Wackelpartie für den neuen Personalausweis

Ab November sollen die Kommunen ihren Bürgern den neuen Personalausweis ausstellen. Doch Experten befürchten Verzögerungen: Es hakt noch bei der Technik und den Verwaltungsabläufen.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Ab November sollen Bürger, die einen Personalausweis beantragen, das neue Ausweisdokument mit Chip erhalten. Doch ein Blick in die Kommunen, die für die Abwicklung der Anträge zuständig sind, weckt starke Zweifel, ob sich der Termin halten lassen wird. Claudia Drescher vom Bayerischen Gemeindetag weiß, dass der Unmut über den Bund im Moment groß ist: Die Kommunen müssen für die Umstellung auf die neue Ausweistechnik einen wesentlich höheren Aufwand treiben, als erwartet.

Weil die Technik noch gar nicht funktioniert, konnten Arbeitsabläufe zudem noch nicht erprobt werden. Anton Hanfstengl, Leiter des Bürgerbüros München, sagte heise online, dass der neue Personalausweis "eines der kritischsten Projekte ist, die wir je durchgeführt haben". Er glaubt, "dass wir die Zeit bis zur Einführung und die mit dem Projekt verbundenen Schwierigkeiten unterschätzt haben."

Das größte Problem scheinen zurzeit die Änderungsterminals darzustellen, die von der Bundesdruckerei gestellt werden. Sie müssen in das System der Gemeinde eingebunden werden. Dafür investieren laut Drescher viele Kommunen in neue PC-Hardware, weil ihre alten Rechner den Anforderungen der Bundesdruckerei nicht mehr genügen. Dennoch scheint das für eine gelungene Anbindung bislang nicht auszureichen.

Hanfstengl sind bis heute keine Kommunen bekannt, die die Änderungsterminals mit Hilfe der von der Bundesdruckerei gelieferten Software bereits anbinden konnten: "Wir haben bereits verschiedene Versionen erhalten, aber alle waren so fehlerbehaftet, dass sie sich als nicht einsatzfähig herausstellten." Die meisten Hersteller von kommunaler Software, die in den Melde- und Ausweisbehörden zum Einsatz kommt, hätten die Software nicht in die Systeme einbinden können. Daher habe bislang kaum ein Verfahren durchgetestet werden können.

Ärger machen auch die herstellerabhängigen Vorgaben der Bundesdruckerei, die etwa die Verwendung von Microsoft-Produkten bindend vorgeben. Für das Präsidium des Deutschen Städtetags ist dieses Vorgehen mit Blick auf Open-Source-Städte wie München, Freiburg oder Jena "nicht akzeptabel". Es fordert daher den Bund auf, "bei der Vorgabe von Hard- und Softwareanforderungen an die zur Beantragung und Ausgabe der neuen Ausweise benötigte IT-Ausstattung der Behörden die Kompatibilität mit offenen Standards wie beispielsweise Linux zu gewährleisten."

Auch die jüngste, vor wenigen Tagen erst angelieferte Version der Anbindungssoftware für die Änderungsterminals soll derart fehlerbehaftet gewesen sein, dass sie zumindest in München nicht einsatzfähig war. "Für uns ist es unersichtlich, ob das am Programm oder unserer IT-Umgebung liegt", so Hanfstengl. "Jedenfalls wird es mit der Umsetzung bis zum 1. November kritisch." Eine Schulung der Mitarbeiter sei so nur eingeschränkt möglich. Hanfstengl führt die Probleme jedenfalls auf die sehr unterschiedliche IT- und Verfahrensausstattung der Kommunen zurück.

Dazu dürften auf die Bürger längere Wartezeiten zukommen: Bislang hat die Ausgabe des Personalausweises fünf bis zehn Minuten gedauert, künftig wird sie etwa eine halbe Stunde dauern. Kommunen wie München, Frankfurt und Düsseldorf rechnen mit dreifachen Bearbeitungszeiten. Das bedeutet, dass bereits der Dritte in der Warteschlange bei einem Bearbeiter eine Stunde lang warten müsste. Bei der Einführung des digitalen Reisepasses hatte sich laut Hanfstengl die Bearbeitungszeit um den Faktor zwei erhöht.

Die Furcht der Kommunen vor dem Unmut der Bürger ist entsprechend groß, berichtet Drescher frisch von einer Informationsveranstaltungen für bayerische Kommunen. Der Grund für die längeren Wartezeiten ist offensichtlich: Die Bürger müssen umfassender informiert werden und bis zu vier Erklärungen unterschreiben. Während der zehnjährigen Laufzeit des Ausweises werden sie zudem immer mal wieder in den Ausgabestellen auftauchen, um die eID-Funktion aus- oder einzuschalten und um die PIN an den Änderungsterminals zu ändern. Hanfstengl rechnet mit "vielen Menschen, die möglicherweise bei der Bedienung des Geräts Unterstützung brauchen."

Weil der Verwaltungsaufwand sich verdreifacht, haben die Kommunen neues Personal eingestellt. Die Stadt München etwa hat eben 20 neue Stellen eingerichtet. Um das neue Personal unterzubringen und größere Warteräume bereitstellen zu können, hat das Bürgerbüro seine Räumlichkeiten erweitert – andere Dienststellen mussten ausweichen, die Stadt musste neue Räume anmieten. Die Änderungsterminals, an denen die Bürger ihre etwa die PIN ändern können sollen, sollen aus Gründen der IT-Sicherheit sowie Usability nicht öffentlich aufgestellt werden.

Es kommen aber auch höhere Kosten auf die Kommunen zu: Sie müssen nämlich für jeden Ausweis 22,80 Euro an die Bundesdruckerei abführen und dürfen 6 Euro als Verwaltungskostenpauschale einbehalten. Wenn die Perso-Gebühr bei Bedürftigkeit ganz erlassen wird, müssen die Kommunen ihren Obolus an die Bundesdruckerei dennoch entrichten. Dasselbe ist bei Personen unter 24 Jahren der Fall, die nur 22,80 Euro für den Perso zahlen müssen. Die Kommunen müssen außerdem auf eigene Kosten das Informationsmaterial vorhalten, für das der Bund lediglich das Konzept vorgibt. Das Präsidium des Deutschen Städtetages kritisiert, dass die Verwaltungskostenpauschale für die Kommunen nicht kostendeckend sei. Nach zwei Jahren soll sie jedoch evaluiert werden. (vbr)