Gericht verbietet Polizei Auslesen und Kopieren von Computerdaten [Update]

Sobald die Staatsanwaltschaft die Herausgabe eines zuvor beschlagnahmten Rechners anordnet, darf die Polizei nicht eigenmächtig eine Kopie der Daten anfertigen.

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Von
  • Dr. Noogie C. Kaufmann

Sobald die Staatsanwaltschaft die Herausgabe eines zuvor beschlagnahmten Rechners anordnet, darf die Polizei nicht eigenmächtig eine Kopie der Daten anfertigen. Dies hat jüngst das Verwaltungsgericht Lüneburg entschieden und der Klage eines Gegners der Castor-Transporte stattgegeben (Az. 3 A 141/04), weil das Vorgehen in keinem Verhältnis zur vermuteten Straftat stand. Die Verhältnismäßigkeit nach dem niedersächsischen Polizeigesetz hatte bereits voriges Jahr das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Damals erklärten die obersten Verfassungshüter die enthaltene präventive Telefonüberwachung für verfassungswidrig.

Auslöser der Klage war das Verschwinden von drei so genannten "trash people" des Künstlers HA. Schult. Die aus "Wohlstandsmüll" geformten und rund 1,80 Meter großen Statuen, die bereits am Matterhorn, an der Chinesischen Mauer auf dem Roten Platz von Moskau ausgestellt waren, wurden im Landkreis Lüchow-Dannenberg in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entwendet. In einem von der Polizei aufgefundenen Bekennerschreiben teilten die Täter mit, dass die Aktion als Protest gegen die Castor-Tranporte zu verstehen sei; jedoch die "Figuren zu gegebener Zeit an einem geeigneten Ort wieder auftauchen würden".

Elf Tage später fand die Polizei kurz nach Mitternacht in der Nähe der Bahngleise für den Castortransport eine der Statuen und zudem Plakate mit Castorbezug. Zwei Stunden später wurde der spätere Kläger in der Umgebung angetroffen, der der Polizei aufgrund vorangegangener Delikte wie gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bekannt war. Aus diesem Grunde und weil er ein Trassierband bei sich trug, wurde seine Wohnung durchsucht und unter anderem sein PC beschlagnahmt.

Kurz darauf teilte die zuständige Staatsanwaltschaft der Polizei mit, dass die Beschlagnahme nicht erforderlich sei und der Rechner dem Castorgegner ohne Durchsicht der Daten zurückgegeben werde müsse. Davon hielten die Polizeibeamten aber wenig und fertigten dennoch eine Kopie an, was sie dem Betroffenen auch schriftlich mitteilten.

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts lagen die Voraussetzungen des Paragrafen 31 Absatz 2 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (kurz Niedersächsisches Polizeigesetz) nicht vor, wonach Daten von der Polizei dann erhoben werden dürfen, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass die betroffene Person künftig Straftaten begehen wird. Zu beachten sei dabei aber auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Unschuldsvermutung. Allein die Tatsache, dass der Kläger mit einem Trassierband in der Nähe der Castor-Bahnstrecke angetroffen wurde, belege nicht hinreichend, dass er konkrete Straftaten begehen wollte, so das Verwaltungsgericht. Dieser Generalverdacht der Polizei verstoße darüber hinaus auch noch gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Mangelnder Tatverdacht war auch Stein des Anstoßes für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vorigen Jahr. Damals erklärten die Richter aus Karlsruhe den Paragrafen 33 a Absatz 1 Nr. 2 des Niedersächsischen Polizeigesetzes für verfassungswidrig. Genannte Regelung erlaubte der Polizei die Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikationsvorgängen bei solchen Personen, "bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden, wenn die Vorsorge für die Verfolgung oder Verhütung dieser Straftaten auf andere Weise nicht möglich erscheint". Die Verfassungsrichter werteten diese präventive Telefonüberwachung unter anderem als zu unbestimmt, da nicht genannt sei, ab wann eine "Straftat von erheblicher Bedeutung" vorliege. (Noogie C. Kaufmann) / (anw)