Handy-User unter der Lupe

Noch fehlen der Forschung verlässliche Daten über die Nutzung von Smartphones der neuesten Generation. Spezielle Software soll Abhilfe schaffen.

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Von
  • Tom Simonite

Noch fehlen der Forschung verlässliche Daten über die Nutzung von Smartphones der neuesten Generation. Spezielle Software soll Abhilfe schaffen.

Eine Smartphone-Anwendung, die alles speichert, was der Gerätebesitzer tut, scheint zunächst wenig wünschenswert. Forscher bei Microsoft Research und am "Center for Embedded Network Sensing" der University of California, Los Angeles, die eine solche Software entwickelt haben, wissen aber genau, was sie tun: Sie wollen in großangelegten Studien erfahren, wie moderne Smartphones wirklich genutzt werden.

Das Projekt wird von dem Doktoranden Hossein Falaki geleitet. Die Software, die Datennutzung, Telefonieverhalten und Batterieverbrauch erfassen kann, läuft sowohl auf Windows Mobile- als auch Google Android-Smartphones. Letztere Variante kann zusätzlich speichern, welche Daten von einzelnen Anwendungen gesendet und empfangen wurden.

"Ein Hauptproblem bei Smartphones ist und bleibt die Batterielaufzeit", sagt Falaki, der sein Paper nächsten Monat auf der "Internet Measurement Conference" im australischen Melbourne vorstellen wird. Mehr als 2000 Tage lang wurden Informationen von acht Windows Mobile- und 35 Android-Nutzern gesammelt. "Wenn wir wissen, wie die Menschen ihre Telefone nutzen, können wir Geräte und Netze viel besser aufeinander abstimmen", argumentiert er.

Die Studie ergab bereits einige interessante Erkenntnisse. So zeigte die Tracking-Anwendung, dass die Time-Out-Zeiten der Funkmodule bislang nicht optimal abgestimmt sind. Bislang deaktivieren Geräte des taiwanischen Herstellers HTC die Funkverbindung nach 17 Sekunden, wenn der Nutzer keine Aktion mehr vornimmt. (Eine ähnliche Einstellung ist auch bei vielen anderen Geräten normal.) Doch passe das eben nicht zur üblichen Nutzungsart von Smartphones, wie Falaki herausfand. "Die Leute nehmen ihr Handy aus der Tasche, interagieren mit ihm ein paar Minuten und nutzen es dann eine relativ lange Zeit nicht mehr."

Die Log-Dateien aus Falakis Tracking-Anwendung zeigten nun, dass die Geräte nach einer Nutzung häufig unnötig auf Empfang blieben – manchmal fast die vollen 17 Sekunden des Time-Outs lang. Bis zu 95 Prozent aller Datenpakete wurden innerhalb von 4,5 Sekunden vor der letzten Nutzung gesendet oder empfangen. Würde man die Time-Out-Zeit also auf 4,5 Sekunden verringern, hat Falaki kalkuliert, könnte das Gerät bis zu 40 Prozent Strom einsparen – und zwar ohne große Leistungseinbußen für den Nutzer.

"Diese Time-Out-Werte sind größer, als sie sein müssten", meint auch Arun Venkataramani, Juniorprofessor an der University of Massachusetts in Amherst, der den Stromverbrauch von Mobilgeräten erforscht. "Aus Sicht von Anwendungen und Nutzer gibt es hier deutlichen Verbesserungsbedarf." Die von Microsoft Research und der UCLA gewonnenen Daten entsprechen denen, die er selbst gewonnen hat. Die Energiekosten fehlerhafter Time-Out-Perioden seien groß.

Allerdings sind nicht nur Geräte und Software an den fehlerhaften Werten schuld, sondern auch die Mobilfunkbetreiber. Denen geht es weniger ums Stromsparen, als um technische Notwendigkeiten. Höhere Time-Outs würden auch deshalb gesetzt, um die Arbeitsbelastung der Basisstationen zu reduzieren, die jedes Mal Kontrollmitteilungen mit den Smartphones austauschen müssen, wenn diese in den Schlafmodus wechseln und wieder aufwachen. Mehr Daten über das tatsächlich Nutzerverhalten könnten jedoch helfen, die Techniker davon zu überzeugen, dass es sich um ein ernstzunehmendes Problem handelt – auch wenn die Mobilfunkbetreiber zunächst nur an ihre Netze denken.

Falaki meint, dass Geräte, Anwendungen und Netzwerke deutlich stärker auf die Anwendungsvorfälle der Nutzer abgestimmt werden müssten. "Weil Smartphones noch relativ neu sind, existieren dazu aber noch viel zu wenig Statistiken." Frühere Studien betrachten die Nutzung gesamter Netzwerke, weniger das individuelle Nutzerverhalten. Solche Informationen stammten vor allem aus Labortests, die mit dem täglichen Geräteeinsatz wenig zu tun hätten. "Wir sammeln dagegen Daten von Nutzern, die ihr Handy ganz normal einsetzen."

Lin Zhong, der die Efficient Computing-Gruppe an der Rice University leitet, lobt das Projekt: "Das Datenvolumen, das Microsoft Research und UCLA zusammengetragen haben, ist zwar noch klein, es zeigt aber bereits einige interessante Resultate." Zhong und seine Kollegen haben bereits eine ähnliche Software für Apples iPhone entwickelt. Sie läuft allerdings nur auf gehackten ("jailbroken") Geräten, weil der Hersteller die notwendigen Software-Schnittstellen nicht bereitstellt. Das Programm überwacht den Netzwerkdatenverkehr, Batterieinformationen und loggt mit, wann welche Anwendungen und Funktionen genutzt werden. 35 Nutzer eines iPhone 3GS arbeiten derzeit bei der 12-monatigen Studie mit, die gerade in die zweite Halbzeit geht.

"Es klingt ein bisschen nach Virus, was wir da entwickelt haben, aber die Software respektiert die Privatsphäre der Nutzer und verändert auch nichts am Gerät", sagt Zhong. Obwohl Telefonate aufgezeichnet werden, weiß das Werkzeug nur, dass telefoniert wurde – die Nummer wird dagegen verschleiert. Die Rice-Gruppe nutzt ihre Daten, um eine neue Netzabdeckungskarte für Handys zu schaffen, die auf den tatsächlichen Erfahrungen der Nutzer basiert. "Wenn man sich die Karte des US-Anbieters AT&T ansieht, zeigt sie einem, dass man in Houston volle UMTS-Versorgung hat. In Wahrheit sieht es aber oft ganz anders aus. Wir wollen eine sehr detaillierte Abdeckungsstatistik schaffen." Das sei nur ein Beispiel dafür, wie Logging-Software nicht nur Forschern, sondern auch Nutzern helfen könne. Künftig soll Zhongs Software eine dynamische Karte erstellen, die auch WLAN-Zugangspunkte enthält. (bsc)