Musterprozess: Ist die neue Steuernummer verfassungswidrig?

Schon 82 Millionen Mal ist die neue Steuer-Identifikationsnummer vergeben worden. Also praktisch für alle Menschen in Deutschland [--] vom Baby bis zum Greis. Ein Gericht prüft jetzt erstmals nach vielen Klagen, ob die ID-Nummer verfassungsrechtlich o.k. ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 195 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • dpa

Bei einem Musterprozess in Köln ist die millionenfach neu zugeteilte Steuer-ID für alle Bürger erstmals auf dem Prüfstand gekommen. Mehr als 170 Kläger halten die neue Steuer-ID für verfassungswidrig und waren vor das Kölner Finanzgericht gezogen, das bundesweit einzig zuständige Gericht in dieser Frage. Drei Klagen (AZ: 2 K 3834/08, 2 K 3837/08, 2 K 3838/08) wurden nun als Präzedenzfall verhandelt.

Die im Oktober 2008 eingeführte Steuernummer verletzte das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, sei ein Schritt hin zum gläsernen Bürger" und setzte eine "gigantische Kontrollmaschine" in Gang, sagte Rechtsanwalt Martin Heufelder am Mittwoch zu Verhandlungsbeginn.

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bonn als Beklagte bestritt die Vorwürfe vehement. Die Kombination aus elf Ziffern lasse keine Rückschlüsse auf die Person zu, es handele sich um eine "nicht sprechende Nummer", betonte Kyra Mühlenharz vom BZSt. Gespeichert seien Daten wie Name, Geburtstag, Adresse, Name der "Lebenspartnerschaft". Diese Daten seien sicher: "Auskünfte aus der Datenbank bekommt nur der Betroffene selbst." Bevor die Informationen an Dritte wie Rententräger vergeben würden, prüfe das BZSt immer ausreichend.

Die Steuer-ID ist laut BZSt bereits 82 Millionen Mal vergeben worden. Sie solle die verpflichtende gleichmäßige Besteuerung aller Bürger erleichtern, das Besteuerungsverfahren "effizienter und kostengünstiger" machen, erklärte Mühlenharz. Deutschland seit dem Beispiel anderer Länder gefolgt. Die ID muss bei allen steuerlichen Angelegenheiten gegenüber den Finanzbehörden angegeben werden.

Anwalt Heufelder – er vertritt alle drei Kläger – kritisierte, es sei unklar, wer befugt sei, wessen Daten an wen genau weiterzugeben. Zu befürchten sei, dass praktisch alle Finanz-Transaktionen rund um die Steuer öffentlich würden. Das könne schon "in die Nähe der Erstellung eines Persönlichkeitsprofils" gehen. Es bleibe auch unklar, warum bereits Babys kurz nach ihrer Geburt die lebenslang gültigen Steuer-ID erhalten. Die Kläger verlangen für sich und teilweise auch für ihre Kinder die Löschung der ID-Nummer.

Falls das Gericht die Bedenken der Kläger teilt, müsste es die Fälle dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Eine Entscheidung darüber will das Finanzgericht in rund zwei Monaten öffentlich machen. (jk)