Missing Link: Bundeswehr in Space

Globale Konflikte werden längst auch im Weltraum ausgetragen. Die Bundeswehr muss sich dem stellen. Doch die Entwicklung neuer Technologien dauert oft lange.

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Viele Satelliten

(Bild: CG Alex/Shutterstock.com)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Ulrike HeitmĂĽller
Inhaltsverzeichnis

Der Krieg in der Ukraine dauert an und die USA unter Präsident Donald Trump fordern von den europäischen Bündnispartnern mehr Eigenverantwortung. Nachdem die Bundesregierung vor fast drei Jahren ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen hat, wurde nun die Schuldenbremse für bestimmte Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben ausgesetzt. Wird die Bundeswehr damit in die Lage versetzt, einen Krieg zu führen? Das Land erfolgreich zu verteidigen? Einem Bündnispartner beizustehen, mehr als bisher? Und das auch noch bei zunehmender Bedrohung aus dem Weltraum?

Man darf vermuten: in naher Zukunft eher nicht. Erstens ändern sich die äußeren Umstände weiterhin und das nicht unbedingt zum Besseren, zweitens krankt die Bundeswehr an Behäbigkeit und Bürokratie – das hat sich nicht geändert. Ein paar Dinge aber funktionieren doch und einige Fachleute sagen auch, was ihrer Ansicht nach fehlt.

De facto finden aktuell schon Weltraumoperationen gegen Deutschland statt, sagt Michael Traut, Generalmajor der Luftwaffe und Chef des Weltraumkommandos der Bundeswehr: "Grundsätzlich ist es so, dass wir das schon seit einiger Zeit beobachten, mit einer besorgniserregenderen Intensität in den letzten Jahren. Bestimmte Nationen wie Russland und China, aber natürlich auch andere Nationen, haben Fähigkeiten aufgebaut und in ihrem Portfolio."

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Russland beispielsweise sei ziemlich "prominent" darin, aufzuklären, zu verfolgen und Kommunikation mitzuhören, sagt Traut. "Da gibt es ja auch zwei Satelliten, die sehr eng beobachten, die heißen Luch/Olymp-K und Luch/Olymp-K 2, alte Bekannte sozusagen." Bei Luch/Olymp handelt es sich um geostationäre Satelliten, die für das russische Verteidigungsministerium und den russischen Geheimdienst FSB gebaut wurden. Der erste soll 2014, der zweite 2023 gestartet sein.

"Die operieren im geostationären Orbit gegen andere Satelliten", erklärt Traut, "indem sie daneben einparken und dann die Kommunikation mithören." Das betreffe nicht nur die Satelliten der Bundeswehr – so viele habe man ja gar nicht – sondern auch zivile kommerzielle Satelliten. Aber auch das kann gefährlich werden, denn auf solchen mieten viele Behörden und eben auch die Bundeswehr Strecken an. Und die Bundeswehr achtet natürlich darauf, so der Generalmajor, "ob sich so ein russischer Aufklärungssatellit daneben setzt. Das ist, ich will nicht sagen 'gängige Praxis', aber das gab es schon immer. Und angesichts der sich entwickelnden politischen Lage wird es immer besorgniserregender."

Der Weltraum ist aus Sicht der Bundeswehr ein besonderes Thema. "Wir sind von zwei Seiten kalt erwischt worden", sagt Andreas Knopp, Sprecher des Forschungszentrums SPACE und Inhaber der Professur für Informationsverarbeitung an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Universität der Bundeswehr in München. Erstens sehe man sich einem neuen sicherheitstechnischen Szenario gegenüber: Lange Zeit habe man sich auf Auslandseinsätze fokussiert, demgegenüber waren Landes- und Bündnisverteidigung untergeordnet; für den Zweck war die Bundeswehr ja auch umgebaut worden. Und dabei müsse man heutzutage auch den Weltraum als Operationsraum mitdenken.

Zweitens sei man von Weltraum-Assets abhängig, auf die man sich nicht rechtzeitig eingestellt habe: So sei die Einschätzung von niedrig fliegenden Satellitenkonstellationen vor zwölf bis 15 Jahren ziemlich falsch gewesen – erst ab etwa 2012/13 habe man aufgrund der Frequenzeinschätzung gewusst, was Musk plante – und die Forschung deshalb nicht frühzeitig darauf ausgerichtet, damit Europa mithalten konnte. Und nun müsse man erstens den technologischen Vorsprung aufholen und zweitens lieferfähig werden.

Tatsächlich werden auch Störmanöver gegen deutsche Aufklärungssatelliten gefahren, sagt Traut, so würden vom Boden aus Störsender eingeschickt oder die Kameraoptik würde mit Lasern geblendet. "Das stellen wir fest. So etwas passiert. Da kann ich leider nicht weiter ins Detail gehen. Das hat im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine deutlich zugenommen."

Dies seien die mildeste Art von Störmanövern. Aber man stelle auch fest, dass Nationen Fähigkeiten entwickelten, "Satelliten körperlich anzugreifen und abzuschleppen", sagt er und erinnert an den Shijian-21 (SJ-21), der im geostationären Orbit "sehr sehr interessante Manöver vollführt, die man unter ökonomischen Gesichtspunkten nie vollführen würde: Wer lange und effektiv von so einem teuren Satelliten profitieren möchte, der macht so etwas einfach nicht. Da fragen wir uns: Warum machen die das?"

Der SJ-21 soll einen ausrangierten Satelliten vom geostationären Orbit (35.786 Kilometer über der Erde) in einen entfernteren Orbit befördert haben, aber nicht nur auf den üblichen "Friedhofsorbit" für Weltraumschrott von 300 Kilometer über dem geostationären Orbit, sondern deutlich weiter entfernt, nämlich 3000 Kilometer. Dort soll er nun, was auch ungewöhnlich ist, eine sehr elliptische Umlaufbahn haben, nämlich von 290 bis 3100 Kilometer über dem geostationären Orbit. Und sein Abschleppmanöver – so es denn eines war – scheint der SJ-21 bei Tageslicht durchgeführt haben, sodass er von der Erde aus nicht dabei beobachtet werden konnte.

Warum so etwas? "Eine mögliche Erklärung ist: Sie üben Abfangmanöver und versuchen das dann auch so ein bisschen zu kaschieren", sagt Traut. "Solche Dinge sehen wir zunehmend."

Ein weiteres Beispiel führt er an, genauer "die weitere Eskalation, nach meinem Dafürhalten war das eine strategische Demonstration", als Russland einen eigenen Satelliten im niedrigen Erdorbit zerstört und dadurch mehr als 1000 Trümmerteile erzeugt hat. "Das können die jederzeit wieder machen." Diese "Demonstration" habe sich etwa 20 bis 30 Kilometer unterhalb des Orbits von Starlink abgespielt. "Jetzt stellen Sie sich vor, die machen das nochmal und zwar innerhalb der Höhe, in der sich gerade 7000 Starlink-Satelliten befinden – was glauben Sie, was das für Ausweichmanöver nach sich zieht? Das ist durchaus besorgniserregend!"