„Routine“ im Test: Im Weltraum hört dich jeder laufen
„Routine“ ist ein kurzer, visuell umwerfender Reparaturbesuch auf einer Mondbasis mit Mörderbots, der sich manchmal selbst im Weg steht.
(Bild: Lunar Software)
Techsupport kann langweilig sein. Das stimmt nicht nur im echten Leben, sondern auch in „Routine“. Eine Standardsituation des Horror-Spiels ist das langsame Absuchen einer Location. Die im Spiel vorhandenen Killerroboter sind zwar anfangs furchteinflößend und dann immer wieder nervig, doch sie stellen kein großes Hindernis dar. Das typischste Problem in „Routine“ ist ein anderes: Wo geht es weiter? Irgendwo muss doch noch ein Code oder eine Schlüsselkarte lauern. Vielleicht nochmal zum Terminal zurück und alle Mails lesen? Oder unter den Regalen nachschauen?
In „Routine“, einem vor über zehn Jahren angekündigten und endlich fertig gewordenen Horror-Spiel des kleinen Indie-Studios Lunar Software, wird man als Techniker auf eine Mondbasis geladen. Schon bei der Ankunft wird deutlich, dass die technischen Probleme etwas größer ausfallen: Die Station scheint verlassen, die Spuren deuten auf panikartige Flucht hin. In einem Briefing-Raum entdeckt man ein Multifunktionswerkzeug zwischen Camcorder und Schusswaffe – das CAT. Es kann Dinge zeigen, die Umwelt ein wenig manipulieren, Speicherpunkte öffnen, Missionsziele nachhalten. Bis man dem ersten Killerroboter über den Weg läuft, dauert es aber noch ein wenig. Erst einmal muss man diverse Zahlencodes herausfinden, um Türen zu öffnen.
Nostalgische Science-Fiction
Raumstationen, auf denen mächtig etwas schiefgelaufen ist, gibt es viele. Spätestens „Alien: Isolation“ hat verdeutlicht, dass man auf die Art auch ein großes Publikum in Angst und Schrecken versetzen kann. Kennt man das Spiel, denkt man in „Routine“ fast automatisch an den Xenomorph. Denn nicht nur das Spielgefühl, auch der Stil hat große Ähnlichkeiten. Auch „Routine“ ist eine Art Retro-Sci-Fi-Spiel, in der die hochmoderne Mondbasis Technik und Stilelemente der 1970er und -80er besitzt. Klobige Diktiergeräte, Röhrenmonitore und VHS-Kassetten gehören ganz selbstverständlich zum Inventar der Station.
"Routine" im Test (8 Bilder)

heise medien
)Das eindeutigste 80er-Relikt ist allerdings eine gute Fälschung: Das CAT erinnert entfernt an eine Pistole, hat einen kleinen Bildschirm als Visor, braucht ständig neue Batterien und besitzt eine Reihe von Knöpfen, die man im Lauf des Spiels drücken muss. Wunderbar haptisch fühlt es sich an, mit dem CAT auf störrische Maschinen zu zeigen und sie dann zu zappen, dass es blitzt und fatzt. Wenn man damit das richtige Gerät trifft, hat das sogar einen Nutzen. Auf eine gefährliche Art fühlt sich das Gerät auch unzuverlässig an: Die Batterie reicht für höchstens drei Schüsse, und besonders präzise Zielen kann man mit dem Ding nicht.
Videos by heise
Doch anders als bei „Alien: Isolation“ bleibt dieses Spiel weitgehend frei von Action. Von Robotern wird man erwischt, oder man entkommt schnell. Sie mit dem CAT zu zappen, zählt kaum als Kampf. Weglaufen muss man dann immer noch. Ist man einmal entkommen, fällt das Verstecken recht einfach. Zwar lauern später im Spiel noch andere Gefahren, doch am Spielrhythmus ändert das wenig: Langsam arbeitet man sich mit den Rätseln durch die Anlage und kann recht häufig abspeichern. Es kann also sehr frustrierend werden, doch viel Fortschritt verliert man nicht.
