Nordkoreas Internet-Offensive

Die hermetisch abgeriegelte Diktatur stöpselt sich vorsichtig ins Web ein - für den Kontakt nach außen. Die ersten Auftritte wirken allerdings noch verbesserungsbedürftig, zeigt ein erster Praxistest.

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Von
  • Martin Kölling

Die hermetisch abgeriegelte Diktatur stöpselt sich vorsichtig ins Web ein – für den Kontakt nach außen. Die ersten Auftritte wirken allerdings noch verbesserungsbedürftig, zeigt ein erster Praxistest.

Wenn mich meine Ausflüge ins Netz nicht täuschen, scheint in Nordkorea jetzt die Internet-Generation die Macht übernommen zu haben. Kaum hat die nordkoreanische Regierung den 27-jährigen Kim Jong-un zum potenziellen Nachfolger seines Vaters und Landesführers Kim Jong-il ausgerufen, stellte das bisher so hermetisch vom globalen Informationsfluss abgeriegelte Land eine englisch- und spanischsprachige Seite seiner Nachrichtenagentur KCNA ins Internet, die - allerdings mit einigen Unterbrechungen aufgrund der offenbar hohen Nachfrage - tatsächlich zu erreichen ist. Fortan kann die Weltöffentlichkeit die mitunter blumige, meist aber nüchterne Prosa nordkoreanischer Propaganda in Echtzeit genießen – anstelle mit ein bis zwei Tagen Verzögerung auf der Homepage der Organisation der in Japan lebenden Nordkoreaner.

In den Texten wird Südkoreas Regierung von den Propagandisten als "Marionetten" tituliert, Amerikaner hin und wieder als "Schakale". Und kaum ein Artikel über Japan kommt ohne den Verweis auf die imperialistische Geschichte des Landes aus. Aber darüber hinaus erfahren wir wertfrei, dass in Guinea eine Kim Il-sung- und Kim Jong-il-Vereinigung gegründet wurde und die U19-Fussball-Nationalmannschaft Nordkoreas in China Asienmeister geworden ist.

Auch eine bunte Mini-Reportage fürs Herz war am Montag dabei: 1972 habe der damalige Führer Kim Il-sung bei einer Reise gesehen, dass die Kleidung vieler Kinder keine Knöpfe hatte. Und er dachte an die Sorgen und Nöte und sorgte nach seiner Rückkehr dafür, dass die Partei die Preise für Kinderkleidung senkte. Merke: Das Regime stellt seine Führer nicht als Landesväter, sondern mütterlich dar.

Ich werde den Eindruck nicht los, dass dieser Vorstoß Teil einer Internet-Offensive des Landes ist. Denn schon während des Parteitags, auf dem Kim Junior in hohe Partei- und Armeepositionen gehoben wurde, wunderten sich ausländische Journalisten darüber, dass das Regime ihnen im Pressezentrum Breitband-Internet-Anschlüsse und freien Zugang zu den Weiten des Web zur Verfügung stellte. "Wir haben Zugang zu Facebook, Twitter und wie ihr hört kann ich sogar mit Euch skypen", berichte Melissa Chan, Korrespondentin des arabischen Senders Al Jazeera, der Welt über den Internet-Telefondienst.

Und das ist nur der Anfang, meint mein Kollege Martyn Williams, Betreiber der Website North Korea Tech und Ostasienskorrespondent des globalen US-Technikverlags IDC. "Wir werden wahrscheinlich nun mehr nordkoreanische Homepages sehen", meint Williams. "Und sie werden vielleicht Waren oder Briefmarken verkaufen." Der Briefmarkenverkauf an Sammler ist anscheinend eine stetig fließende Devisenquelle. Ganz neu wäre das nicht. Williams kann sich noch an ähnliche Seiten erinnern, die Nordkorea auf Servern in anderen Ländern unterhalten hat. Sogar eine Lotterie soll darunter gewesen sein. Aber diesmal haben die Nordkoreaner anscheinend Größeres vor. So hat die Regierung, wie mir Williams sagte, 1024 seit Jahren ungenutzte Internet-Protokoll-Adressen (IPs) an ein nordkoreanisch-thailändisch Unternehmen übertragen.

Hoffnung, dass die viel beschworene Subversivität des Netzes das Regime zu Fall bringen könnte, hat mein Kollege allerdings nicht. "Die Webseiten werden nicht für den heimischen Konsum sein", sagt er voraus. Es gäbe in Nordkorea ein abgeschottetes Intranet, das beispielsweise Bibliotheken verbindet. "Und das Regime wird dafür sorgen, dass es so bleibt." Denn anders als China, das seine Bevölkerung mit Wirtschaftswachstum bei der Stange hält, beruht Nordkoreas Herrschaft allein auf einem mühsam aus plausibel klingenden Lügen zusammengezimmerten Propagandaimage.

Doch ein Nutzertest der erwähnten Nachrichtenagenturen-Seite zeigt, dass der Internet-Auftritt noch recht verbesserungswürdig ist. Positiv anzumerken ist, dass das Angebot minimalistisch aufgebaut ist und blitzschnell lädt: Titel, ein Foto des Führers und links die Navigation. Das ist sehr übersichtlich und schnell zu durchsteigen. Doch schon beim Look fängt die Seite an, Minuspunkte zu sammeln. Die Farben und der Aufbau erinnern an die ersten Gehversuche der Internetgemeinde. Foto- und Videoreportagen aus dem Reich der Kims fehlen.

Doch so richtig hakelt es noch unter der Haube. Während die Rubrik "Today" gut gefüllt ist, führen viele Links in anderen Rubriken noch ins Leere. Richtig anstrengend ist der Unterpunkt Presseschau in der Rubrik "Newspaper". Nach Überschriften reicht das Archiv erstaunlich weit zurück, bis zum 23. April 2001. Oder besser sollte man sagen, fängt das Archiv erstaunlich früh an, denn der erste Eintrag ist besagter 23. April. Wer zum neuesten Eintrag will, muss sich bis ans Ende der Seite durchscrollen. Aber dafür erhalten wir einen kleinen Einblick, wie Nordkorea die Welt sieht. (bsc)