Solar-elektrische Yacht „100 %“ überquert den Atlantik

Die Yacht „100 %“ überquert den Atlantik mit einem Solar-elektrischen Antrieb. Zu 100 Prozent CO₂-neutral gelingt das aber nicht.

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Silent Yacht S62 auf See

(Bild: Silent Yachts)

Lesezeit: 5 Min.
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Eine Crew rund um Jay Dollries überquert mit der Solar-elektrischen Yacht „100 %“, eine Silent 62 3-Deck von Silent Yachts, den Atlantik. Mittlerweile hat das fünfköpfige Team knapp die Hälfte der rund 3200 Nautische Meilen (etwa 5926 km) langen Route hinter sich gebracht. Live-Position, sämtliche Informationen zum Boot, dem Leben und technischen Problemen sind von der Crew öffentlich dokumentiert. Wer will, kann dem Team auch Fragen stellen.

Gestartet ist die Crew am 14. November in Gibraltar. Die Reise geht seitdem mit Zwischenstopps auf Lanzarote und São Vicente (Kap Verde) quer über den Atlantik. Ziel der Reise ist die Karibikinsel Antigua. Die Ankunft dort ist für den 11. oder 12. Dezember geplant.

Die Crew besteht aus erfahrenen Seeleuten. Jay Dollries, der mit seiner ebenfalls mitfahrenden Frau Jane Eigentümer des Bootes ist, hat mit Randy Lane einen erfahrenen Mitstreiter an Bord. Beide haben bereits Atlantik-Überquerungen in einem Boot hinter sich gebracht. Ebenfalls mit an Bord ist der stellvertretende Vorsitzende von Silent Yachts Steve Bell, der zugleich Kapitän der Yacht ist, sowie die beiden Techniker Will Mitchell und Michael Scherdel.

Bei der „100 %“ handelt es sich um eine Freizeityacht im Stil eines Katamarans mit drei Decks. Sie hat eine Länge von 18,86 m und ist rund 9 m breit. Die Silent 62 ist die neueste Version der Silent 64, einer Yacht mit zwei Decks, die mehrere internationale Preise eingeheimst und im Januar 2018 bereits eine Atlantiküberquerung mit Solar-elektrischem Antrieb absolviert hatte.

Die Technik der Silent 62 ist allerdings auf dem neuesten technischen Stand: Angetrieben wird die Yacht von zwei 164 kW-Elektromotoren, die von einer 354 kWh Batterie sowie Solarzellen, die auf den Dächern des zweiten und dritten Decks der Yacht verteilt sind, befeuert werden. Vier Kabinen, eine Master-, eine VIP- und zwei kleinere Zwei-Bett-Kabinen sind in den beiden Katamaran-Rümpfen untergebracht. Hinzu kommen das offene Hauptdeck mit dem Hauptsteuerstand, ein Salonbereich und eine Kombüse. Auf dem dritten Deck befindet sich ein weiterer Steuerstand sowie ein Lounge- und Unterhaltungsbereich.

Eigentlich hatten sich Jay und Jane Dollries das Boot zum Freizeitvergnügen gekauft, wollten jedoch nach der Übergabe der Yacht in Italien im Frühling 2025 und Kreuzfahrten im Mittelmeer die Yacht zu ihrem Heimathafen in Nordamerika über den Atlantik überführen. Steve Bell, mit dem sich Jay und Jane Dollries während des Baus der Yacht angefreundet hatten, war von der Idee der ungewöhnlichen Überführungsfahrt begeistert, bot sie doch zugleich die Möglichkeit, die Technik des Bootes auf einer längeren Fahrt auf Herz und Nieren zu testen. Das Hauptaugenmerk sollte dabei auf der Energieerzeugung und dem Batterieverbrauch liegen, um so die Effizienz des Bootes zu überprüfen.

Die größte Herausforderung ist es, die Batterien des Bootes während der Atlantiküberquerung immer wieder aufzufüllen, ohne Häfen zum Aufladen ansteuern zu können. Die Solarzellen liefern in der Spitze eine Leistung von 17 KW, innerhalb von 24 Stunden konnten so maximal 56 kWh Energie erzeugt werden. Der Motorantrieb hat eine Leistung von rund 30 KW, um eine Geschwindigkeit von 6 Knoten zu erreichen, die Maximalgeschwindigkeit liegt bei 7 Knoten. Hinzu kommt noch der Stromverbrauch für die Aufrechterhaltung der Bordsysteme, der Bordküche, das Licht usw. Insgesamt liegt die benötigte Leistung 20 KW über dem, was die Solarzellen bedienen können.

Die Crew kompensiert das Defizit, indem sie einen Drachen benutzt, der das Boot bei entsprechenden Windverhältnissen zieht und den Strombedarf reduziert. Aber auch das reicht nicht aus. Den zusätzlichen Strombedarf bezieht die „100 %“ deshalb aus einem 134-KW-Dieselgenerator, der die Batterie immer wieder auflädt. Das Schiff fährt zwar mit rein elektrischem Antrieb, ein Teil der Energie wird somit jedoch aus der Verbrennung fossilen Brennstoffs zugeführt. Zu 100 Prozent CO₂-frei fährt das Boot also nicht, was dem Projekt bereits einige Kritik in den sozialen Medien eingebracht hat.

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Bei der Entwicklung des Bootes war jedoch auch keine Atlantiküberquerung eingeplant. Als Freizeitboot reichen die Solarzellen zum autarken Betrieb bei gewissen Einschränkungen, wie etwa eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 4 Knoten, jedoch aus, wie die Eigner des Bootes beim Inselhopping im Mittelmeer herausgefunden haben. Dazu müssen sie allerdings immer mal wieder an sonnigen Plätzchen ankern und die Batterie aufladen.

Bei der Atlantiküberquerung wird dagegen einiges an Treibstoff verbraucht: insgesamt etwa 3000 Liter Kraftstoff werden von dem Dieselgenerator, der täglich zwischen vier und fünf Stunden lang laufen muss, verbrannt. Das ist aber immer noch deutlich weniger als das, was eine vergleichbar große Yacht im reinen Dieselbetrieb benötigen würde. Bei einem solchen Boot läge der Verbrauch zwischen 8000 und 10.000 Liter.

Die Crew dokumentiert ihre gesamte Reise in einem Blog und per Video. Fragen an die Crew sind erwünscht. Damit will das Team eine gewisse Transparenz zum Betrieb Solar-elektrischer Boote schaffen.

(olb)