ACTA-Länder noch nicht einig

Die an den Verhandlungen über ein internationales Anti-Piraterie-Abkommen teilnehmenden Länder sind in zentralen Streitfragen noch nicht einig. Die offenen Punkte sollen nun per E-Mail geklärt werden.

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Von
  • Monika Ermert

Die Verhandlungspartner des Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) haben am Mittwoch wie angekündigt den aktuellen Text (PDF-Datei) des geplanten internationalen Anti-Piraterie-Abkommens vorgelegt. Noch sind sechs Punkte offen, über die sich die Unterhändler der beteiligten Länder auch bei der 11. Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche in Tokio nicht endgültig einigen konnten, wie die EU Kommission erläuterte.

Unter anderem herrschen weiter Meinungsverschiedenheiten in der Frage, ob Patente komplett aus dem ACTA-Rechtsrahmen gestrichen werden sollen. Die USA streitet hier dafür, Patente auch aus dem Abschnitt über zivilrechtliche Maßnahmen zu streichen. Die EU besteht darüber hinaus darauf, dass Markenverletzungen im so genannten Internetkapitel bleiben. Das Internet sei nicht nur ein Medium für Urheberrechtsverletzungen, hieß es dazu am Mittwoch in Brüssel. Vielmehr würden über das Netz auch gefälschte Waren angeboten. Die USA, Mexiko und Korea befürworten demgegenüber, ACTA im Internetkapitel auf das Urheberrecht zu beschränken.

Klare Differenzen gibt es beim Thema Camcording, der illegalen Aufzeichnung von Filmen in Kinos. Die USA sähen gerne ein klares Verbot in dem umstrittenen Abkommen und behalten sich eine Zustimmung zu einer abgeschwächten Variante noch vor. Für Camcording sind aus US-Sicht offenbar auch Gefängnisstrafen angebracht. Auch diese Passage steht in der nun fast endgültigen Textfassung noch unter Vorbehalt.

Zu den neuralgischen Themen Internetzugangssperren und Providerhaftung heißt es bei der EU-Kommission recht lapidar, dass ACTA die Entscheidung darüber offen lasse. Das Abkommen sehe keine Verpflichtung der Teilnehmerstaaten vor, verbiete entsprechende Regelungen aber auch nicht. Eine neue Fußnote billigt den künftigen ACTA-Unterzeichnern ein System abgestufter Haftbarkeit für ISPs zu. Inwieweit Staaten die Aktivitäten privater Nutzer kriminalisieren, bleibt ihnen ebenfalls selbst überlassen. Legales Filesharing bleibe legal und illegales Filesharing bleibe illegal, erklärten Kommissionsvertreter.

Insgesamt haben sich die Initiatoren von ACTA ganz sicher mehr erhofft. In einzelnen Punkten gehe ACTA allerdings trotz der Einschnitte über das einschlägige Abkommen der WTO über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums hinaus, heißt es aus Verhandlungskreisen. Beispielsweise verpflichten sich die Staaten künftig bei Zollkontrollen nicht nur den Import, sondern auch den Export zu überprüfen und Raubkopien oder gefälschte Waren zu beschlagnahmen. Das Internetkapitel und die darin ebenfalls fest gelegten Maßnahmen gegen mögliche Umgehungstechnologie oder deren Verbreitung sind ein Novum.

Die Zustimmung zu den noch offenen Fragen soll nun in den jeweiligen Hauptstädten eingeholt werden. Eine weitere Verhandlungsrunde ist laut Aussagen der Unterhändler nicht anberaumt. Offenbar gehen die Teilnehmer davon aus, dass die verbliebenen offenen Punkte per E-Mail ausgeräumt werden können. Dabei besteht auch die Möglichkeit, dass sich einzelne Verhandlungsteilnehmer noch gegen einen Beitritt zu dem Abkommen entscheiden, wie ein Unterhändler vom Schweizer Institut für Geistiges Eigentum gegenüber heise online erklärte. Das letzte Wort habe der nationale Gesetzgeber. In der Schweiz müssen Bundesrat und Parlament zustimmen.

Auf EU-Ebene hatte das Europäische Parlament mehrfach seine Muskeln spielen lassen und gewarnt, es behalte sich eine Ablehnung eines zu weit gehenden und intransparent ausgehandelten Abkommens vor. Laut einem Experten der EU-Kommission müssen neben dem Parlament und dem Rat auch die einzelnen Mitgliedsländer zustimmen. Wie die Entscheidung hier jeweils herbeigeführt wird, diese Frage müsste auf nationaler Ebene beantwortet werden, heißt es in Brüssel. Der mexikanische Senat hat am Dienstag eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ACTA prüfen und auch eine breite öffentliche Konsultation im Land herbeiführen soll. (vbr)