatz des Handys als UMTS-Modem, etwa um ein Notebook mit dem Netz zu verbinden. Der mobile Hotspot ist besonders praktisch, gestattet er doch bis zu acht (mobilen) Geräten den kabellosen Zugang zum Internet, indem das Android-Telefon als WLAN-Access-Point fungiert.

Die hierfür notwendigen Einstellungen sind schnell erledigt (s. Aufmacher). Unter „Drahtlos&Netzwerke“ findet sich der neue Eintrag „Tethering&mobiler Hotspot“, der die beiden Funktionen aktiviert. Ein Dialog erfragt den Namen des Funknetzes sowie das Passwort für den gemäß WPA2 gesicherten Zugang. Aus Gründen der Sicherheit sollte man sich nicht dazu verleiten lassen, ein (ebenfalls angebotenes) offenes Netz zu etablieren.

Eine weitere bedeutsame Neuerung, die sich allerdings schon im Vorfeld der I/O abgezeichnet hatte, ist die Integration von Flash 10.1. Google nutzt die Verfügbarkeit von Adobes Laufzeitumgebung, um für die Offenheit seiner Plattform zu werben. Der Suchmaschinenspezialist macht medienwirksam den Anwender zum Souverän über Gerät und Inhalte. Ob dies längerfristig tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil verschafft, muss sich freilich erst zeigen. Der Flash Player ist aktuell als Beta-Version über den Android Market erhältlich.

Dass Adobe noch einiges an Arbeit bis hin zu einem fertigen Produkt vor sich hat, verdeutlicht schon ein kurzes Ausprobieren. Der Seitenaufbau verläuft mit aktiviertem Plug-in merklich langsamer. Auch Zoomen und Scrollen klappen nicht immer wie erwartet. Der Photoshop-Konzern muss also noch heftig nachlegen, um Apples harsche Kritik nachhaltig zu widerlegen.

Mit der Android-Version 2.0 zog Unterstützung für Microsofts Exchange in die Plattform ein. Allerdings beschränkte sie sich auf das Abgleichen der E-Mail-Konten und Kontakte. In Froyo kommen endlich Kalender hinzu. Die E-Mail-Anwendung vervollständigt Exchange-Adressen automatisch. Auch die Sicherheitsfunktionen haben die Entwickler verbessert. So können Administratoren im Falle eines Verlusts oder Diebstahls das betroffene Gerät aus der Ferne in den Auslieferungszustand zurücksetzen.

Einer AdMob-Statistik zufolge laden Android-Nutzer pro Monat durchschnittlich 8,7 Anwendungen aus dem Android Market. Die hierfür zuständige App sollte folglich angenehm zu bedienen sein. Google hübschte sie zuletzt in Donut leicht auf [1]. Jetzt legt es nach und stattet das Programm mit einigen lange erhofften Funktionen aus. Beispielsweise kann Android nun Programme ohne Zutun des Anwenders aktualisieren. Außerdem ist es möglich, Kommentare anderer Nutzer zu bewerten: Sind sie hilfreich oder Spam?

Ebenso gibt es für Entwickler im Zusammenhang mit dem Android Market erfreuliche Neuerungen. Reagiert eine Anwendung nicht mehr oder stürzt sie ab, kann Android Fehlerberichte an Google senden, die der Entwickler nach dem Anmelden in der Developer Console sieht. Sie enthalten unter anderem einen Stacktrace für die Diagnose der Fehlerursache. Ob sein Handy solche Daten versendet, entscheidet der Anwender.

Ebenfalls neu in Froyo ist die Möglichkeit, Apps auf Speicherkarten zu installieren. Hierzu dient das Attribut installLocation in der Manifest-Datei, mit dem Entwickler den bevorzugten Ablageort festlegen:

<manifest xmlns:android=
"http://schemas.android.com/apk/res/android" android:installLocation="preferExternal" ...

Der Wert preferExternal bedeutet, dass die Anwendung auf einer Speicherkarte liegen möchte. Hat das Medium nicht mehr genügend Platz dafür, installiert Android die App allerdings im internen Speicher. Hingegen überlässt auto dem System die Entscheidung über den initialen Ablageort. Der Anwender kann in den Systemeinstellungen das Programm nach Belieben zwischen Speicher und Karte hin und her schieben.

