Konkurrenz der Selbstregulierungsorganisationen?

Mit dem neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag, der am 1.1.2011 in Kraft tritt und freiwillige Altersklassifizierungen für Inhalte im Internet propagiert, könnten einheitliche Bewertungen der vier Selbstregulierer zum Problem werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 42 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Am 1.1.2011 tritt der neue Jugendmedienschutzstaatsvertrag Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) in Kraft, der als Novum freiwillige Altersklassifizierungen für Inhalte im Internet propagieren soll. Die künftig vier Selbstregulierer, die Freiwillige Selbstkontrolle Filmwirtschaft (FSK), die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) rüsten sich dafür, die jeweils von ihnen betreuten Branchen bei der Alterseinstufung von Inhalten in der analogen wie der digitalen Welt zu unterstützen. Der Trend geht zum "Full-Service-Jugendschutzprodukt". Einheitliche Bewertungen sind dabei ein Problem, das zeigte ein Gespräch der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), die mit der Veranstaltungsreihe KJM transparent über den neuen JMStV informieren will.

KJM-Chef Wolf-Dieter Ring sagte, wer den neuen JMStV genauer unter die Lupe nehme, werde erkennen, dass er nicht auf Zwang, sondern auf das „bewährte Modell“ der regulierten Selbstregulierung zurückgreife. „Das Leitbild des Staatsvertrags ist der eigenverantwortliche Anbieter“, versicherte Ring. Die im Verlauf der Novellierung von Netzaktivisten geäußerten „heftigen, aber unbegründeten Zensurvorwürfe“ wies Ring zurück. KJM-Stabschefin Verena Weigand sagte, mit der Reihe KJM transparent wolle man der Kritik aus dem vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren entgegentreten, dass sich alles hinter verschlossenen Türen abspiele.

Die Altersklassifizierungen gehören zu dem besonders umstrittenen Punkten des neuen JMStV. Anbieter sollen ihre Seiten mit einem Label ab 6, ab 12 oder ab 16 klassifizieren, das allerdings freiwillig, solange sie keine jugendgefährdenden oder „entwicklungsbeeinträchtigenden“ Inhalte verbreiten. Wer falsch klassifiziert, riskiert dabei ein Bußgeld, genauso wie derjenige, der trotz einer möglichen Jugendgefährdung gar nichts tut. Auf der sicheren Seite ist, wer „im Zusammenwirken mit den anerkannten Selbstkontrollorganisationen“ kennzeichnet.

Sabine Frank, Geschäftsführerin der FSM, sagte, der technische Jugendmedienschutz biete die beste Chance, die Kluft zwischen den hohen Ansprüchen im deutschen Jugendmedienschutz und der Praxis im Netz zu verringern. Die Selbstklassifizierungen durch die Anbieter sollen künftig von KJM-anerkannten Jugendschutzprogrammen ausgelesen werden können. Noch im Oktober oder November, so Frank, soll eine von KJM und FSM erarbeitete Definition zum „Stand der Technik“ vorgestellt werden, den Jugendschutzprogramme zu erfüllen haben. Zudem will die FSM Anbietern und der gesamten Öffentlichkeit ein Tool zur Erleichterung der Selbstklassifzierung anbieten. An diesem arbeite man bereits über ein Jahr, so Frank. Frühere Selbstklassifizierungs- und Filtersysteme wie ICRA waren daran gescheitert, dass die KJM sie als zu ineffektiv betrachtet hatte.

FSM und FSF haben sich zur Vorbereitung für die neuen Altersklassifzierungen bereits auf ein gemeinsames Modell für die Anerkennung von Fernsehangeboten im Netz geeinigt. Anbieter von Computerspielen könnten aber künftig die Qual der Wahl haben. Sollen sie zur USK oder zur FSM gehen? Beide bieten dabei übrigens nach aktuellem Stand unterschiedliche "Produkte": Wer eine Selbstklassifizierung will, bekommt das bei der FSM. Bei der USK prüfen die obersten Landesjugendbehörden. Die Rechtsfolgen beider Prüfverfahren seien andere, so die Experten.

Die mangelnde Harmonisierung sei dabei letztlich politisch gewollt, sagte FSK-Geschäftsführerin Christiane von Bahlert. FSK und USK auf der einen sowie FSF und FSM auf der anderen Seite müssen mit den beiden unterschiedlichen Regelwerken Jugendschutzgesetz und JMStV zurecht kommen. Ein Kinofilm, dem die FSK keine Jugendfreigabe erteile, könne im parallelen System des JMStV doch noch zu Jugendlichen gelangen, wenn die Eltern keinen Jugendschutzfilter „scharf geschaltet“ hätten.

Wie schwer sich die Selbstregulierer, ob per Verwaltungsakt oder Selbstklassifizierung, damit tun werden, unangreifbare oder gar einheitliche Altersklassifzierungen abzugeben, zeigte jüngst die heftige Kritik durch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die der FSK vorwarf, Filme zu lasch zu kennzeichnen. (ps)