Provider-Haftung kein Thema mehr für ACTA-Verhandlungen

Im aktuellen Entwurf des umstrittenen Anti-Piraterie-Abkommens sind Pläne, Maßnahmen wie das in Frankreich umgesetzte Three-Strikes-Verfahren zur Bedingung für Haftungsprivilegien der Provider zu machen, weitestgehend gestrichen worden.

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Von
  • Monika Ermert

Im Rahmen des umstrittenen Anti-Piraterieabkommens ACTA ursprünglich vorgesehene Haftungsregeln für Internetprovider sind im aktuellen Entwurf weiter abgeschwächt worden. In dem von der US-Bürgerrechtsorganisation Knowledge Ecology International (KEI) veröffentlichten Entwurfstext (PDF-Datei) fehlen entsprechende Vorgaben für den Umgang der Provider mit Rechtsverstößen ihrer Kunden sowie die daraus abzuleitenden Haftungsprivilegien.

Die zwölf ACTA-Verhandlungspartner – neben der EU und den USA sind zehn weitere Länder beteiligt – wollen damit offenbar den Weg für einen Abschluss des Abkommens noch in diesem Jahr frei machen. Meinungsverschiedenheiten hatte es insbesondere um die Frage gegeben, ob Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen etwa nach dem französischen Three-Strikes-Modell künftig zur Bedingung für eine Haftungsfreistellung von Zugangsprovidern gemacht werden solle.

Unabhängig davon befürworten die EU und die Schweizer Delegation Möglichkeiten für Rechteinhaber, per einstweiliger Verfügung gegen Dritte vorzugehen, "deren Dienste zur Verletzung von geistigem Eigentum genutzt werden". Das dürfte auch Provider betreffen. Rechteinhaber sollen darüber hinaus weiterhin die Möglichkeit erhalten, Daten der von ihnen verdächtigten Internetnutzer in Erfahrung zu bringen. In allen ACTA-Vertragsstaaten sollen die Rechteinhaber von den jeweils zuständigen Behörden entsprechende Anordnungen erwirken können.

Der aktuelle ACTA-Entwurf widmet sich darüber hinaus der Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen oder Eingriffen in Systeme des "elektronischen Rechte-Managements". Einig sind sich die Verhandlungspartner hier allerdings noch nicht. Offen bleibt etwa die Frage, ob Technologien zur Umgehung von Schutzssystemen nur im Zusammenhang mit konkreten Rechtsverstößen verfolgt werden sollen oder schon die Verbreitung entsprechender Mittel zu unterbinden ist.

Die größte Hürde für den raschen Abschluss der ACTA-Verhandlungen bleibt aber ganz offensichtlich die Frage, welche Rechte von ACTA geschützt werden sollen. Praktisch durch den gesamten Vertragstext zieht sich die Frage, ob ACTA lediglich Urheber- und verwandte Rechte sowie Markenrechte betreffen oder noch darüber hinaus reichen. In dieser zentralen Frage stehen sich die EU und die USA ganz offenbar unversöhnlich gegenüber.

Die EU will die umfassende Formulierung "geistige Eigentumsrechte" in den ACTA-Bestimmungen verankern. Davon sind nach europäischer Auffassung dann auch Patentrechte sowie geographische Herkunftsbezeichnungen ("Thüringer Rostbratwurst") erfasst. Die USA, aber auch eine Reihe von anderen Staaten befürworten dagegen eine Konzentration auf das Urheberrecht. Ob das Abkommen in der nun vorliegenden, abgespeckten Fassung noch in diesem Jahr geschlossen werden kann, ist weiter offen.

Das EU-Parlament berät in dieser Woche noch einmal über das Abkommen. Reizpunkte für die Diskussion dürften auch die eher schwachen Einschränkungen etwa im Bereich der möglichen strafrechtlichen Maßnahmen gegen Verbraucher sein. Jede Partei soll im Bereich des Strafrechts selbst entscheiden, "ob sie Akte, die von Endnutzern begangen wurden, mit erfasst oder nicht", lautet ein Vorschlag der EU und Australiens, der bislang noch keine Mehrheit gefunden hat. (vbr)