In den Fängen des Automaten

Tübinger Kybernetiker haben aus einem herkömmlichen Industrieroboter-Arm einen Simulator gebaut, in dem die menschliche Reaktion auf Bewegungen getestet werden kann.

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Tübinger Kybernetiker haben aus einem herkömmlichen Industrieroboter-Arm einen Simulator gebaut, in dem die menschliche Reaktion auf Bewegungen getestet werden kann.

Industrieroboter wirken auf Außenstehende eher langweilig: Tag ein, Tag aus setzen sie in Autofabriken Fahrzeuge zusammen oder stellen andere große und kleine Gegenstände her, deren Fertigung sich durch Kollege Mensch nicht mehr rechnet. Schweigsam und ausdauernd erledigen sie ihren Job.

Am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik (KYB) in Tübingen hat man nun aus einem dieser Automaten, einem Roboterarm des Herstellers Kuka, eine durchaus aufregende Gerätschaft gebaut: Einen Formel 1-Simulator, der sich mit sechs Freiheitsgraden durch den Raum bewegen kann. Dazu wurde am Ende des KR 500 genannten Systems eine Kabine montiert, die einen Sitzplatz, einen Bildschirm sowie ein Force-Feedback-Lenkrad samt Pedalen enthält. Dieses Setup hebt der Roboterarm dann bis zu zwei Meter in die Luft und bewegt es im Takt des auf dem Bildschirm ablaufenden Rennens mit nur minimaler Verzögerung.

Bis zu 500 Kilogramm kann der KR 500 ohne Probleme heben, zu keiner Zeit fühle sich der Benutzer unsicher, heißt es vom KYB. Der Nutzer fährt einen realistischen Ferrari F2007 über eine Rennstrecke. Ziel des Projektes ist nicht etwa die Förderung der Unterhaltungsindustrie, sondern die Nutzung der Technik für die Bewusstseinsforschung. So soll der "CyberMotion" genannte Simulator Beschleunigungen möglichst genau darstellen, während die Kybernetiker die Hirnaktivitäten des Probanden messen. "Ein Bewegungssimulator ist ein wichtiges Werkzeug, um zu verstehen, wie Menschen Bewegung wahrnehmen. Mit passenden Experimenten können wir neue Einblicke in die kognitiven Abläufe im Gehirn gewinnen", erläutert KYB-Forscher Paolo Robuffo Giordano gegenüber dem US-Fachblatt "IEEE Spectrum".

Durch die Aufhängung der Kabine an einem voll beweglichen Roboterarm sei die Simulation deutlich genauer als mit anderen Systemen wie den aus Flugsimulatoren bekannten Stewart-Plattformen, die auf zylindrischen Gestängen stehen. Die Truppe um Giordano hatte die meiste Arbeit bei der Umsetzung der Bewegungsabläufe auf dem Bildschirm in für den Roboter verständliche Algorithmen, die 3D-Grafik des Simulators wurde hausintern entwickelt.

Die Aufhängung an einem Industrieroboter soll sich auch für alle möglichen anderen Simulatoren eignen. So glaubt man am KYB schon an neuartige Schiffs-, Flugzeug- oder Hubschrauberdarstellungen, die ihr System realistischer inszenieren könnte. Beim Roboterhersteller Kuka, wo man sonst vor allem mit der Industrie zusammen arbeitet, freut man sich über den Einsatz. Die Firma hat bereits Systeme für Vergnügungsparks im Einsatz, darunter den so genannten Robocoaster, einen Achterbahn-Simulator mit einer Gondel für zwei Personen, der bis zu 60 Passagiere in der Stunde abfertigen kann. Im Gegensatz zum "CyberMotion" des KYB reagiert dieser aber nicht auf Nutzer-Input, sondern spult ein zuvor festgelegtes Programm ab, das sich bei zu viel Andrang von einem Operator allerdings abkürzen lässt.

Die Tübinger Forscher arbeiten derzeit daran, den Simulator noch realistischer zu machen. So soll auch innerhalb der Kabine, die der Roboterarm anhebt, noch eine Bewegung möglich werden. Dass sich Otto-Normal-Verbraucher einen "CyberMotion" in die Wohnung stellen kann, dürfte allerdings eher unwahrscheinlich sein: Für die Aufstellung des Systems braucht man viel Platz – und zum Erwerb des Roboterarms viel Geld. (bsc)