Zweckentfremdet

Normalerweise dient die Ethernet-Schnittstelle BD-Live-fähiger Blu-ray-Player nur zum Aktualisieren der Firmware und zum Nachladen von Bonusmaterial. Videociety nutzt die Online-Funktion nun, um die Geräte in Video-on-Demand-Clients zu verwandeln.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nico Jurran

Video on Demand (VoD), bei dem Filme auf Knopfdruck via Internet zum Kunden gestreamt werden, gibt es seit Jahren. Der Durchbruch auf breiter Ebene blieb hierzulande bislang jedoch aus – auch, weil der Nutzer meist erst einmal in ein passendes Wiedergabegerät investieren muss, wenn er die Videos nicht am PC oder auf dem Laptop anschauen will. Das Hamburger Unternehmen Videociety verwandelt mit ihrer auf Blu-ray Disc ausgelieferten BD-Java-Software nun jeden Blu-ray-Player mit Internet-Anschluss und BD-Live-Funktion (Profile 2.0) in einen Video-on-Demand-Client – Sonys Playstation 3 eingeschlossen.

Ganz ohne Rechner geht es aber doch nicht, da man sich erst auf der Website www.videociety.de anmelden muss. Wer möchte, kann gleich eine Favoritenliste erstellen und diese später am Player abrufen – nötig ist das nicht, da sich am Fernseher nach Titeln suchen und zehn verschiedene Genre-Listen durchforsten lassen. Zu jedem Film gibt es eine Kurzbeschreibung und einen Trailer. Auf der Website muss man auch seine Kreditkartendaten hinterlegen, da man aktuell nur so sein Guthabenkonto (am Rechner oder am Player) aufladen kann – mit einem Betrag von 5, 10, 20 oder 50 Euro, wobei in den letzten beiden Fällen 21 beziehungsweise 55 Euro gutgeschrieben werden.

Top-Neuheiten kosten meist 5,99 Euro, für nicht ganz so frische Streifen zahlt man 3,99 oder 4,99 Euro. Nach dem ersten Start hat man stets 48 Stunden lang Zeit, sich den Film anzusehen, kann ihn dabei beliebig oft anhalten und zu einem späteren Zeitpunkt die Wiedergabe fortsetzen. Ein gemieteter Streifen lässt sich auch mehrfach anschauen – allerdings nicht auf einem anderen Player. Der Kauf eines Films ist derzeit nicht möglich. Das Angebot umfasst FSK-18-Titel, aber keine (Voll-)Erotik; die Alterskontrolle wird laut Betreiber über die Adressdaten des Kunden bei der Schufa durchgeführt.

Die Scheibe startet wie eine gewöhnliche Video-Disc mit den üblichen Belehrungen zum Urheberrecht, dann erscheint ein Menü mit den Videos, die man sich auf Knopfdruck streamen lassen kann. Alle Filme liegen laut Betreiber H.264-kodiert im HD-Videoformat 720p mit 1280 x 720 Bildpunkten und einer Dolby-Digital-5.1-Tonspur vor – allerdings nur in der deutschen Sprachfassung. Als Mindestvoraussetzung nennt Videociety einen DSL-Internetanschluss mit einem Netto-Datendurchsatz im Downstream von 4000 KBit/s. Um Störungen bei der Wiedergabe durch Schwankungen bei der Datenübertragung zu vermeiden, nutzt die VoD-Software rund 200 MByte des BD-Live-Speichers als Puffer.

Auf einem 42-Zöller besaßen die gestreamten Filme aus üblichem Sitzabstand durchaus HD-Qualität – auch wenn es in Szenen mit starkem Filmkorn schon mal zu stehenden Rauschmustern kommt. Die Mischung aus Basis-Disc und gestreamtem Film hat den Nachteil, dass sich die Bedienfunktionen auf Start/Pause und Neustart beschränken. Bei einem Druck auf die Stopp-Taste hält man das gesamte System an – und für eine Fortsetzung der Wiedergabe muss man die Java-Applikation auf der Disc neu starten. Eine Kapitelanwahl ist geplant.

Von den Top-10-Charts der vermieteten DVDs der Versand-Videothek Lovefilm zum Testzeitpunkt hatte Videociety gerade einmal einen Titel im Angebot, von den Top 50 nur vier – und allesamt stammten aus dem Hause Warner. Mehrere andere große Studios fehlen bisher. Zum Vergleich: In Sonys Playstation Store konnte man zu dieser Zeit alleine sechs der angesprochenen Top-10-Titel in HD bekommen und sieben in Standardauflösung – zu meist identischen Preisen.

Die Idee, die meist brachliegende Internetanbindung der Blu-ray-Player für ein Video-on-Demand-Angebot zu nutzen, ist clever. Auch die technische Umsetzung ist alles in allem gelungen. Wie viele VoD-Dienste kränkelt Videociety aber an der vergleichsweise mageren Titelauswahl, die echte Filmfans nicht befriedigen dürfte. Besitzer einer Playstation 3 dürften angesichts des besseren Titelangebots in Sonys Online Store kaum einen Grund für einen Wechsel sehen – zumal Videociety genauso hohe Mietpreise hat wie Sony. Da aber weder eine Aufnahme- noch eine Grundgebühr anfällt, schadet es auch nicht, sich bei dem Dienst anzumelden und die Entwicklung im Auge zu behalten – zumal der kostenlos bei Videociety erhältlichen Disc aktuell ein Gutschein im Wert von 5 Euro beiliegt. (nij)