Niedersachsen und Hamburg: Kein pauschales Handyverbot an Schulen
"Pauschales Handyverbot ist nicht zielfĂĽhrend". Niedersachsen und Hamburg machen VorstoĂź fĂĽr einen "klaren Rahmen und UnterstĂĽtzung im Umgang mit Smartphones".
(Bild: Stokkete/ Shutterstock.com, bearbeitet mit Creative Flow von heise online)
- Marie-Claire Koch
- mit Material der dpa
Niedersachsen und Hamburg haben erstmals gemeinsame Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Smartphones und Smartwatches an Schulen vorgelegt. Die von beiden Kultusbehörden gemeinsam mit Fachleuten aus Pädagogik, Medizin, Psychologie und Medienwissenschaften erarbeiteten Leitlinien sollen Schulen helfen, rechtssichere und pädagogisch fundierte Regelungen zur Nutzung digitaler Geräte festzulegen.
Vorgestellt wurden die Empfehlungen am Tag der Medienkompetenz von Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) und Hamburgs Bildungssenatorin Ksenija Bekeris (SPD) in Hannover. "Pauschale Verbote sind hingegen nicht zielführend – sie verfehlen die gewünschte Wirkung und verhindern, dass ein verantwortungsvoller Umgang erlernt wird," sagte Bekeris.
Lange habe man auf ein bundeseinheitliches Verfahren gehofft – letztlich aber vergeblich. "Wir wollten schlichtweg nicht länger warten", sagte Hamburg. Die nun gemeinsam erarbeiteten Empfehlungen zeigten eindrucksvoll, "was möglich ist, wenn zwei Bundesländer an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Ziel verfolgen", betonte Bekeris.
Bei der Erarbeitung der Empfehlungen habe das Wohl und die Gesundheit der Kinder im Mittelpunkt gestanden. Weiterhin sind konkrete altersspezifische Empfehlungen je nach Schulform und Altersstufen enthalten. Ein "Werkzeugkasten" mit praxisnahen Materialien – beispielsweise Vorlagen für Schulordnungen, Projektideen und Beteiligungsformate – gibt es ebenfalls.
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Auch Expertinnen und Experten aus Medizin und Bildungsforschung hatten sich in dem Fachgespräch, das der Erarbeitung der Empfehlungen vorausging, für klare, altersdifferenzierte Regeln ausgesprochen. Dr. Tanja Brunnert vom "Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen BVKJ" wies darauf hin, dass übermäßige Mediennutzung zu Entwicklungsstörungen und Konzentrationsproblemen führen könne.
Bekeris: Kein Grundschulkind braucht ein Smartphone
In Grundschulen wird die Nutzung von Smartphones und Smartwatches ausdrücklich nicht empfohlen. "Kein Kind braucht im Grundschulalter ein Smartphone", sagte Bekeris. "Aber jede Schülerin und jeder Schüler braucht Orientierung und Unterstützung im Umgang mit digitalen und sozialen Medien. "Grundschulkinder verfügten jedoch noch nicht über die notwendige Fähigkeit zur Selbstregulation. Zwar sei auch für die Grundschulen kein pauschales Handyverbot vorgesehen. Aber: "Unsere Empfehlungen, die wir hier aussprechen, sind für den Grundschulbereich sehr eindeutig", sagte Bekeris. Ein handyfreier Schulalltag in der Grundschule sei auch laut Brunntert sinnvoll.
Für weiterführende Schulen würden differenzierte Modelle empfohlen, etwa handyfreie Zeiten und Zonen – aber keine Verbote. Digitale Teilhabe beginne mit Vertrauen und Bildung, sagte sie. "Schulen müssen Orte sein, an denen junge Menschen lernen, mit digitalen Medien reflektiert und sicher umzugehen – nicht Orte, die den Zugang pauschal verwehren." Sie könnte sich vorstellen, für die räumliche Regelung auch auf Altbewährtes zurückzugreifen: "So wie es früher Raucherecken gab, könnte es Handyzonen geben."
An 85 Prozent der Hamburger Schulen gebe es bereits Regeln zur Handynutzung. Ziel sei es, dass es bis zu den Herbstferien nächsten Jahres an allen Schulen verbindliche Regelungen gebe, sagte Bekeris. Es handele sich um einen dynamischen Prozess. Die Empfehlungen sollen daher fortlaufend überprüft und bei Bedarf weiterentwickelt werden. Ein "Werkzeugkasten" soll zudem praktische Materialien wie Vorlagen für Schulordnungen, Projektideen oder Beteiligungsformate liefern.
SchĂĽler haben Regeln mitentwickelt
Neben Eltern- und Schülervertretungen waren auch Lehrkräfteverbände und Schulbehörden in die Entwicklung der Handreichung eingebunden. Marie Sievers vom Landesschülerrat Niedersachsen betonte, dass tragfähige Regelungen "nur gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern" entstehen könnten. Auch der Landeselternrat Niedersachsen begrüßte die Empfehlungen. Vorsitzende Miriam Kaschel hob hervor, dass Schulen die Regelungen "transparent und gemeinsam mit der Schulgemeinschaft" weiterentwickeln sollten.
Bei der Hambuger CDU-Opposition stieß das Vorgehen auf Kritik. Birgit Stöver, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, sprach von einer "halbherzigen Lösung", da sich viele Lehrkräfte und Schulen mehr Rechtssicherheit gewünscht hätten. "Eine positive Verbesserung der Situation bleibt fragwürdig." Ein Antrag der CDU zur Änderung des Schulgesetzes, der die Möglichkeit zum Verbot mobiler Geräte an Grund- und weiterführenden Schulen zum Gegenstand hatte, blieb erfolglos. "Statt pauschaler Verbote geben wir den Schulen einen klaren Auftrag und die passenden Leitplanken an die Hand, um selbst rechtssichere, praxisnahe und pädagogisch fundierte Regeln für die verantwortungsvolle Nutzung von Handys und Smartwatches festzulegen", sagte der Bildungsexperte der Hamburger SPD, Nils Hansen.
(mack)