Keine verdachtsunabhängige Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Laut Bundesarbeitsgericht ist eine Überwachung von Arbeitnehmern per Video nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung besteht und dies nur mit Hilfe der Überwachung aufzuklären ist.

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Von
  • Joerg Heidrich

Eine dauerhafte, verdachtsunabhängige Videoüberwachung der Belegschaft eines Briefzentrums ist unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 29. Juni 2004 (Az. 1 ABR 21/03).

In dem Briefzentrum, in dem in einer großen Halle in mehreren Schichten insgesamt etwa 650 Arbeitnehmer beschäftigt sind, waren immer wieder Briefe abhanden gekommen. Dabei ist nicht näher festgestellt worden, ob und in welchem Umfang diese im Briefzentrum selbst, auf dem Weg dorthin oder auf dem weiteren Weg zum Empfänger eintreten. Zur Reduzierung dieser Verluste plante der Arbeitgeber die Einführung einer Videoüberwachung. Die Videoanlage sollte mit Hilfe von in der Halle sichtbar angebrachten Kameras verdachtsunabhängig wöchentlich bis zu 50 Stunden eingesetzt werden können, wobei für die Arbeitnehmer nicht erkennbar war, wann sich die Anlage in Betrieb befand. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zu dieser Einrichtung. Nach § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) hat dieser ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Während die Vorinstanzen den Antrag des Betriebsrats abgewiesen haben, gab das BAG der Mitarbeitervertretung Recht. Nach Ansicht der Richter sei die Arbeitgeberin zwar in der Pflicht, für die Sicherheit des Briefverkehrs und des grundrechtlich geschützten Postgeheimnisses zu sorgen. Auf der anderen Seite werde aber durch die Videoüberwachung erheblich in das ebenfalls grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der einzelnen Arbeitnehmer eingegriffen. Eine Abwägung der beiden betroffenen Interessen ergäbe, dass die dauerhafte, verdachtsunabhängige Videoüberwachung der Belegschaft des Briefzentrums unter den vorliegenden Umständen unverhältnismäßig sei.

Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Überwachung von Arbeitnehmern per Video als schwerer Eingriff in die Rechte der Betroffenen allenfalls dann zulässig, wenn gegen den Überwachten der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht und diese Taten nur mit Hilfe der Überwachung aufzuklären sind. Einer verdachtsunabhängigen Beobachtung der Mitarbeiter erteilten die Robenträger aus Erfurt mit ihrer aktuellen Entscheidung eine klare Absage. (Joerg Heidrich) / (jk)