Elektronik als "blinder Fleck" in Technologieprognosen

Informations- und Kommunikationstechnologien werden von Technologieprognosen zunehmend als Querschnittsthema begriffen. Die Elektronik als Basistechnologie spielt hingegen in den Analysen so gut wie keine Rolle mehr. Das ist ein Ergebnis der Meta-Analyse "Technologieprognose. Internationaler Vergleich 2010".

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Informations- und Kommunikationstechnologien werden von Technologieprognosen zunehmend als Querschnittsthema begriffen. Die Elektronik als Basistechnologie spielt hingegen in den Analysen so gut wie keine Rolle mehr. Das ist ein Ergebnis der Meta-Analyse "Technologieprognose. Internationaler Vergleich 2010", die die Abteilung "Zukünftige Technologien Consulting" der VDI Technologiezentrum GmbH am Dienstag veröffentlicht hat. Erstellt wurde sie mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums, das 2006 und 2004 entsprechende Vorläuferstudien in Auftrag gegeben hatte. Die Meta-Analyse identifiziert 200 Einzelstudien und vergleicht 35 Studien aus sechs Industrienationen im Detail miteinander. Dabei kristallisieren sich 16 Technologiefelder heraus, die Zukunftsforscher in Frankreich, Indien, Japan, Spanien, Großbritannien und den USA für interessant halten. Laut Dirk Holtmannspötter, dem Erstautor der Meta-Analyse, ist es für Prognosen am einfachsten, Trends fortzuschreiben, interessanter sind aber etwaige Abweichungen. Mit den Prognosen sollen nämlich Überraschungen in der Technologieentwicklung vermieden werden. "Sehr erstaunlich" sei es daher, meint Zukunftsforscher Holtmannspötter, dass die Elektronik nur noch in einer Technologieprognose aus Japan eine größere Rolle spielt.

Die geringe Beschäftigung mit der Elektronik stehe in "deutlichem Gegensatz zum ausgedehnten Interesse an IuK-Technologien allgemein", heißt es in der Studie. Holtmannspötter erklärt diesen "blinden Fleck" der Zukunftsforschung damit, dass das Moore'sche Gesetz zu einem Allgemeinplatz geworden sei. Die technische Entwicklung werde entsprechend dem Gesetz fortgeschrieben, auch die Industrie halte sich daran. Überraschungen werden deshalb nicht erwartet. "Es ist an der Zeit, die Grenzen des Moore'schen Gesetzes kritisch zu hinterfragen", meint Holtmannspötter. Die IuK-Technologien, die in einer Vorläuferstudie 2004 noch an Platz 1 des internationalen Interesses gestanden hätten, litten lediglich unter einem "gewissen Rückgang" des Interesses. Gleichwohl werden sie heute stark unter dem Aspekt untersucht, wie sie in anderen Technologiefeldern wie der Gesundheit, dem Verkehr, dem Bereich "Bauen und Wohnen" oder der "Verteidigung und Sicherheit" unterstützend wirken können. Damit, sagt Holtmannspötter, sei heute der Querschnittscharakter von IuK-Technologien deutlicher zu erkennen.

An erster Stelle des Interesses aller untersuchten Technologieprognosen steht 2010 aber das Thema Energieversorgung. Die Mehrheit der Studien empfiehlt eine Misch-Strategie, die umweltverträgliche und effektive Energieversorgungskonzepte gleichermaßen berücksichtigt. Alle empfehlen verstärkte Forschungsanstrengungen, um die Energieversorgung zu optimieren. Viele arbeiten dabei mit Szenarien. Eine französische Studie etwa entwickelte zwei gegensätzliche Szenarien: In einem "grünen Szenario" verpflichten sich die EU und Frankreich zur Verringerung von CO2-Emissionen, Energieeinsparungen und der Nutzung sauberer Energiequellen. Die Maßnahmen werden zeitnah eingeleitet. In einem "roten Szenario" hingegen werden diese Maßnahmen erst spät umgesetzt – mit negativen Folgen: Sehr hohe und fluktuierende Öl- und Gaspreise lassen das europäische Bruttoinlandsprodukt nur langsam wachsen, die EU bleibt von fossilen Energieträgern stark abhängig, die Durchschnittstemperaturen steigen weiterhin an. Die weiteren Top-Themen des Jahres 2010 sind "Nachhaltigkeit und Umwelt" sowie "Gesundheit und Ernährung". All diese Themen erlebten in den vergangenen sechs Jahren einen Aufwärtstrend. Bei den Themenfeldern "Nachhaltigkeit und Umwelt" sowie Energie fiel dieser am deutlichsten aus. Einen ähnlich starken Rückgang des Interesses wie die "Elektronik" erlebte im Übrigen das Themenfeld "Materialtechnik". (pmz)