Das Versteckspiel kann in mörderischen Stress ausarten. Gesteigert wird die Paranoia vom hervorragenden Sound-Design. Aus der Nähe stampfen die Mörderroboter laut und deutlich, aber ständig brummt, schnappt und fatzt irgendetwas in der Ferne. Sobald man selbst zu joggen wagt, stampft man den Geräuscheteppich in Grund und Boden. Das steigert nicht nur die Paranoia, sondern auch die Immersion. Besonders in den ersten Stunden kann sich „Routine“ umwerfend echt anfühlen. Jeder Sound, jedes visuelle Detail, jede Interaktion passt in die Spielwelt.
Tod im Escape-Room
Hat man einen Abschnitt der Station mehrfach durchquert, lässt der Effekt nach. Anfangs ist auch die Orientierung recht einfach. Wer den Weg kennt, kann Gegnern ganz gut davonlaufen. Erst später, wenn man verschiedene Bereiche bereist, kann das Fehlen einer ordentlichen Karte Schwierigkeiten machen.
Der Fokus liegt dann die meiste Zeit auf den Rätseln des Spiels, denn die sind nicht ohne. Ein paar erfordern tatsächlich aufmerksames Mitdenken beim Bedienen von Maschinen oder Verstehen von Geräten – etwa wo und wie man den CAT einsetzt, um eine Tür zu öffnen. Viele stehen und fallen aber damit, dass man das richtige Detail wahrgenommen hat.
Hier setzt „Routine“ zu sehr auf Wiederholung. Zu viele Rätsel drehen sich um Zahlenkombinationen und IDs, die auf mehr oder weniger einleuchtende Weise herausgefunden werden müssen. Beim Abgleichen eines Codes oder dem wiederholten Scan von Fingerabdrücken kippt das Spielgefühl von einem mörderischen „Myst“ in Richtung Escape-Room. Es ist zwar naheliegend, dass bestimmte Türen mit einer ID geöffnet werden müssen, aber auch ideenarm.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Google Ireland Limited) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Und die Kombination aus tödlichem Horror und Grafikadventure ist Geschmackssache. Mehr als einmal ging es beim Test nicht weiter, weil ein Detail übersehen oder falsch verstanden wurde. Wer sich seinen Horror möglichst unbarmherzig wünscht, freut sich womöglich über die anhaltende Gefahr bei der Spurensuche. Wir fanden es irgendwann nervig. Stecken zu bleiben und dabei immer wieder auf dieselben Roboter zu treffen, ist nicht besonders furchteinflößend. So kann sich das Spiel selbst den Schrecken nehmen.
Turning it off and on again
Merkwürdig und unbarmherzig wirkt auch die magere Ausstattung mit Optionen. Bemerkenswert unfreundlich ist das Fehlen einer ordentlichen Pausenfunktion – bei einem Offline-Titel. Kinderbetreuung oder Pizzabestellungen sind auf dem Mond nicht vorgesehen.
Wer die komplette Außenwelt aussperren kann, erlebt aber auch ein besseres Spiel. Die Immersion von „Routine“ sucht ihresgleichen, und abseits einiger schwacher Rätsel und ausgenudelter Erzählmotive ist die Geschichte packend und gut erzählt. Mehrere Charaktere tauchen in Mails und Logs auf und werden lebendig. Das Geheimnis der Raumstation ist eine Ecke komplexer als anfangs gedacht.
Die Grundidee ist immer noch sehr gut: Mit nichts als einem leicht umständlichen 80er-Jahre-Gadget durch eine gottverlassene Raumstation zu schnaufen und zu stampfen, bleibt grandios beklemmend.
Fazit: Arbeit, die sich lohnt
Viel hat nicht gefehlt, dass aus diesem Spiel ein richtiges Meisterwerk wird. Und mit recht kleinen Updates könnte es noch deutlich besser werden. Doch wenn man so richtig steckenbleibt, verliert das Spiel viel von seiner dichten Stimmung. Das ist besonders schade, weil „Routine“ umwerfend aussieht und klingt. Ob man das eher als Bodenwelle oder als grundlegendes Problem wahrnimmt, muss man vielleicht einfach ausprobieren; „Routine“ ist auch im Game Pass erhältlich.
(dahe)