FreeBSD-Abkömmling MidnightBSD 4.0: Veraltet bei Release
MidnightBSD 4.0 ist erschienen. Das Desktop-System bringt neue Funktionen, hinkt der Entwicklung aber massiv hinterher.
(Bild: Bess Hamiti, gemeinfrei)
- Michael Plura
Die Entwickler rund um Lucas Holt haben MidnightBSD 4.0 freigegeben. MidnightBSD ist ein ursprĂĽnglich von FreeBSD 6.1 abgeleitetes BSD, das auf den Einsatz als Desktop-System fokussiert ist. Anfangs sahen die Entwickler einen auf GNUstep, Window Maker und GWorkspace basierenden grafischen Desktop vor, der MidnightBSD damals recht speziell und optisch schick erscheinen lieĂź. Seit 2021 sind sie auf den verbreiteten Xfce-Desktop umgestiegen.
(Alte) Neuigkeiten in MidnightBSD 4.0
Der Kernel unterstützt jetzt die W^X-Memory-Mapping-Policy für Benutzerprozesse. Diese Richtlinie ist standardmäßig nicht aktiviert, kann aber durch Setzen der sysctl-Variablen kern.elf32.allow_wx und kern.elf64.allow_wx eingeschaltet werden. Einzelne Programme können von dieser Richtlinie ausgenommen werden, indem sie mit elfctl(1) über die Funktion wxneeded entsprechend gekennzeichnet werden.
Die Funktion des Automount-Daemon amd(8) übernimmt nun autofs(5). NFS-Client und -Server unterstützen jetzt NFSv4.2, Extended Attributes sowie NFS über TLS, wobei für TLS zusätzliche Userland-Daemons mit einer KTLS-fähigen OpenSSL neu gebaut werden müssen. Außerdem erlaubt der NFS-Server bei -maproot und -mapall nun mehr als 16 Gruppen, und mit nfsv4_server_only=YES kann ein reiner NFSv4-Server ohne rpcbind(8) betrieben werden. Für einige moderne Intel-Netzwerkkarten sind Treiber hinzugekommen.
Durch mports(8) nicht kompatibel zu FreeBSD
Die Entwickler von MidnightBSD verwenden eigene Repositories und einen dazugehörigen Paket- und Port-Manager namens mport(8). Er wurde auf Version 2.7.3 aktualisiert und bietet nun besseres Fehler-Handling, schönere Terminalfarben und neue Prüf-/Reparaturfunktionen (mport verify).
Das native FreeBSD nutzt pkg(8) als binären Paketmanager, der vorgebaute Pakete aus offiziellen Repositories installiert, aktualisiert und entfernt. Die Ports-Sammlung erlaubt es dagegen, eben diese Software aus Quellcode mit eigenen Optionen zu bauen, wobei pkg(8) die daraus erzeugten Pakete anschließend wie gewohnt verwalten kann. Mit Poudriere lässt sich das unter nativem FreeBSD leicht automatisieren, während MidnightBSD auch hier mit Ravenports einen anderen und in der Praxis leider steinigen Weg beschreitet.
Die GPL-Versionen von grep(1) und des Device Tree Compiler dtc(1) wurden durch BSD-lizenzierte Varianten ersetzt und können so ohne Lizenzbestätigung automatisch installiert werden. Das historische Werkzeug ctm(1) (CVS-through-Mail), mit dem in Urzeiten Quellcode-Updates von BSD-Systemen per E-Mail-Diffs verteilt und eingespielt wurden, ist aus dem Basissystem in die mports verschoben worden.
MidnightBSD hinkt der FreeBSD-Entwicklung leider massiv hinterher
Spätestens bei der Ankündigung, dass ZFS von der nativen (in FreeBSD 12 verwendeten) auf die OpenZFS-Variante umgestellt wurde, wird klar, wie weit MidnightBSD der aktuellen Entwicklung hinterherhinkt:
zfs version
zfs-2.1.15-FreeBSD
zfs-kmod-2.1.15-FreeBSD
Auch die Midnight-Implementation von Intel Speed Shift wurde in Windows und Linux bereits vor einer Dekade implementiert, FreeBSD selbst nutzt es seit November 2018 (FreeBSD 12). Insgesamt befindet sich MidnightBSD 4.0 damit irgendwo auf dem Stand von FreeBSD 13.5, das im April nächsten Jahres EoL sein wird. Die Installation ist in der Praxis problematisch, und auch die eigene mport(8)-Paketverwaltung zusammen mit Ravenports läuft nicht immer rund:
mport upgrade
Segmentation fault
Mit GhostBSD und NomadBSD gibt es zwei aktuelle Live-Systeme auf Basis von FreeBSD, die sich auch leicht fest installieren lassen. In Kürze werden beide auf FreeBSD 15 aktualisiert. MidnightBSD 4.0 ist darüber hinaus kein Live-System, das man vor der Installation ausprobieren kann, sondern ein Installer für ein BSD mit grafischem Desktop. Das kann ein natives FreeBSD mit dem Paket desktop-installer(1) ebenfalls – und sogar zuverlässiger und flexibler.
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Ausblick
Im Dezember 2005 begann Lucas Holt mit der Entwicklung der wohl ältesten FreeBSD-Distributionen, die er nach seiner Katze Midnight benannte. Zwanzig Jahre später wirkt MidnightBSD leider ein wenig wie gefangen im Dornröschenschlaf. Schade, denn es stecken offensichtlich viel Arbeit und einige gute Ideen in dem System. MidnightBSD 4.0 ist ab sofort kostenlos auf der Projektseite verfügbar.
(fo)