Hartz IV-Software kommt nicht termingerecht

Die von der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit (BA) bei T-Systems in Auftrag gegebene Software zur Berechnung des so genannten Arbeitslosengeld II (ALG II) wird nicht termingerecht fertig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 950 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Die von der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit (BA) bei T-Systems in Auftrag gegebene Software zur Berechnung des so genannten Arbeitslosengeld II (ALG II) wird nicht termingerecht fertig. Der ursprünglich für den 4. Oktober vorgesehene Start der A2ll genannten webbasierten Software war bereits auf den 18. Oktober verschoben worden. Nun erfuhr heise online aus informierten Kreisen, dass auch dieser Termin nicht zu halten ist. Probleäufe sollen ergeben haben, dass die auf insgesamt 105.000 Clients ausgelegte Software und Hardware nicht stabil genug läuft, den im Anforderungskatalog genannten gleichzeitigen Zugriff von 40.000 Clients zu gewährleisten. Die von 150 Programmierern bei T-Systems erstellte Software soll 15 Millionen Euro kosten und basiert auf einer Informix-Datenbank, auf die über verschiedene Naming Services unter Verwendung von Visibroker und PowerTier zugegriffen wird. T-Systems hatte sich das Projekt gesichert, nachdem ursprünglich mitbietende Firmen wie IBM angesichts des knappen Zeitplanes abgewunken hatten. Gegenüber der Frankfurter Rundschau hatte BA-Chef Frank-Jürgen Weise bereits erklärt, dass er ein zeitlich so knappes Projekt nicht angefangen hätte, wenn die Bundesagentur ein privates Unternehmen und er der Manager dieses Unternehmens sei.

Da das Sozialgesetzbuch II (SGB II) unabhängig von allen Softwareproblemen am 1.1.2005 in Kraft tritt, laufen nun vor allem in großen und mittleren Kommunen die Notfallpläne an, die sicherstellen sollen, dass die Anspruchsberechtigten Anfang Januar ihre Leistungen erhalten. Dabei wird versucht, die in den Kommunen vorhandene Software zur Auszahlung der noch gültigen Sozialhilfe (das so genannte KDN-Verfahren) so umzustricken, dass die Daten aus dem 16-seitigen Erhebungsbogen eingepflegt werden können und dann das Arbeitslosengeld II berechnet werden kann. Sollte die Software A2ll verspätet doch noch kommen, müssen alle Daten erneut eingepflegt werde, da die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg einen automatisierten Datentransfer untersagt hat.

Bisher warteten die in SGBII-Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossenen Kommunen und örtlichen Arbeitsagenturen auf die A2ll-Software, in die zunächst die kommunalen Daten der unter das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) fallenden Anspruchsberechtigten und die von den Arbeitsagenturen kommenen Daten der Arbeitslosenhilfeempfänger eingepflegt werden sollen. Die erforderlichen Daten wurden dabei mit einem 16-seitigen Fragebogen erhoben. Der Rücklauf dieser Fragebögen sollte ab dem 18. Oktober in die A2ll-Software eingepflegt werden - eine Aktion, die gerade in größeren Städten mit großem Aufwand verbunden ist. So hatte die Stadt Köln für die Erfassung und Datenpflege ihrer 30.000 Bedarfsgemeinschaften geplant, 50 Mitarbeiter in den verbleibenden zwei Monaten "rund um die Uhr" mit der Dateneingabe zu beschäftigen. Da in Köln bereits über 80% der Fragebögen ausgefüllt zurück gekommen sind, glaubt man dennoch, den Januar-Termin einhalten zu können. Als Alternative könnte die von der Stadt für die Sozialhilfe eingesetzte Software aKDn-sozial von der GKD Paderborn benutzt werden. Damit ist Köln in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Schlimmer ist die Lage in Berlin. Hier gibt es 300.000 Bedürftige, eine Rücklaufquote von nur 17% und keinen Notfallplan, weil sich die fünf Arbeitsagenturen und Sozialämter angeblich nicht auf einen Plan B einigen konnten.

In dieser insgesamt veworrenen Lage gewinnt ein Vorschlag aus Schleswig-Holstein an Bedeutung, der ursprünglich nur einen besseren Datenschutz bei ALG II zum Ziel hatte. Dort hatte die Landeshauptstadt Kiel ein vereinfachtes Verfahren zur Beantragung von Arbeitslosengeld II entwickelt, das nur aus einer einzige Seite besteht und wesentlich weniger Daten abfragt. Alle weiteren erforderlichen Daten werden - die Zustimmung der Betroffenen vorausgesetzt - automatisch aus dem Datenbestand des Sozialamtes entnommen. Das datensparende Verfahren, dass vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein geprüft wurde, soll dazu führen, dass die Sachbearbeiter ohne aufwändige Einpflege der Daten die Antragsunterlagen "auf Knopfdruck" erstellen können - notfalls auch in der bisher benutzten Software für die Erteilung der Sozialhilfe.

Siehe dazu auch:

(Detlef Borchers) / (jo)