Rollender Roboter-Steppenläufer nutzt Wind zur Fortbewegung – und fliegt

Roboter Hermes hat einen Steppenläufer als Vorbild und wird von Wind angetrieben. Der Roboter funktioniert sogar noch effizienter als das biologische Vorbild.

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Steppenläuferoboter neben seinem biologischen Pendant

Der Steppenläufer-Roboter wird effizienter vom Wind angetrieben als sein biologisches Pendant.

(Bild: S. Manoharan)

Lesezeit: 3 Min.

In Western-Filmen rollen sie immer wieder mal durchs Bild: Steppenläufer oder auch Bodenroller genannt, sind abgestorbene Pflanzen, die sich vom Wind angetrieben rollend durch die Gegend bewegen, um so ihren Samen zu verteilen. Wissenschaftler der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) haben diese Fortbewegungsart auf einen kugelförmigen Roboter namens Hermes (Hybrid Energy-efficient Rover Mechanism for Exploration Systems – Hermes) übertragen. Der zur Exploration von geologischen Flächen konzipierte Roboter wird vom Wind zum Rollen gebracht, kann jedoch auch Hindernisse fliegend überwinden.

Steppenläufer, chaotische kugelförmige Gebilde aus pflanzlichen Zweigen, erzeugen mehr Luftwiderstand als feste Kugeln und werden deshalb durch Wind besser vorangetrieben. Wie das funktioniert, wollten die Forscher der EPFL herausfinden, um das Prinzip auf einen Roboter anzuwenden, der sich energieeffizient fortbewegen kann. Die Wissenschaftler begannen damit, die Aerodynamik von Steppenläufern mithilfe von numerischer Strömungsmechanik zu ergründen, wie sie in der Studie „Tumbleweed-inspired robots with hybrid mobility for terrestrial exploration“ schreiben, die in Nature Communications erschienen ist.

Die Wissenschaftler stießen bei ihren Untersuchungen auf eine strukturelle Besonderheit der Steppenläufer. Sie sind an der Oberseite zu 60 Prozent porös, an der Unterseite zu 40 Prozent. Diese Asymmetrie verändert die Nachlaufdynamik und führt zu einer deutlichen Erhöhung des Druckwiderstandes.

„In aufrechter Position ließ die porösere obere Hälfte den Luftstrom ungehindert durchströmen. Im Gegensatz dazu war die untere Hälfte dichter und bot somit einen größeren Widerstand“, schreiben die Forscher in der Studie. Liegt der Steppenläufer in umgekehrter Position, dann drückt der dichtere Bereich die Luft um seinen Umfang. Der poröse untere Teil erzeugt dabei „ein doppellappiges Nachlaufmuster“.

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Obwohl der Steppenläufer 50 Prozent durchlässiger ist als eine feste Kugel, erzeugt er mehr Windwiderstand bei Windgeschwindigkeiten ab 12 m/s. Je nachdem, wie herum die Kugel liegt, erzeugt sie orientierungsabhängige Auftriebskräfte. Dadurch kommt es zu dem charakteristischen Rollverhalten. Bei schwachem Wind schlagen die Steppenläufer etwa Saltos, bei hohen Windgeschwindigkeiten springen sie.

Auf Grundlage der gesammelten Erkenntnisse entwarfen die Forscher leichtgewichtige kugelförmige Schalen unterschiedlicher Porosität und nutzten sie als Grundgerüst für ihren Roboter. Bereits bei Windgeschwindigkeiten von 1m/s funktionierte die künstliche Struktur besser als das biologische Vorbild und erzeugte hohe Windwiderstandskräfte.

Im Inneren der Kugel fixierten sie einen Quadkopter, um die passive Fortbewegung bei Bedarf zu unterstützen, etwa um Hindernisse dann fliegend mit dem Propellerantrieb des Quadkopters zu überwinden oder im Gelände nicht stecken zu bleiben. Die Wissenschaftler implementierten vier Modi: eine Bewegung, um sich im Gelände neu ausrichten zu können, Drehen für Richtungsänderungen, Gleiten zur Fortbewegung in Bodennähe und einen Flugmodus zur Überwindung von Hindernissen.

Der Roboter konnte so im passiven Modus rollen, ohne dabei Energie zu verbrauchen. Mittels kurzer Motorimpulse zwischen 0,25 und 0,5 Sekunden ändert er seine Richtung zwischen 25 und 50 Grad. Oder er nutzt einen längeren Impuls, um seine Bewegung wieder in Gang zu bringen. Im Labor verglichen die Forscher in einem labyrinthartigen Parcours Hermes mit einem ausschließlich aktiv angetriebenen Roboter ähnlicher Bauart. Der Hermes-Roboter benötigte dabei 48 Prozent weniger Energie und war 37 Prozent schneller.

Die Forscher sehen das Einsatzgebiet des von Wind angetriebenen Roboters vor allem bei explorativen Langzeit-Missionen im Freien – etwa für Kartierungsarbeiten.

(olb)