Auf externen Speichermedien legt Android Apps verschlüsselt ab. Sie lassen sich nur mit dem Gerät verwenden, auf dem sie ursprünglich installiert wurden. Eine Weitergabe durch das Tauschen von SD-Karten ist also nicht möglich. Der Ablageort hat keinen Einfluss auf die Ausführungsgeschwindigkeit von Anwendungen. Allerdings terminieren sie sofort, wenn man die Speicherkarte aus dem Gerät entfernt oder als USB-Speichermedium nutzt. Das ist nötig, um beispielsweise Fotos auf den Computer zu übertragen oder die Karte mit neuer Musik zu betanken. Aus diesem Grund warnt Google davor, unter anderem Live Wallpapers und Live Folders, Widgets und Hintergrunddienste mit dem Element android:installLocation zu versehen. Besonders gut geeignet hingegen seien beispielsweise Spiele sowie umfangreiche Anwendungen. Ausführliche Informationen enthält das Dokument App Install Location.

Ein universell einsatzbarer Backup-Dienst erlaubt es Anwendungen nun, ihre Einstellungen und Nutzdaten in Vorbereitung eines Gerätewechsels oder einer späteren Neuinstallation auf Googles Servern in der Cloud zwischenzuparken. Lokale Datensicherung oder Synchronisierung mit einem Desktop-Programm sieht Android weiterhin nicht vor.

Der sogenannte Backup Manager übernimmt den Transport der Daten zwischen dem Gerät und dem Speicherort. Er greift hierzu auf einen anwendungsspezifischen Backup-Agenten zurück, der in der Manifestdatei stehen muss. Er stellt geeignete Lese- und Schreiboperationen zur Verfügung.

Mit Cloud To Device Messaging (C2DM) können Websites kurze Nachrichten an Android-Geräte senden. Beispielsweise lassen sich mit einem Klick Links, Kontaktdaten oder Wegbeschreibungen übertragen. Auch der unmittelbare Start des App-Download aus dem Web oder dem Android Market wird so möglich.

Um auf Mitteilungen aus der Cloud zu reagieren, registriert sich eine App bei Google und übermittelt die so erhaltene Registrierungs-ID an einen Server, der die weitere Verarbeitung übernimmt. Android-typisch erfolgt die Anmeldung bei Google mittels eines Intents. Um eine Nachricht an ein Android-Gerät zu übertragen, sendet der Webserver die Mitteilung via HTTP an Googles C2DM-Server. Dieser wiederum überträgt sie an das entsprechende Gerät, das einen Broadcast an die App sendet. C2DM ist noch nicht allgemein für Entwickler verfügbar. Auf der Google-Code-Seite „Android Cloud to Device Messaging Framework“ können sich an einem Test Interessierte anmelden.

Bislang vorhandene Lücken im Funktionsumfang sind nun weitgehend geschlossen. Nach 18 Monaten wirkt die Plattform reif und stabil. So trägt denn auch der mit harten Bandagen geführte Konkurrenzkampf mit Apple für die Nutzer beider Plattformen Früchte, bekommen sie doch in immer kürzeren Abständen neue Funktionen.

Zumindest theoretisch. Denn wie schnell das Android-Ökosystem von der neuen Plattform-Version profitiert, hängt davon ab, wann Hersteller ihre Telefone mit Froyo bestücken können. Der Sprung auf Android 2.1 war für viele Nutzer mit langen Wartezeiten verbunden, nahezu ebenso viele arbeiten gezwungenermaßen noch immer mit veralteten Systemversionen. Der zum Teil erhebliche Mehrwert, den Aufsätze wie HTCs Sense bieten, fordert seinen Tribut in Form von Anpassungen für jede neue Version. Es bleibt zu hoffen, dass Froyo schnell den Weg auf viele Smartphones findet. Zumal Google bereits angekündigt hat, nicht den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Für das vierte Quartal rechnen viele bereits mit „Gingerbread“.

[1] Thomas Künnth; Mobile Computing; Frisches Gebäck; Neuerungen in Android 1.6 und 2.0; iX 2/2010, S. 136

iX-Link: www.ix.de/ix1007064 (ck)