Microsofts Anti-Spam-Technik Sender ID weiter unter Beschuss

Auch das Debian-Projekt und andere Open-Source-Protagonisten lehnen Microsofts mit Patentansprüchen belegte Anti-Spam-Technik ab; Beobachter befürchten, die Frage nach dem Sinn der verschiedenen Anti-Spam-Techniken gehe in der Debatte unter.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 291 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Weitere Stimmen aus der Open-Source-Gemeinde haben sich übers Wochenende gegen die Anerkennung des von Microsoft vorgeschlagenen Anti-Spam-Standard Sender ID ausgesprochen. Nach der Apache-Foundation hat am Wochenende Martin Michlmayr für Debian dem von Microsoft mit Patent- und Lizenzansprüchen versehenen Sender ID eine Absage erteilt. "Die Bedingungen der von Microsoft angebotenen kostenfreien Lizenz [für Sender ID, die Red.] behindern jedes Debian-Paket, das Sender ID implementieren oder unterstützen will", heißt es in der Erklärung, die auch über die Mailingliste der mit der Standardisierung betrauten Arbeitsgruppe der Internet Engineering Task Force verbreitet wurde.

Debian und Apache stehen aber längst nicht alleine. Verschiedene andere Open-Source-Anbieter haben bereits ihre Bedenken geäußert, allen voran Vertreter von zwei der wichtigsten Software-Anbieter für Mailserver. Sendmail-Cheftechnologe Eric Allman sagte gegenüber dem US-Magazin eWeek, man habe bei Diskussionen zwischen Anwälten beider Seiten zwar einige Verbesserungen erreicht, aber: "Die Tatsache, dass Redistribution nach wie vor ein Problem ist, wird uns möglicherweise daran hindern, Sender ID mit Sendmail zu bündeln." Ähnlich lautete der Kommentar von Postfix-Vertreter Wietse Venema an die IETF-Arbeitsgruppe: "Um die Einführung von Sender ID für Postfix praktikabel zu machen, müssen die Lizenzbedingungen so geändert werden, dass keine Lizenz für Veränderungen, Weiterverbreitung oder den Gebrauch des PRA-Algorithmus zur Sender-ID-Authentifizierung notwendig sind."

Neben der Inkompatibilität der Microsoft-Lizenz mit den Lizenzmodellen der Open-Source-Welt wurmt Kritiker vor allem, dass noch völlig unklar ist, worauf sich das Microsoft-Patent erstrecken soll. Angesichts einer Menge Vorarbeit zu dem Konzept, das dem Sender-ID-Vorschlag einverleibt ist, halten viele Beobachter Microsofts Patentanträge, die dem US-Patentamt vorliegen, für geradezu unlauter.

"Es ist ein schreiender Unterschied zwischen dem Vorgehen von Microsoft und anderen, die an den Vorschlägen beteiligt waren," schreibt etwa Yakov Shafranovich, einer der Leiter der Anti-Spam Research Group der Internet Research Task Force, der für Forschung zuständigen IETF-Schwester. Yakovs Arbeitsgruppe hatte vor einem Jahr die in Sender Policy Framework (SPF) und damit Sender ID (der Kombination aus Microsofts ursprünglichem Vorschlag Caller ID und SPF) aufgegangenen Vorschläge für die Authentifizierung von Mailabsendern diskutiert. "Während die verschiedenen Autoren für die Senderauthentifizierung ebenfalls aufeinander aufgebaut haben, hat doch keiner von ihnen Patente angemeldet (auch wenn die Autoren von SPF dies in Erwägung gezogen haben)", so Shafranovich. SPF-Koautor Mark Lentczner hat sich inzwischen auch von Microsofts Vorgehen distanziert. Er werde jedenfalls unter diesen Bedingungen nicht am Standard weiterentwickeln.

Nach Shafranovichs Ansicht stellt sich angesichts der harten Microsoft-Haltung -- Microsofts Patentexperten sollen angekündigt haben, dass sie das Konzept eher sterben lassen wollen als weitere Zugeständnisse zu machen -- die Frage, ob Microsoft den Anti-Spam Standard gezielt gegen den Mitbewerber Open Source einsetzen will. Hadmut Danisch, Autor von RMX, einem der frühen Anti-Spam-Vorschläge, hält diese Frage für nicht ganz unberechtigt. "Das derzeitige Verhalten läuft einer schnellen, breiten Implementierung eines Standards auf jeden Fall sehr zuwider", warnt Danisch.

Noch einmal haben die beiden Chefs der IETF-Arbeitsgruppe angesichts der aufgeheizten Situation die eigentlich am heutigen Montag ablaufende Frist für die Verabschiedung des Standards in der Arbeitsgruppe verschoben. In all den Debatten um Patentansprüche gehen, so fürchten sie und andere Beobachter, viele noch bestehende technische Fragen völlig unter. So mancher Experte ist der Meinung, dass gerade das Sender-ID-Konzept keineswegs reif für die Verabschiedung ist. Paul Judge, Co-Vorsitzender von Shafranovichs Arbeitsgruppe, äußerte etwa gerade erst Zweifel, ob SPF oder Sender ID das Spam-Problem nachhaltig lösen.

Paul Vixie, Entwickler des DNS-Servers BIND und ebenfalls Autor einer lange vor Sender ID vorgelegten Variante der Sender-Authentifizierung, nannte in einer Reaktion auf Shafranovich die ganze Debatte "dumm". Es werde nie einen einzigen universellen Standard für E-Mail-Autorschaft geben, ganz gleich, was die IETF oder Microsoft tun. "Lasst hundert Blumen blühen", schreibt Vixie. (Monika Ermert) / (jk)