Schweizer Webhoster "Webland" seit zwei Wochen fast vollständig offline

Der Ausfall eines groĂźen Webhosters seit ĂĽber zwei Wochen bringt vielen Unternehmen und Privatpersonen Hektik, Stress und Verdienstausfall.

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Notfall im Rechenzentrum

(Bild: vchal/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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Bei Webland, einem der größeren Webhosting- und Mail-Anbieter in der Schweiz, kommt es seit gut zwei Wochen zu verschiedenen Problemen. Kunden klagen über Ausfälle bei Webdiensten und E-Mail. Einige der Probleme hat das Unternehmen nach wie vor nicht unter Kontrolle.

Am Abend des 19. Novembers kam es bei Webland zu einem größeren Systemausfall. Mehrere Dienste und Server seien nicht erreichbar, informierte die Firma und nannte einen Ausfall eines Speichersystems (Storage Cluster) als Ursache. Noch in der Nacht teilte der Anbieter mit, die „fehlerhafte Komponente“ lokalisiert und einen Austausch einleitet zu haben. Doch die Probleme blieben, vervielfältigten sich sogar, und sämtliche Bemühungen brachten bis Freitag keine stabile Lösung.

In den vergangenen Wochen machten Amazon Web Services und andere Anbieter mit weitreichenden Ausfällen Schlagzeilen. Die Probleme beim Hostinganbieter Webland im Kanton Baselland dauern nun schon deutlich länger.

Webland betreibt kein eigenes Rechenzentrum, sondern nutzt das externe Datacenter der IWB (Industrielle Werke Basel). IWB versorgt vor allem die Bevölkerung und Firmen mit Strom, Wasser und Fernwärme bis hin zu Telekomdiensten wie Internet und Festnetz, bietet aber auch Colocation und Server Housing an.

Auch über ein Backup-Datacenter verfügt Webland nach eigenen Angaben, das der Schweizer Energieversorger Primeo Energie betreibt. Dieses Rechenzentrum in Münchenstein sei „über mehrfache redundante 10-Gigabit-Glasfaseranschlüsse mit dem produktiven Datacenter verbunden“, so Webland auf seiner Homepage.

Nach dem Ausfall gibt es tage- und nächtelang gibt es immer wieder neue Wasserstandsmeldungen auf der Statusseite: Ein neues NAS-System kommt, die Datenmigration auf neue Systeme geht nur langsam voran, ein Hardware-Controller überhitzt.

Erste Websites und Datenbanken sind mittlerweile wieder online. Parallel arbeitet der Anbieter weiter an der Wiederherstellung der Datenbankserver und Mail-Dienste. Die Meldungen auf der Statuswebsite ähneln sich Tag für Tag. Immer wieder betont Webland, dass es um einen Hardwaredefekt handelt und um keinen „Sicherheitsvorfall“.

Inzwischen sind laut Webland die meisten Kundenwebsites wieder hergestellt. Am Samstagmorgen meldet der Anbieter, das einige Mailserver wieder online sind, es aber weiterhin zu Verzögerungen bei der Zustellung kommt. Auch die FTP-Services sollen wieder laufen.

Laut Schweizer Medien sind Hunderte Schweizer Unternehmen und Organisationen von den Ausfällen bei Webland betroffen. Kleinunternehmer berichten über massive Probleme ohne Mailverkehr und Webauftritte. Für einige ist die Situation existenziell, gerade jetzt am umsatzstarken Jahresende.

Unterdessen bringen zahlreiche Kunden ihre Webseiten bei anderen Hostern unter und suchen sich andere Mail-Provider. Experten mahnen, dass auch Kleinunternehmen sich mehr selbst um ihre Webservices, Datenbanken und E-Mail kümmern sollten und einen „Plan B“ parat haben sollten.

Webland, das nach eigenen Angaben von „15 hochqualifizierten Mitarbeitern“ geführt wird, bezeichnet sich als „einen der führenden Internet Service Provider in der Schweiz“. Webland verwaltet nach eigenen Angaben 75.000 Domains für seine Kunden. Über die Anzahl der Kunden gibt das Unternehmen keine Auskunft.

Für Webland seien die Probleme eine existenzbedrohende Krise, so schätzen es zahlreiche Beobachter ein. Ein Ausfall von Websites und Mail von über zwei Wochen ist für einen Hostinganbieter extrem ungewöhnlich und schädigt das Vertrauen nachhaltig. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem der Mutterkonzern offenbar verkauft werden soll.

Das 1998 gegründete Webland wurde im Dezember 2021 an einen internationalen Anbieter von digitalen Lösungen und Webhosting-Diensten mit Sitz in Stockholm verkauft, die Miss Group. Gegründet hat sie der in Dubai lebende schwedische Unternehmer Mattias Kaneteg.

Kurz darauf kaufte die Gruppe einen weiteren Schweizer Webhoster auf, die Firma Hoststar mit nach eigenen Angaben rund 80.000 Kunden. Nach dem damaligen Erwerb von Webland und der angekĂĽndigten Ăśbernahme von Hoststar gab Miss Group eine Gesamtzahl von 100.000 Schweizer Kundinnen und Kunden bekannt.

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Inzwischen wurde die Miss Group selbst mehrheitlich von der britischen Perwyn, einem Private-Equity-Investor, übernommen. Kaneteg ist bei Webland nur Anteilseigner und hat nichts mit dem täglichen Betrieb zu tun, wie er heise online sagte. Heute noch steht er allerdings als Präsident des Verwaltungsrates bei Webland im Handelsregister.

Kaneteg verweist auf den COO der Gruppe, Jimmie Eriksson. Der sagt zum Totalausfall in etwa das, was bereits auf der Statusseite von Webland zu lesen ist. Telefonische und Mail-Anfragen bei Webland selbst bleiben unbeantwortet.

In der internationalen Webhosting-Branche ist Miss Group jedenfalls bekannt für eine dominante Expansionspolitik. Die Miss Group habe sich durch „schnelles Wachstum und zahlreiche Übernahmen zu einem der größten Hosting-Player in Europa entwickelt“ analysierte ein Webhosting-Fachmagazin im Januar: Mit über 30 Marken in mehreren Märkten, die weltweit mehr als 700.000 Kunden bedienen.

Laut dem Bericht bereitet sich Miss Group aktuell auf einen möglichen Verkauf vor, „was ein bedeutendes Ereignis in der Hosting-Branche wäre“. Von heise online befragt, antwortet Miss Group Gründer Kaneteg etwas unklar, das Unternehmen befinde sich weiterhin im Besitz von Perwyn als Mehrheitseigentümer.

(nen)