Suchtexperten gegen Computer im Kindergarten

Computer in Kindergärten werden immer häufiger. Manche Eltern und Erzieherinnen meinen, dass eine frühe Beschäftigung damit die Entwicklung der Kinder fördert. Kritiker befürchten, dass wichtige Sinne der Kleinen verkümmern.

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Von
  • Iris Leithold
  • dpa

Die wachsende Zahl Computer in Kindergärten macht Suchtexperten Sorgen. "Viele Kinder haben bereits einen zu hohen Fernsehkonsum, da sollte die Kita eher gegensteuern und zeigen, was es in der realen Welt alles zu erleben gibt", sagte die Sozialpädagogin Birgit Grämke von der Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung Mecklenburg-Vorpommern in einem dpa-Gespräch. An die Adresse ehrgeiziger Eltern gerichtet, ergänzte sie: "Es gibt keine Studie, die belegt, dass Kinder bei frühem Medienkonsum medienkompetenter würden."

Wenn in der Grundschule mit der Computerbildung begonnen werde, reiche das völlig aus, sagte Grämke. Der bundesweite Fachverband Medienabhängigkeit sehe das genauso. Da kleine Kinder ihre Welt mit allen Sinnen wahrnehmen, bestehe die Gefahr, dass bei zu früher Beschäftigung mit der virtuellen Computerwelt wichtige Sinne verkümmerten. "Computer bedienen, wie auch der Fernseher, nur die Sinne Hören und Sehen", sagte Grämke. Bewegung spiele keine Rolle, Tast-, Geschmacks- und Geruchssinn würden nicht gefordert.

"Wichtig ist in dem Alter vor allem auch, dass die Kinder lernen, sich mit ihrer Umwelt und anderen Kindern auseinanderzusetzen und Konflikte zu lösen." Grämke verwies in dem Zusammenhang auf Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen 2008/9 in Mecklenburg-Vorpommern: "16,4 Prozent der Kinder hatten motorische Defizite. Emotional-soziale Entwicklungsverzögerungen haben zugenommen, diese Kinder haben in der realen Welt nicht gelernt, sich zu reiben." Wer das nicht lerne, laufe Gefahr, kein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln. Dies wiederum könne eine spätere Flucht in virtuelle Welten bis hin zur Mediensucht begünstigen.

Die Computer in Kitas sind nach Grämkes Beobachtungen vor allem ältere Modelle, die Eltern oder Firmen ausmustern und dem Kindergarten schenken. "Wenn denn so ein Gerät da ist und Eltern und Erzieherinnen unbedingt wollen, dass die Kinder es benutzen, dann muss zwingend ein pädagogisches Konzept her", forderte sie. Die Erzieherinnen müssten geschult werden. "Die Kinder dürfen auf gar keinen Fall alleine vor dem Computer sitzen, auch nicht mit einem Lernspiel."

Denkbar wäre beispielsweise, als Gruppenprojekt Fotos von einem gemeinsamen Erlebnis am Computer zu bearbeiten und ein Album herzustellen. "Aber dazu braucht es eigentlich den Computer gar nicht", sagte Grämke. Viel besser wäre es ihrer Meinung nach, wenn die Drei- bis Sechsjährigen mit Schere und Leim hantierten und das Album auf herkömmliche Art und Weise handwerklich zusammenbastelten. (anw)