Online-Versand an Jugendliche: Gericht präzisiert Voraussetzungen

Das Oberlandesgericht München verdeutlicht die Anforderungen, die nach dem Jugendschutzgesetz für den Versandhandel mit jugendgefährdenden Medien von Erotik-DVDs bis hin zu USK-18-Spielen zu erfüllen sind.

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Von
  • Dr. Andreas Lober

Zu dem Urteil des OLG München vom 29. Juli 2004 (Az 29 U 2745/04) liegen nun die sehr ausführlichen und sorgfältig abgefassten Urteilsgründe vor. Darin präzisiert das Gericht die Anforderungen, die für den Versandhandel mit jugendgefährdenden Medien gelten. Eine Altersüberprüfung per Post-Ident genügt hierzu nach Ansicht der Richter nicht. Das Urteil betrifft damit neben dem entschiedenen Fall -- es ging um den Verleih von Erotik-DVDs mit Freigaben nach FSK 18 -- genauso den Versand von Computerspielen mit Freigabe nach USK 18. Für den Versandhandel mit Alkohol und Zigaretten gelten dagegen weniger strenge Anforderungen -- ganz ohne Alterscheck ist aber auch dieser wohl unzulässig.

Das OLG München hat in den genannten Urteil auf einen Antrag eines Mitbewerbers hin entschieden, dass es einer Online-Videothek verboten ist, Filme, die mit "keine Jugendfreigabe" nach § 14 Abs. 2 Jugendschutzgesetz (JuSchG) gekennzeichnet sind ("FSK-18-Filme"), über ihren Internet-DVD-Versanddienst anzubieten oder zu überlassen, wenn nicht gewährleistet ist, dass die Filme an den Adressaten persönlich ausgehändigt werden. Dies soll durch einen Versand per "Einschreiben eigenhändig" möglich sein. Das Gesetz erlaubt den Versandhandel mit FSK-18-Filmen nur, wenn durch technische Maßnahmen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt (§ 1 Abs. 4 JuSchG).

Die Münchner Richter setzen sich in dem Urteil insbesondere ausführlich mit der Frage auseinander, wie denn der Begriff "Versand" in dieser Vorschrift auszulegen ist. Die fragliche Online-Videothek hatte jugendgefährdende DVDs nämlich nur an solche Besteller versandt, die sich zuvor beim Postamt persönlich identifiziert hatten (Post-Ident-Verfahren). Damit wurde sichergestellt, dass der Adressat einer Sendung volljährig ist. Dem OLG genügt dies aber nicht -- denn es könne sein, dass ein Minderjähriger eine nicht für ihn bestimmte Sendung öffnet, beispielsweise wenn sie in den Hausbriefkasten geworfen oder dem Minderjährigen vom Postboten übergeben wird. Dass der Besteller zuvor eine Benachrichtigung per E-Mail über den bevorstehenden Versand erhielt, sei nicht ausreichend: Es könne von diesem nicht erwartet werden, dass er dafür sorge, die Sendung abzufangen, bevor sie in die Hände Minderjähriger gerät. Damit legt das Gericht die gesetzlichen Vorschriften äußerst weit aus: Man könnte durchaus davon ausgehen, dass es Sache des volljährigen Bestellers ist, hier entsprechende Vorkehrungen zu treffen, wenn er denn überhaupt verhindern will, dass die Sendung nicht in die Hände von Minderjährigen gelangt. Außerdem spricht der Wortlaut "Kein Versand an Kinder und Jugendliche" eigentlich eher dafür, dass nur der Adressat der Sendung volljährig sein muss. Das Gericht meint aber, es bewege sich mit seiner Auslegung noch in den Grenzen des Wortlauts: Es widerspreche nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch, von einem gescheiterten Versand zu reden, wenn eine Sendung zwar ordnungsgemäß auf den Weg gebracht worden sei, aber nicht beim Empfänger angekommen sei.

In einem anderen Punkt ist das Gericht liberaler: Es deutet an, dass es unter den dargestellten Voraussetzungen auch den Versand von Pornografie für zulässig hält. Dies ist keine Selbstverständlichkeit: Der einschlägige Straftatbestand des § 184 Strafgesetzbuch (StGB) verbietet den Versand von Pornografie schlechthin und kennt keine Ausnahme wie das Jugendschutzgesetz. Technische Schutzmaßnahmen genügen nur für die Verbreitung pornografischer Darbietungen in Tele- und Mediendiensten (§ 184 c StGB); dabei handelt es sich beispielsweise um Live-Webcams. Zum anderen ging es in der Entscheidung nur um FSK-18-Filme aus dem Erotik-Bereich. Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass tatsächlich ein Versand von Pornografie erfolgte. Insofern haben die Richter die sich bietende Gelegenheit genutzt, ihre Meinung zu einer nicht entscheidungserheblichen Frage zu äußern. Das Urteil des OLG München kann auch für andere "ab 18"-Medien herangezogen werden. Für jugendgefährdende Computerspiele (USK 18) gelten beispielsweise dieselben gesetzlichen Vorschriften wie für FSK-18-Filme. Insofern würde die Entscheidung des OLG München sicherlich genauso ausfallen.

Interessant ist, dass sich die Obersten Landesjugendbehörden darauf verständigt haben, dass für den Versand von Medien mit weniger strenger Altersbeschränkung (beispielsweise FSK 16 oder USK 16) keine Alterskontrolle notwendig sei. Dies ist insofern verwunderlich, weil an sich diese Medien in der Öffentlichkeit ebenfalls nur an Personen abgegeben werden dürfen, die das entsprechende Alter haben (§ 12 Abs. 1 JuSchG). Vergleichbare Regelungen gelten auch für den Versand von Tabakwaren und alkoholhaltigen Getränken über das Internet (§ 9 und § 10 JuSchG). Auch in diesen Fällen sind wohl Alterskontrollen notwendig -- allerdings nur, wenn der Händler Zweifel daran hat, dass der Käufer das erforderliche Alter hat (§ 2 Abs. 2 JuSchG). Klar ist, dass die Anforderungen hier weniger streng sind als bei "ab 18"-Medien, wo ein generelles Versandhandelsverbot (mit Ausnahmen) existiert. Ungeklärt ist aber für den Online-Versand bisher, wann der Händler "Zweifel" am Alter des Käufers haben muss. Hier wird teilweise angenommen, dies sei der Fall, wenn ein Alterscheck über die Personalausweisnummer fehlschlage. Dieses System könnte für den Versand von FSK-16-Filmen, USK-16-Spielen, alkoholhaltigen Getränken und Tabakwaren ausreichen -- für die Sicherung von geschlossenen Benutzergruppen mit jugendgefährdendem Inhalt reicht es wohl nicht, auch wenn hier Gerichte jüngst gegensätzliche Entscheidungen gefällt haben. (Dr. Andreas Lober) / (jk)