Werden die Landesdatenschutzbehörden entmachtet?

Die Regierung prüft "die Aufhebung der Pflicht zur Bestellung eines Landesdatenschutzbeauftragten". Kritiker warnen vor einem föderalen Kahlschlag.

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Frau im Anzug, die auf ein geöffnetes Sicherheitsschloss zeigt

(Bild: oatawa / Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung prüft im Rahmen einer umfassenden "Staatsmodernisierung" eine weitreichende Reform der Datenschutzaufsicht. Das geht aus der föderalen Modernisierungsagenda hervor. Ein zentraler und brisanter Punkt des Vorhabens ist die Prüfung, "die Pflicht zur Bestellung eines Landesdatenschutzbeauftragten" aufzuheben. Ziel sei es, eine einheitlichere Rechtsauslegung und mehr Effizienz zu erreichen. Neben verfassungsrechtlichen Hürden muss auch eine Zentralisierung wohlüberlegt sein.

Laut einem Beschlussbericht (PDF) des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder vom 4. Dezember 2025 soll die Datenschutzaufsicht für den nicht-öffentlichen Bereich bis Ende 2027 reformiert werden. Das erklärte Ziel ist es, die "einheitliche Rechtsauslegung und -anwendung" sicherzustellen und die Effizienz im Zusammenspiel der Aufsichtsbehörden zu erhöhen.

Als mögliche Maßnahmen werden im Papier unter anderem die Bündelung von Kompetenzen bei der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit genannt, die Stärkung der Datenschutzkonferenz (DSK) und eine One-Stop-Shop-Regelungen, nach der einheitliche Ansprechpartner für Unternehmen etabliert werden sollen. Zentral bei dem Vorhaben ist jedoch, die Landesdatenschutzbehörden gänzlich zu überdenken. „Der Bund prüft die Aufhebung der Pflicht zur Bestellung eines Landesdatenschutzbeauftragten“.

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Der Verfassungsrechtler Dr. Jonas Botta mahnt auf Nachfrage von heise online zur Differenzierung. Man müsse klar zwischen der rechtlichen Zulässigkeit und der Sinnhaftigkeit eines solchen Schrittes unterscheiden – und vor allem zwischen der Aufsicht über staatliche Stellen (öffentlicher Bereich) und Unternehmen (privater Bereich). Auf eine Anfrage von heise online hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst – der in der Vergangenheit öfter mit Aussagen gegen den Datenschutz für Aufsehen gesorgt hat – bislang nicht reagiert.

Für die Kontrolle staatlicher Datenverarbeitung sei eine Abschaffung der Landesbehörden verfassungsrechtlich nicht haltbar, sagt Botta. "Für den öffentlichen Bereich hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil aus dem Jahre 1983 die Bedeutung der unabhängigen Aufsicht unterstrichen.“ Diese Aufsicht müsse der föderalen Ordnung entsprechen. Eine Bundesbehörde wie die BfDI dürfe nicht einfach Landesbehörden kontrollieren, da dies in die "ureigenste Eigenstaatlichkeit der Länder" eingreifen würde. Eine solche Änderung wäre ohne eine Grundgesetzänderung nicht zulässig.

Anders sehe die Lage im privaten Sektor aus. Hier könnte der Bund seine Wirtschaftskompetenz nutzen, um die Aufsicht tatsächlich bei der BfDI zu zentralisieren. Die DSGVO schreibe keine föderale Struktur vor. Allerdings, so die entscheidende Einschränkung von Botta, müsse die von der DSGVO geforderte "völlige Unabhängigkeit" der Aufsicht gewahrt bleiben. Das bedeute vor allem, dass eine Zentralisierung mit einer relevanten Aufstockung an personellen und finanziellen Ressourcen bei der BfDI einhergehen müsste. "Wenn man jetzt einfach nur Personal einsparen will, dann ist, glaube ich, das Vorgehen falsch“, sagt Botta.

Auch nach einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom März 2025 stehen einer Zentralisierung der Aufsicht für den privaten Sektor zwar keine "durchgreifenden rechtlichen Bedenken" entgegen. Jedoch bestätigt das Gutachten auch die verfassungsrechtlichen Grenzen im öffentlichen Bereich: "Im öffentlichen Sektor ist eine vollständige Zentralisierung der Datenschutzaufsicht auf Bundesebene hingegen nicht möglich", heißt es darin. Dem Bund fehle die Zuständigkeit für Sachgebiete, in denen die Länder die Gesetzgebungskompetenz haben, etwa im Polizei- oder Kommunalrecht.

Während die Regierung eine Chance zur Entbürokratisierung und zur Schaffung eines einheitlichen Datenschutzrechts für Unternehmen in Deutschland sieht, warnen Fachleute vor einem Schnellschuss. Eine durchdachte Zentralisierung der Aufsicht über den Privatsektor könnte tatsächlich Vorteile bringen, etwa bei Unternehmen, die Niederlassungen in ganz Deutschland haben. Die Landesbehörden könnten sich dann stärker auf ihre Kernaufgaben im öffentlichen Bereich konzentrieren, beispielsweise beim Einsatz von Überwachungstechnologie. Entscheidend wird laut Botta das Motiv hinter der Reform sein. Soll der Datenschutz mit einer einheitlichen Rechtsanwendung samt dafür nötigen Mitteln gestärkt werden, oder handelt es sich um eine Sparmaßnahme?

Die Pläne zur Zentralisierung stießen bereits in der Vergangenheit auf heftigen Widerstand bei den Landesdatenschutzbeauftragten. Die Bürgernähe und lokale Expertise ginge bei einer Zentralisierung verloren. Daher forderten die Landesdatenschützer, die Zusammenarbeit in der Datenschutzkonferenz zu stärken und dieser die Möglichkeit zu geben, verbindliche Mehrheitsentscheidungen zu treffen.

(mack)