Visuelles Feuerwerk mit dünner Story: „Avatar: Fire and Ash“

Am 17. Dezember kommt der dritte Avatar-Film in die Kinos. James Cameron brennt darin wieder ein Feuerwerk visueller Effekte ab, diesmal mit roter Farbpalette.

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In „Avatar: Fire and Ash“ fliegen Jake Sully und seine Familie mit den Windtradern davon.

(Bild: © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

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In „Avatar: Fire and Ash“ muss sich der ehemalige Marinesoldat Jake Sully (Sam Worthington), mittlerweile Clanmitglied der Na’vi, zusammen mit seiner Frau Neytiri (Zoe Saldaña) und ihren Kindern in der fantastischen Welt von Pandora ein weiteres Mal gegen den bösartigen Colonel Quaritch (Stephen Lang) behaupten.

Es ist nach „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ aus dem Jahr 2009 und der Fortsetzung „Avatar: The Way of Water“ von 2022 mittlerweile der dritte Film der Science-Fiction-Reihe von Regisseur James Cameron. Der Debütfilm führt die Liste der erfolgreichsten Filme aller Zeiten auf Platz 1 ein. Er spielte inflationsbereinigt 4,2 Mrd. US-Dollar an. Das Sequel von 2022 folgt auf Platz 3 mit 2,4 Mrd. US-Dollar. Dementsprechend dürfte sich auch der dritte Film in die Erfolgsgeschichte einreihen.

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Zu Beginn von „Avatar: Fire and Ash“ begibt sich Familie Sully auf die Reise mit den Luftschiffen der Windhändler, um den Menschenjungen Spider (Jack Champion) ins Exil zu begleiten: Er sei weder Teil der Familie noch Teil des Clans. Spider kämpft konstant mit seiner Atemmaske, bis er in der Not von der Naturgöttin Eywa mit der Fähigkeit ausgestattet wird, ohne Maske auf Pandora zu atmen. Colonel Quaritch nimmt den Jungen alsbald gefangen und lässt ihn in der Minenkolonie des Bergbaukonzerns RDA untersuchen.

Quaritch tut sich mit dem bisher nie gesehenen Mangkwan-Clan zusammen, beginnt mit der verschlagenen Anführerin Varang (Oona Chaplin) eine Liebesaffäre und versorgt die „Ascheleute“ mit Feuerwaffen. So ausgerüstet konfrontiert er Familie Sully, die wieder zurück beim Metkayina-Clan am Riff ist. Unter Einsatz seines Flammenwerfers sperrt er den sich opfernden Jake Sully ein. Neben Spider sitzt der nun auch in der Kolonie ein.

Ständig werden Figuren gefangen genommen und wieder befreit, gehen auf Reisen und kehren zurück – man kann kaum folgen. Viele Elemente wirken wie aus den vorigen Filmen kopiert: der strenge, sich sorgende Vater Sully, der ungehorsame, aber mutige Sohn, das von Quaritch entführte Nesthäkchen und die in auswegloser Lage rettende Eywa als Deus ex Machina.

Quaritch nimmt Kontakt zum Mangkwan-Clan auf. Deren Heimat gibt sich aschgrau.

(Bild: © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Was bisher geschah

Da sich vermutlich nur wenige an die Handlung der erfolgreichsten Filme aller Zeiten erinnern, hier eine Zusammenfassung beider bisher erschienenen Avatar-Filme.

Avatar – Aufbruch nach Pandora

In Avatar von 2009 unterhält der Bergbaukonzern RDA Minen in inudstriellem Ausmaß, um Unobtainium abzubauen, ein Raumtemperatur-Supraleiter, der wichtig für die Überlicht-Kommunikation ist – und wie der Name sagt: sehr schwer zu erlangen. Unobtainium wird nie wieder erwähnt.

Marinesoldat im Ruhestand Jake Sully übernimmt einen Avatar-Körper, um den Planeten zu erkunden und die Interessen der RDA gegenüber den Ureinwohnern Na’vi durchzusetzen – sie gelten als recht naiv. Jake schließt sich ihnen an, lernt Häuptlingstochter Neytiri kennen und lernt deren Kultur kennen und schätzen. Zunehmend wendet sich gegen die zerstörerische Ausbeutung durch die Menschen.

Die RDA, nun eine Militärorganisation, bereitet unter Führung von Colonel Miles Quaritch einen groß angelegten Angriff auf den Hometree der Na’vi vor. Jake wird nach Zähmung eines Drachen als Toruk Makto anerkannt und führt die Na’vi in den entscheidenden Kampf. Die Na’vi gewinnen die Schlacht und Jake tötet den Antagonisten Quaritch. Das Minenunternehmen wird zurückgedrängt und die Menschen verlassen den Planeten. Jake bleibt im Avatar und bei den Na‘vi.

Avatar: The Way of Water

Jake Sully und Neytiri leben mit ihren Kindern auf Pandora ein beschauliches Familienleben. Doch die RDA kehrt zurück und mit ihr Colonel Quaritch, der als Na’vi-Replikant irgendwie wieder aufersteht. Der Heerführer vom anderen Ende der Galaxis sinnt auf Rache am einfachen Soldaten Sully.

Die Sully-Familie flieht zu den Meerbewohnern namens Metkayina und lernt deren Kultur kennen und schätzen. Die RDA bereitet unter Führung von Colonel Miles Quaritch einen groß angelegten Angriff übers Meer vor. Es kommt in der Folge zum Kampf und die Sully-Familie erwirbt sich den Respekt der Metkayina.

