Je isolierter der Mensch, desto besser kann man seine Arbeit durch KI ersetzen
Die Organisationsstruktur kann Einfluss darauf haben, ob Programmierstellen durch KI ersetzt werden können.
(Bild: Scott Prokop / Shutterstock.com)
- Stefan Mintert
Die Idee von selbstorganisierten Teams, von Produkt- und Sprintzielen ist in vielen Unternehmen mehr Wunschdenken als Realität. Wenn ich die Zusammenarbeit mit einem neuen Kunden beginne, versuche ich natürlich in Erfahrung zu bringen, woran die Teams arbeiten. Einmal hat mir ein Team auf die Frage „An welchem Produkt, an welcher Software arbeitet ihr?“ Geantwortet: „Keine Ahnung.“ Die Leute wussten buchstäblich nicht, wofür sie Software entwickelten.
Wie kann das sein? Die Antwort war in diesem Fall einfach: Die verschiedenen Programme, an denen der Unternehmensbereich arbeitete, waren in Komponenten in Form von Microservices heruntergebrochen, die wiederum einzelnen Teams zugeordnet waren. In der Folge hat das besagte Team Aufgaben bekommen, die isoliert betrachtet keinen erkennbaren geschäftlichen Sinn hatten.
Die Teammitglieder waren nicht mehr als Coding Monkeys. Ihre Innovationsfähigkeit, ihre Fähigkeit, Dinge zu hinterfragen, ihr Potenzial, einen Beitrag zu leisten, waren strukturell ausgemerzt.
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Wenn man vor dem Hintergrund einer solchen Organisationsstruktur zu dem Schluss kommt, dass man Coding-Leistung durch KI bekommen kann, ist das weder ein Urteil über die menschlichen Programmierer noch ein Lob an die KI. Es ist nicht mehr als die Folge früherer Entscheidungen der Manager, nicht nur die Software in Microservices zu gliedern, sondern auch die Organisation. Für die Entwickler ist das meist keine erfüllende Tätigkeit.
Verschobene Auswirkungen
Nicht zuletzt deshalb war das auch schon vor der jüngsten KI-Welle eine blöde Idee. Inzwischen haben sich allerdings die Auswirkungen verschoben. Früher lag der finanzielle Schaden durch wenig motivierte, wenig kreative Programmierer ausschließlich bei den Unternehmen. Bei den Entwicklern gab es vielleicht mentale Schäden, die sich zuerst als Unzufriedenheit zeigten.
Heute jedoch können die Entwickler die finanziellen Schäden abbekommen, nämlich dann, wenn sie ihren Job verlieren. Für die Unternehmen wird es nur billiger, nicht besser.
Wenn Entwickler und Entwicklerinnen sich heute gegen KI-Gefahren in diesem Szenario wehren wollen, gibt es einen klaren Rat: Sorgt dafür, dass Ihr innerhalb des Business relevant seid! Das bedeutet insbesondere ein stärkeres Einmischen in die geschäftliche Zielsetzung. Wir sind gerade in einer Phase, in der Technik (durch KI) wichtiger wird. Wer Technik in der Tiefe versteht, kann jetzt mehr denn je einen Beitrag zum geschäftlichen Erfolg leisten. Dazu gehört auch, ein Stück Führung zu übernehmen, damit die geschäftliche Zielsetzung auf einem soliden technischen Fundament steht.
Erst Lesen, dann Handeln
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(rme)