Wirtschaftsministerium an Netzverwaltung: Wir sind das Volk

Eine Stellungnahme des Vertreters des Bundeswirtschaftsministeriums bei der ICANN heizt die Diskussion um die Rolle der Regierungen bei der Verwaltung der Länderdomains neu an.

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Von
  • Monika Ermert

Das Dreiecksverhältnis zwischen Regierungen, den Verwaltern der nationalen Länderdomains (ccTLD) und der Internet- sowie DNS-Verwaltung ICANN sorgt einmal mehr für Diskussionen. Beim Treffen in Kuala Lumpur konnte sich ICANNs Regierungsbeirat (GAC) noch nicht auf eine Aktualisierung der Prinzipien für die Delegierung und Administration der Länderdomains einigen. Angeheizt wurde die Debatte durch ein Papier, das der GAC-Vertreter des deutschen Wirtschaftsministeriums, Michael Leibrandt, vorlegte. Darin wird eine deutlichere Betonung der Rolle der Regierungen gefordert.

"Die Präambel des Dokuments sollte die überragende Rolle der Regierungen bekräftigen", heißt es im BMWA-Papier, das heise online vorliegt. Angelehnt an Forderungen vom Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) solle daher festgeschrieben werden, dass die Autorität über Internet-bezogene Regulierung und auch die Hoheit über die Länderdomains dem Staat vorbehalten sei. "Regierungen sind daher aufgerufen, ihre jeweilige ccTLD soweit angemessen zu managen oder zu beaufsichtigen." Diese Position ist insofern bemerkenswert, als sich das BMWA als federführendes Ministerium bei der Reform des Telekommunikationsgesetzes dafür entschieden hatte, am Status Quo der privaten Verwaltung der .de-Domain durch die DENIC eG vorerst nicht zu rühren. Das Papier hält dagegen fest, dass Regierungen eben nicht nur Teil der lokalen Internet-Nutzerschaft seien, als die sie in den ICANN-Anfängen betrachtet wurden. Vielmehr seien Regierungen und nicht etwa private Organisationen oder Unternehmen die legitime Vertretung der Nutzer.

Weiterhin regt das BMWA in dem Papier an, das als Ergebnis einer ersten Konsultation präsentiert wurde, die Rolle des Regierungsbeirates mit Blick auf die WSIS-Debatte überhaupt neu zu definieren. "Vorerst", so heißt es, "ist der GAC an seine Rolle als beratendes Gremium für ICANN gebunden und muss sich als allgemeines Diskussionsforum für Fragen der globalen Netzregulierung erst noch etablieren. Obwohl es bereits Diskussionen und Initiativen gab, das Mandat des GAC auszuweiten, etwa im Verlauf der ICANN-Reform, wurden dazu noch nicht die erforderlichen Schritte ergriffen, etwa indem eine entsprechende Charta verabschiedet wurde." Inwieweit das BMWA dieses Modell eines gestärkten ICANN-Regierungsbeirates auch offiziell befürwortet, war nicht in Erfahrung zu bringen. Eine heise online zugesagte Stellungnahme des Ministeriums steht noch aus. Verschiedene Beobachter meldeten inzwischen Zweifel an, dass das Papier tatsächlich Ergebnis echter Konsultationen im BMWA oder in der Branche sei.

Der Leiter des GAC-Büros in Brüssel, Christopher Wilkinson, wollte sich zur deutschen Stellungnahme allerdings nicht äußern. Der Regierungsbeirat, der laut Wilkinson schon jetzt ein "spezielles Beratungsgremium" sei, werde zunächst weiter an der Aktualisierung der Delegationsprinzipien arbeiten. Potenzielle Änderungen der GAC-Rolle als Ergebnis der WSIS blieben abzuwarten. "Die Aufmerksamkeit für den Regierungsbeirat ist allerdings bereits gestiegen." 48 Regierungen waren auf dem ICANN-Meeting in Kuala Lumpur vertreten, darunter auch eine Reihe Neumitglieder sowie Beobachter aus Saudi Arabien, dem Iran und Afghanistan. Verabschiedet wurden Änderungen in der Arbeitsweise des GAC, erklärte Wilkinson, die unter anderem die Online-Teilnahme am ICANN-Prozess für Regierungen erleichtern sollen.

Das Modell eines Super-GAC könnte eine mögliche Alternative zu einer Unterstellung der ICANN unter die Aufsicht der UN oder einer UN-Organisation wie der ITU sein. Zwar widersprach der Chef des Standardisierungsbüros der ITU, Houlin Zhao, bei einem gemeinsamen Workshop der Interpretation, dass ITU und ICANN einander ausschließende Alternativen sind. "Die ITU überlässt Aufgaben, die bislang von anderen bewältigt wurden, gerne bei diesen dafür kompetenten Stellen, egal, ob das nun internationale oder zwischenstaatliche Organisationen sind. Die ITU würde einen aktiven Part dort spielen, wo Regierungen ihre Interessen geltend machen möchten oder wo das öffentliche Interesse eine Rolle spielt." Genau in dieser Rolle sieht sich allerdings auch ICANNs Regierungsbeirat. (Monika Ermert) / (jk)