Neuer Charakter: Oona Chaplin verkörpert Varang, die Anführerin des Mangkwan-Clans.

(Bild: © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Eine Story wie eine Wanderdüne

Spiders medizinischem Geheimnis auf die Spur zu kommen, würde einer großangelegten Kolonisation von Pandora Tür und Tor öffnen. Und genau das wäre ein guter roter Faden für eine stringent erzählte Story in normaler Spielfilmlänge gewesen. Der über 3:20 Stunden dahinmäandernde Film hangelt sich stattdessen mit Flucht, Kidnapping, Befreiung und Kampf von Actionszene zu Actionszene.

Szenen wirken aneinandergereiht, als betrachte man Missionen eines Videospiels. Der Film hat Schnittpotenzial: Viele Sequenzen nehmen Tempo aus dem Film, ohne die Geschichte voranzubringen. Die Vorbereitung zur Endschlacht handelt der Film wiederum als Montage mit Erzähler aus dem Off ab. Es wäre ohnehin dasselbe wie in Avatar 1 und 2 gewesen.

Spannung kommt auch deshalb nicht auf, weil die Figuren unsterblich scheinen, zumindest alle vor der Dreistundenmarke und insbesondere jene mit Nachnamen Sully. Seit der Wiederauferstehung von Quaritch ist schließlich selbst der Tod reversibel.

Die Flugdrachen des bisher nie gesehenen Mangkwan-Clan gehören zu den visuellen Neuzugängen von „Avatar: Fire and Ash“.

(Bild: © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Die visuellen Effekte sind spektakulär. 3132 von 3382 Einstellungen stammen vom neuseeländischen Studio Wētā FX. Nur 11 Sekunden zeigen reinen Realfilm. Anders als der zweite Teil fügt der dritte aber kaum etwas Neues hinzu. Ein Drittel der Effektszenen hat Feuer als wichtiges Element. Wenn der Mangkwan-Clan den Ton angibt, ändert sich die Farbpalette ins Rötliche, das sich vor einem im Übrigen aschfahlen Grundton abhebt. Auch deren eindrucksvolle Flugdrachen waren bisher nicht gesehen.

Ein weitgehend aus dem zweiten Teil übernommener Subplot rollt indes die komplette Walfangstory wieder auf. Zweidrittel der Effektszenen spielen im Meer mit den bekannten Tieren und Vehikeln über und unter Wasser.

Man merkt dem Film an, dass Wētā FX lediglich Wochen nach Fertigstellung des zweiten Teils mit der Arbeit am dritten begann. Die Szenen in der Luft samt gelbrotem Flugdrachen stammen wiederum aus dem ersten Teil. So fühlt sich „Avatar: Fire and Ash“ streckenweise nicht wie eine Fortsetzung an, sondern eher wie ein Remake.

Weite Teile des Films kopieren Einstellungen und Handlung des zweiten Teils „Avatar: The Way of Water“.

(Bild: © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Man sollte meinen, dass eine finanziell derart durch die Decke gehende Reihe die Popkultur beherrscht wie einst der Krieg der Sterne: mit Filmplakaten und Spielzeug in jedem Kinderzimmer, Parodien und Verweisen in Comedysendungen, mit Comics, Romanen, Fan-Fiction und wilden Spekulationen auf Reddit und dem Schulhof über die weniger hell beleuchteten Ecken des Avatar-Universums. Aber nichts dergleichen.

Absolut jeder kennt Darth Vader. Selbst eingefleischte Kinogänger können aber vermutlich nicht die Avatar-Protagonisten auf Anhieb mit Namen nennen, geschweige denn deren Kinder, den bösen Colonel und seine Schergen. Welche Rolle die von Sigourney Weaver verkörperte Figur spielt, muss „Fire And Ash“ noch einmal aus einem früheren Film kopieren.

Das hat Gründe. Die Handlung der Filme dient lediglich dazu, die effektgeladenen Actionsequenzen lose zu verbinden. Die Charaktere sind so schablonenhaft wie möglich und haben nicht mehr Tiefe als eine Regenpfütze. Das Publikum passt sich an, genießt die Bilder und rollt bei den Dialogen gelegentlich mit den Augen. Avatar ist in der Konsequenz kulturell wenig.

Die Wale habens satt und halten Kriegsrat mit den Metkayina.

(Bild: © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Der erste Avatar-Film setzt mit virtueller Produktion, dem Verbinden von Realfilm und digitalen Effekten live am Set, Maßstäbe für kommende Blockbuster. Mehr Rechenleistung als je zuvor und nicht zuletzt die künstlerische Virtuosität der Effektspezialisten brachten im Jahr 2009 eine fremde Welt Pandora auf die Leinwand, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. In den Star-Wars-Prequels waren digitaler Hintergrund und reale Schauspieler noch seltsam getrennt voneinander. Technisch war Avatar ein Meilenstein.

Die vollständig digitale Fortsetzung fügt dem wenig Neues hinzu. Das Publikum hat sich an das 3D-Spektakel gewöhnt. Zwar machen alle Oh und Ah, als hätte man einen Aquarienbildschirmschoner vom Grabbeltisch des Warenhauses mitgebracht, und die Familie sieht erstmals hübsche Fische statt „3D Pipes“.

Aber wie der blaue Fisch heißt, was er vom Leben will, worum er sich sorgt und wieso er traurig ist, interessiert kaum. Er berührt das Publikum nicht und regt seine Fantasie nicht an. Das Spektakel steht für sich. So rauscht es vorbei und ist bald vergessen. Nur die hübschen Bilder bleiben.

(akr)