Wikimedia engagiert Tugendwächter

Im Streit um explizite Darstellungen in der freien Online-Enzyklopädie hat der Wikimedia-Vorstand einen externen Berater mit der Vermessung der Grenze zwischen Weltwissen und Schmuddelkram betraut.

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Von
  • Torsten Kleinz

Wie viel Penisbilder verträgt eine Enzyklopädie? Die Frage expliziter Fotos sorgt seit Anfang Mai in der Wikipedia-Community für heftigen Streit. Nun hat der Vorstand der Wikimedia Foundation beschlossen, das Problem nicht selbst lösen zu können und hat einen externen Berater beauftragt, Empfehlungen für den Umgang mit potenziell anstößigen Inhalten zu entwickeln.

"Wir wissen, dass es in unseren Projekten Inhalte gibt, die manche unserer Leser anzüglich finden – und so wird es auch immer sein", erklärt Wikimedia- Vorstandsvorsitzender Michael Snow in einer Nachricht an die Community. Gleichwohl hätten zu freizügige Inhalte zur Folge, dass viele Menschen nicht von Projekten wie der Wikipedia profitieren könnten. So wird Wikipedia beispielsweise in vielen Bildungseinrichtungen gesperrt.

Wo genau die Grenze zwischen Weltwissen und vorwiegend anstößigem Material zu ziehen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. So hatte die Löschung mehrerer hundert Bilder durch Wikimedia-Gründer Jimmy Wales zu einer Palastrevolution geführt, die Wales schließlich zwang, Privilegien abzugeben. Auch der Wikimedia-Vorstand, der zunächst eine Erklärung zur Stützung des Stiftungsgründers abgegeben hatte, ist in der Frage offensichtlich uneins. Laut Snow wurden unter den Mitgliedern inzwischen Hunderte E-Mails ausgetauscht, ohne einer Lösung näher gekommen zu sein.

Dafür hat die Stiftung nun einen externen Berater engagiert: Robert Harris, ehemaliger Manager der Canadian Broadcasting Corporation, soll in den kommenden Wochen die Regeln von Wikipedia und Schwesterprojekten untersuchen. Er soll eine fundierte Grundlage für einen Beschluss des Wikimedia-Vorstands schaffen. Laut Snow hat sich die Stiftung gezielt externe Hilfe gesucht, da sich die interessierten Mitglieder der Community wahrscheinlich bereits eine feste Meinung gebildet hätten. Zwar seien die Projekte rund um Wikipedia "ein leuchtendes Beispiel für Massen-Kollaboration". In der Vergangenheit habe sich aber gezeigt, dass bei den Entscheidungsprozessen innerhalb der Community öfters der größere Zusammenhang und die Erfahrungen anderer Organisationen vernachlässigt werden. (vbr)