Wettbewerb "Apps4Berlin" stößt auf Kritik bei Open-Data-Verfechtern

Der Berliner Wirtschaftssenator und das Brandenburger Wirtschaftsministerium starten gemeinsam einen ersten Apps-Wettbewerb in Deutschland. Kritiker bemängeln, dass damit im Unterschied zu "Apps for Democracy"-Wettbewerben in den USA und Großbritannien nicht wirklich eine umfangreiche Freigabe staatlicher Daten verbunden ist.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Der Berliner Wirtschaftssenator und das Brandenburger Wirtschaftsministerium starten gemeinsam mit "Apps 4 Berlin" einen ersten Apps-Wettbewerb in Deutschland. Entwickler können Ideen oder auch fertige Anwendungen sowie Prototypen für Mobil- und Webanwendungen bis zum 30. November einreichen. Es winken Preisgelder bis zu 1.000 Euro sowie Sachpreise wie ein WeTab oder iPad. Die Jury unterscheidet hierbei nach Schüler- und Studentengruppen, Unternehmen und Institutionen, Vereinen und Netzwerken. Es wird einen Publikumspreis für die beste Berlin-App geben, einen e-Democracy-Award sowie Sonderpreise für die Bereiche Bildung und Unternehmen. Die Teilnehmer müssen außerdem ihren Wohnsitz oder ihre Betriebsstätte in Berlin oder Brandburg haben.

Die Ideen müssen neu sein und sich thematisch, zeitlich und finanziell abgrenzen lassen. Thematisch sollen sich die mobilen Anwendungen laut Ausschreibung auf die Hauptstadt beziehen. Die Apps sollen die "demokratische Teilhabe der Bürger eröffnen" oder Informationen über Stadt und Land aufbereiten und die Orientierung unterstützen. Die Bandbreite der möglichen Anwendung ist sehr breit, da sie sich auch auf die Bereiche Kultur und Bildung, Unterhaltung, Gesundheit und Geschichte sowie auf Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen beziehen können.

Jury-Mitglied Anke Domscheit-Berg glaubt, dass entsprechend der formellen Anforderungen weniger Bürger und Hacker angesprochen werden denn Unternehmen. So sollen nämlich auch Wettbewerbsstrukturen analysiert und Verbreitungskonzepte vorgelegt werden. Domscheit-Berg ist Mitarbeiterin von Microsoft und seit etwa einem Jahr im Government-2.0-Netzwerk engagiert. Sie zeigt für die Ausrichtung des Wettbewerbs denn auch Verständnis: "Die Senatsverwaltung will Wirtschaft fördern."

Die Enttäuschung bei Daniel Dietrich vom Open Data Network ist jedoch groß. Er setzt sich ebenfalls seit einem Jahr für die kreative Verwendung öffentlicher Daten ein. Dietrich hatte bislang gemeinsam mit dem Governement-2.0-Netzwerk vergeblich Sponsoren für einen "Apps for Democracy"-Wettbewerb  gesucht. Er ärgert sich aber weniger über die angestrebte kommerzielle Verwertbarkeit denn über die Untätigkeit der Stadt Berlin in Sachen "Open Data". So werde zwar in der Ausschreibung ein Bezug zu E-Demokratie und Partizipation hergestellt, doch der dadurch entstehende Eindruck, es handle sich nun um eine deutsche Umsetzung der innovativen angelsächsischen "Apps for Democracy"-Wettbewerbe, täusche. Diesen war nämlich in den USA und Großbritannien eine umfangreiche Freigabe staatlicher Daten über die Websites data.gov und data.gov.uk vorangegangen. Tausende von Datensets hatten den Entwicklern danach zur freien kreativen Verwendung offengestanden.

Dietrich hatte in Berlin jedoch erst kürzlich das glatte Gegenteil erleben müssen: Der Entwickler Stefan Wehrmeyer hatte für das Open Data Network mit den Daten des Geoportals der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dem so genannten FIS-Broker, bereits einen Prototyp für Open Berlin auf die Beine gestellt. Dabei handelte es sich um eine Kartenanwendung, die Strukturdaten der Stadt Berlin aus dem FIS-Broker mit den Daten zu Ausgaben im Rahmen des Konjunkturpakets II fusionierte. Wehrmeyer und Dietrich mussten das Projekt aus dem Netz nehmen, nachdem die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sie schriftlich daran erinnert hatte, dass "der Internetauftritt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dem Urheberrecht unterliegt" und damit "ausschließlich zu privatem Gebrauch vervielfältigt" werden dürfe. Web-Services seien daher "grundsätzlich nicht erlaubt". Die Stadt bot den beiden jedoch ein "Beratungsgespräch" an, "um zu klären, wie eine entgeltpflichtige Lizenzierung für Ihre Zwecke erfolgen kann".

Wehmeyers anderes Projekt Mapnificent, das eine interaktive Karte für Berlin darstellt, wurde inzwischen auch deutlich abgespeckt. Es enthält keine Kriminalitätsdaten mehr, sondern nur noch eine Berechnung, welche Orte man in Berlin in einem bestimmten Zeitraum von jedem beliebigen Punkt aus in Berlin erreichen kann. Wehrmeyer erklärte dies damit, dass er Prioritäten bei der Entwicklung der Karte setzen wolle. Das Argument, mit dem kein geringerer als World-Wide-Web-Erfinder Sir Tim Berners Lee die britische Regierung von der umfangreiche Freigabe staatlicher Daten überzeugen konnte, ist in Berlin offenbar noch immer unbekannt. Berners Lee sagte: "Regierungsdaten sollten eine öffentliche Ressource sein. Indem sie publiziert werden, können wir neue Ideen für öffentliche Dienstleistungen entwickeln. Wir können der Verwaltung und der Gesellschaft helfen, besser zu arbeiten. Und wir ermöglichen talentierten Unternehmern und Ingenieuren die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen."

Daniel Dietrich hält denn auch einen Apps-Wettbewerb ohne offene Datenbasis für "ein Fußballspiel ohne Rasen": "Es fehlt die Grundlage." Entsprechend sei auch die Empfehlung der Verwaltung, für den Wettbewerb "offene Plattformen" wie Adobe AIR und Windows Phone 7 zu verwenden, zu verstehen: Den Begriff "Offenheit" habe die Verwaltung in seiner Bedeutung schlicht noch nicht erfasst. (jk)