Internet Governance: Das IGF bekommt ein dauerhaftes UN-Mandat
Die Vereinten Nationen haben sich am Mittwoch in New York darauf verständigt, das Internet Governance Forum (IGF) als ständige UN-Institution einzurichten.
Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) am Dienstag vor der UNO-Generalversammlung in New York.
(Bild: BMDS/Woithe)
Die Generalversammlung der Vereinten Nation hat das Internet Governance Forum (IGF) nach zwanzig Jahren zu einer permanenten Institution erklärt. Am Mittwochnachmittag nahmen die Mitgliedsstaaten in einer bemerkenswert kurzen Sitzung die Abschlusserklärung zur Überprüfung der Umsetzung der Ergebnisse des Weltgipfels der Informationsgesellschaft (WSIS) an.
Damit bleibt die Verwaltung des globalen Internets ein sogenannter Multi-Stakeholder-Prozess, an dem neben den Regierungen auch Vertreter aus Forschung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft beteiligt sind. Das Verfahren war vor 20 Jahren bei den ersten beiden World Summits on the Information Society (WSIS) in Genf und Tunis beschlossen worden.
Wie von vielen Beobachtern erwartet, einigten sich die seit zwei Jahren verhandelnden Delegationen ohne Probleme darauf, das beim Gipfel in Tunis begründete Internet Governance Forum (IGF) zu einer permanenten Institution zu machen. Die „Gruppe der 77”, in der sich zahlreiche Länder der südlichen Halbkugel zusammengeschlossen haben, die USA, Argentinien, Israel und weitere Länder distanzieren sich allerdings von Teilen der wortreichen Abschlusserklärung.
Anerkennung des IGF
Mit dem Beschluss verbunden ist die Anerkennung, dass das vor zwei Jahrzehnten als Jahreskonferenz geplante Forum zu einem beachtlichen Netzwerk gereift ist. In 170 Ländern und Regionen – auch in Deutschland und Europa – gibt es mittlerweile lokale Ausgaben, in denen über jeweils anstehende digitalpolitische Themen diskutiert wird, alles ganz „Multi-Stakeholder“.
Wie viel Geld die Vereinten Nationen aus dem eigenen Budget zur Verfügung stellen, ist noch nicht geklärt. Deutschland spendiert dem IGF immerhin eine Million Euro, die Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) mitgebracht hat. „Wir sind hier, um unser Engagement für das freie, offene und interoperable Internet zu bekräftigen”, sagte Wildberger am Dienstag vor der UN-Vollversammlung in New York.
Das dauerhafte Mandat für das IGF sei einer der großen Fortschritte der WSIS-Nachfolgekonferenz (WSIS+20), teilte Völkerrechtler und Internet-Governance-Experte Wolfgang Kleinwächter aus New York mit. Das Ergebnis sei auch eine Bestätigung der „idealistischen Absichten von Genf und Tunis und ein kleines Licht der Hoffnung“.
Der Zugang zum Internet und zu digitalen Diensten für jedermann und die dazu notwendige Überbrückung der „digitalen Kluft“ bleibt eine unerledigte und daher in der WSIS+20-Erklärung fortgeschriebene Aufgabe. Laut Zahlen der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) sind 94 Prozent der Bevölkerung der reichsten Länder online, aber nur 23 Prozent der ärmsten Länder.
Für das Versprechen des universellen Zugangs hätten sich die Gruppe der 77 (G 77) mehr finanzielle Zusagen oder die Einrichtung Task Force für die Finanzierung gewünscht. „Wir bedauern, dass man Finanzierungsmethoden nicht ernster angegangen ist. Für die Umsetzung der WSIS-Ziele ist das die Kernfrage“, mahnte auch Anriette Esterhuysen von der Association for Progressive Communication.
Videos by heise
USA und Russland mit Änderungswünschen
Die meisten StreichwĂĽnsche am Text hatte die US-Delegation angemeldet. Das betraf Themenbereiche wie Klimawandel, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion. Geht es nach der US-Regierung, sollten sich die Vereinten Nationen ganz aus der Digitalpolitik und der Internet Governance heraushalten.
DemgegenĂĽber forderte die russische Delegation, wie immer erfolglos, eine Verschiebung der digitalpolitischen Handlungshoheit in Richtung Vereinte Nationen und ITU. Ein Dorn im Auge ist Russland schlieĂźlich die Nennung des Hochkommissars fĂĽr Menschenrechte im ausfĂĽhrlichen Kapitel zu den Grundrechten der Informationsgesellschaft.
Effektiv trotz Parallelprozessen?
Das am Mittwoch verabschiedete Dokument bemüht sich redlich, die parallel laufenden Prozesse – WSIS-Aktionslinien und Entwicklungsziele 2030, IGF-Netzwerk, Global Digital Compact Folgeprozess, UN-Büro für Digitales und neue Technologien – in eine Gesamtarchitektur zu stellen. Schon darauf, wie die beiden fürs IGF vorgesehenen Sekretariate in New York und Genf zusammenarbeiten werden, darf man gespannt sein.
Die Vielzahl neuer Gremien und Prozesse zur Digitalpolitik in der UN besorgt nicht nur Kritiker. Experten wie der Schweizer Diplomat Markus Kummer blicken mit einer gewissen Skepsis auf die neue Gesamtarchitektur. Kummer, einer der Urväter des WSIS-Prozesses, erinnerte daran, dass der Begriff „Internet Governance“ eigentlich alle digitalpolitischen Fragen einschließe. Das jetzt gestärkte IGF könnte für alle Fragen der zentrale Anlaufpunkt sein.
(vbr)