Online-Supermärkte: Zu spät, zu teuer, beschädigt, nicht kalt genug

Während etwa der britische Tesco-Konzern mit seinem Online-Supermarkt-Konzept den Nerv der Kunden getroffen hat und pro Jahr mehr als 1 Milliarde Artikel ausliefert, fristen Online-Supermärkte in Deutschland ein Mauerblümchen-Dasein. Und das liegt nicht unbedingt am Verbraucher, wie jetzt das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik herausfand.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

In Großbritannien läuft der Service in einem Online-Supermarkt in etwa so ab: Der Kunde wählt Produkte, die sich preislich nicht von denen im Laden unterscheiden, über ein Webportal beispielsweise bei Tesco aus. Mitarbeiter in der zum Kunden nächstgelegenen Tesco-Filiale stellen die Lebensmittel zusammen und liefern die Waren mit eigenen (Kühl-)Transportern ins Haus – sieben Tage die Woche. Tesco hat eigenen Angaben zufolge allein im vergangenen Jahr auf diesem Weg über eine Milliarde Artikel ausgeliefert. Tendenz steigend.

In Deutschland läuft der Service in einem Online-Supermarkt in etwa so ab: Der Kunde wählt Produkte, die in der Regel deutlich teurer als im Laden sind, über ein Webportal beispielsweise bei Amazon aus. Mitarbeiter in den Logistikzentren von Amazon stellen die Lebensmittel zusammen und übergeben die verpackten Waren an einen Paketdienst, der die bestellten Produkte irgendwann in den nächsten Tagen beim Kunden abliefert. Tiefkühlprodukte, Frischmilch – Fehlanzeige. Verbraucherschützer entdeckten bei einem Praxistest zudem erhebliche "Verstöße gegen geltendes Recht".

Jetzt hat auch das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) Online-Supermärkte in Deutschland getestet. Das Ergebnis: Die Waren kommen zu spät, sie sind zu teuer oder beschädigt und nicht kalt genug. Keine der Bestellungen habe alle Anforderungen erfüllt, erklärte eine IML-Sprecherin am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Teilweise seien bei frischen und tiefgekühlten Produkten die vorgeschriebenen Temperaturen nicht eingehalten worden, auch seien die Lebensmittel teilweise beschädigt angekommen. Außerdem kritisiert das Institut den Service als zu teuer und die Bestellung als zu kompliziert.

Für die Stichprobe hatte das Dortmunder Institut in den vergangenen Tagen bei vier Online-Lebensmittel-Anbietern jeweils 17 Produkte bestellt, die einen "alltäglichen Einkauf" simulieren sollten – darunter auch frische und leicht zerbrechliche Produkte, wie beispielsweise Eier. Insgesamt sei der Markt für den Service zwar "unbestritten vorhanden", die derzeitigen Unternehmenskonzepte seien jedoch "verbesserungswürdig", resümiert das IML. Kein Wunder also, dass der Anteil online bestellter Lebensmittel am gesamten Lebensmittel-Markt hierzulande bei lediglich 0,5 Prozent liegt.

Dass sich viele Kunden einen gut organisierten und vor allem bezahlbaren Online-Supermarkt-Service auch in Deutschland wünschen, wissen die Supermarktketten-Betreiber. So will etwa Rewe demnächst zwei unterschiedliche Online-Supermarkt-Konzepte in bis zu drei Städten testen. Der Hamburger Otto-Konzern, mit einem Jahresumsatz von über 10 Milliarden Euro der zweitgrößte Online-Händler weltweit nach Amazon, will mit einem "leistungsstarken, national aufgestellten Partner aus dem Lebensmittel-Einzelhandel" kooperieren, um einen Online-Vertrieb von Lebensmitteln nach Tesco-Vorbild zu starten.

Marktexperten bleiben allerdings skeptisch. "Ein Lebensmittel-Lieferservice mit Frische ist in Deutschland nicht profitabel machbar", zitiert dpa Björn Weber vom Handelsinformationsunternehmen Planet Retail. Knackpunkt seien insbesondere die speziellen Kühltransporter, die für die Auslieferung angeschafft werden müssten. "Wir haben ausgerechnet, dass das alles zusammen den Kunden dann durchschnittlich etwa neun Euro mehr kostet als direkt im Laden – das ist weit über der Schmerzgrenze." Bei den Briten ist die Schmerzgrenze womöglich etwas höher angesiedelt: Allein mehr als 1 Million Tesco-Kunden sind bereit, 5 Pfund und mehr für den Service einer Haus-Lieferung auszugeben. (pmz)