Bill Gates verteidigt Forschung an neuen Atomkraftwerken

Um den drohenden Klimawandel aufzuhalten, müssten Industrie-Nationen wie die USA erheblich mehr in Grundlagenforschung zur Energieversorgung investieren, sagt Microsoft-Gründer Bill Gates im Interview mit Technology Review. Dazu gehöre auch die Forschung an neuen Typen von Atomreaktoren.

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Um den drohenden Klimawandel aufzuhalten, müssten Industrie-Nationen wie die USA erheblich mehr in Grundlagenforschung zur Energieversorgung investieren, sagt Microsoft-Gründer Bill Gates im Interview mit Technology Review (Ausgabe 10/2010 seit heute portokostenfrei online zu bestellen). Dazu gehöre auch die Forschung an neuen Typen von Atomreaktoren, wie dem so genannten Laufwellenreaktor, dessen Entwicklung von Gates mit finanziert wird.

“Mit dem CO2 verhält es sich so: Jede ausgestoßene Menge verursacht Erwärmung, weil 20 Prozent davon 10.000 Jahre in der Atmosphäre bleiben”, sagte Gates im Interview mit dem Chefredakteur der US-Ausgabe von Technology Review, Jason Pontin. “Daher müssen wir die Emissionen auf null reduzieren. Das ist jedoch eine ziemlich harte Nuss, denn auch Ackerbau und Reisplantagen in den Entwicklungsländern sind Quellen für Emissionen, kleine Quellen, aber mit weltweiter Verbreitung. Wenn Sie sich mit 20 Prozent CO2-Reduktion begnügen, dann erreichen Sie – ja was? – einen Aufschub von drei Jahren vielleicht. Herzlichen Glückwunsch. Ist das ein ernsthaftes Ziel? Wollen wir Armageddon wirklich nur um drei Jahre hinauszögern?”

Der Multimilliardär, der seit seinem Ausstieg aus dem Tagesgeschäft bei Microsoft vor allem als Wohltäter Schlagzeilen gemacht hat, unterstützt mit seiner Stiftung nicht nur Entwicklungsländer beim Kampf gegen Infektionskrankheiten, sondern engagiert sich auch für die globale nachhaltige Energieversorgung. So steht er beispielsweise als Haupteigner dem Energieunternehmen TerraPower vor, das die Produktion von CO2-freiem Strom mit Hilfe von Atomreaktoren erforscht.

TerraPower, das vom ehemaligen Microsoft-Technikchef Nathan Myhrvold gegründet wurde, arbeitet an einem Atomreaktor, der nur zum Anfahren mit einer geringen Menge an angereichertem Uran beladen werden muss und danach mit nicht angereichertem Uran betrieben werden soll. Der Reaktor "erbrütet", während er läuft, seinen eigenen Brennstoff aus dem schlecht spaltbarem, nicht angereichertem Uran, könnte mit einer Beladung theoretisch hundert Jahre laufen und würde selbst mit abgebrannten Brennelementen aus herkömmlichen Atomkraftwerken funktionieren. Die Forschung in der Atomindustrie sei jedoch seit den späten Siebzigerjahren de facto eingestellt gewesen, bedauert der Microsoft-Gründer. Das habe nicht nur evolutionäre Verbesserungen am damals schon bekannten Laufwellenreaktor verhindert, auch wesentlich radikalere Entwicklungen seien ausgeblieben.

„Alle Technologien, die sich erneuerbar nennen, sind nicht verlässlich, da sich nicht an allen Orten in ausreichender Menge vorhanden sind”, sagte Gates im Interview. “Kraftwerke auf Kohlenwasserstoff- oder Nuklearbasis sind viel einfacher zu handhaben. Aber erneuerbare Energien? Viel Glück damit! Dummerweise stoßen konventionelle Kraftwerke CO2 aus. Das ist eine ziemlich harte Nuss, die man knacken muss. Doch keiner will daran forschen“, meint Gates. Natürlich gäbe es auch neben der Atomkraft interessante Ideen, räumte er ein. “Ich denke auch, dass Solarthermie viel Potenzial besitzt. Genauso Photochemie. Oder Algen. Ebenso existieren diese verrückten Ansätze, mit Drachen Energie zu erzeugen. Man sollte hier wirklich nichts unversucht lassen.” Der Prototyp des Laufwellenreaktors, den TerraPower jetzt bauen will, sei “eine sehr weit hergeholte, wilde Geschichte und muss definitiv in die Kategorie Risiko eingeordnet werden”, sagte Gates. “Aber die Welt braucht nur ein paar solcher wilden Ideen, um das Klima zu retten.” (wst)