SPD und Grüne stellen sich gegen Softwarepatente
Auch die Bundestagsfraktionen der Regierungskoalition wollen die Haltung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zur EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen korrigieren.
Im Streit um die EU-Richtlinie über die Patentierung computerimplementierter Erfindungen wollen die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen nun ebenfalls mit einem eigenen Antrag die Haltung der Bundesregierung in der Frage der Softwarepatente korrigieren. In dem Antrag, der heise online im Entwurf vorliegt und der in der kommenden Woche im Bundestag eingebracht werden soll, fordern die Fraktionen der Regierungskoalition, in der EU-Richtlinie "computerimplementierte technische Erfindungen [...] so eng wie möglich auszulegen".
Ziel von SPD und Grünen ist es offensichtlich, den eigenen Antrag zusammen mit den Anträgen von FDP und CDU, über die heute im Bundestag beraten wird, im Rechtsausschuss behandeln zu lassen und daraus einen interfraktionellen Antrag zu bilden, der die Bundesregierung zur Korrektur ihrer bisherigen Haltung veranlassen soll. Die FDP hatte bereits vor einiger Zeit die Bundesregierung aufgefordert, ihre Haltung noch einmal zu überdenken und die Absage des EU-Parlaments an reine Softwarepatente zu unterstützen. Vor der heutigen Bundestagsdebatte über den FDP-Antrag hatte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion überraschend einen Antrag mit vergleichbarem Tenor eingebracht.
Das Bundesjustizministerium unterstützte nach einiger Wackelei den Beschluss des EU-Ministerrats, der nach Ansicht von Kritikern eine weitgehende Patentierung von Software und Geschäftsprozessen ermöglicht. Die Vertreter der Bundesregierung hatten sich bei der Abstimmung im EU-Rat entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung gegen den Entwurf des Europaparlaments ausgesprochen. Das EU-Parlament hatte gefordert, dass Geschäftsmethoden und Algorithmen keinen staatlichen Monopolschutz erhalten und patentierbare Erfindungen auch im Computerbereich durch einen Bezug auf die Technik und die hinter ihr stehenden "Naturkräfte" eingegrenzt werden.
Im gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen heißt es nun: "Die Richtlinie zu computerimplementierten Erfindungen wird nur dann positive wirtschaftliche, rechtliche wie technische Effekte haben können, wenn sie zu mehr Rechtssicherheit und zur hinreichend hohen und eindeutigen Voraussetzungen einer Patentierbarkeit von Computerprogrammen im Zusammenhang mit technischen Erfindungen führt. [...] Ausufernde Patentansprüche oder Trivialpatente bergen die Gefahr, kurzfristig Monopolisierungstendenzen zu befördern sowie mittelfristig die gesellschaftlichen Akzeptanz des Patentsystems als effektives Innovations- und Fortschrittsinstrument auszuhöhlen."
Ausdrücklich wollen die Regierungsfraktionen mit ihrem Antrag festhalten lassen, dass der Bundestag die Zielrichtung der Beschlüsse des Europäischen Parlaments begrüße. Auch solle die Bundesregierung auf "eine restriktive, eindeutige und praktikable Begrenzung patentfähiger computerimplementierter Erfindungen sowie einen effektiven Ausschluss von Trivialpatenten" hinwirken, "beispielsweise über einen tragfähigen Technikbegriff".
Zum Thema Softwarepatente siehe auch: (jk)
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- Ein Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Ministerialdirektor Elmar Hucko über Softwarepatente, Urheberrecht und geistiges Eigentum veröffentlichte c't in Ausgabe 16/2004: "Das Urheberrecht kennt kein Recht auf Privatkopie", c't 16/2004, S. 158
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- Bitkom gegen Softwarepatent-Umfrage des Wirtschaftsministeriums
- Wirbel um Softwarepatent-Umfrage
- Gefahr für den IT-Mittelstand, Die Softwarepatent-Richtlinie des EU-Rates erhitzt die Gemüter, c't 13/2004, S. 22
- Die Brüsseler Patentschlacht, Der Streit um EU-Softwarepatente in der vorletzten Runde, c't 12/2004, S. 60
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