39C3: Kampf gegen den gläsernen Menschen: Kenias Bevölkerung kippt Datensammlung
Ein Gesetz in Kenia sollte intime Daten sammeln und wurde von der Bevölkerung gekippt. Mustafa Mahmoud Yousif erklärt auf dem 39C3, warum der Kampf weitergeht.
(Bild: CC BY 4.0, media.ccc.de)
„Hatu Panguingui“ – Wir lassen uns nicht sortieren. Ein Slogan, der die Zivilbevölkerung in Kenia im Kampf gegen ein übergriffiges, digitales Identitätssystem der kenianischen Regierung begleitete. Auf dem 39. Chaos Communication Congress in Hamburg erzählte Mustafa Mahmoud Yousif die Geschichte seines Landes hinsichtlich der aktuellsten Entwicklungen in Bezug auf die digitale Identität und den Datenschutz. Er gibt dazu spannende Einblicke in die Identitätsbildung der Menschen durch die vom Kolonialismus geprägte Geschichte.
Massendatenspeicherung
Das neue Gesetz „National Integrated Identity Management System“ (NIMS) – im Volksmund „Huduma Number“ – sollte neben gängigen Personendaten auch solche wie Familienstatus und sogar DNA speichern. Um es durchzusetzen, wollte die damalige Regierung nur noch registrierten Personen Zugang zu staatlichen Leistungen gestatten. Mit großangelegten Kampagnen auf Social Media, die die Bevölkerung sensibilisierten, einer Online-Kampagne, bei der sich schließlich 10 Millionen Menschen gegen das Gesetz aussprachen und Gerichtsprozessen, die dazu führten, dass die Regierung nur noch auf freiwillige Registrierungen setzen konnte, wurde das Gesetz 2024 gestoppt. Eine neu gewählte Regierung bezieht nun die Zivilbevölkerung mehr in den Prozess ein.
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Doch der Kampf ist noch nicht vorbei. Das „digitale Öl“ ist nach wie vor ein verlockendes Mittel, um Geld zu verdienen. Umso wichtiger ist für Yousif der Kampf für den Datenschutz und gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Mit seiner Geschichte will Yousif ermutigen: Datenhunger kann von einer wehrreichen Bevölkerung, die er auch als nationale Intelligenz bezeichnet, gestoppt werden, wie die Geschichte Kenias zeigt.
Historische Belastung
Identität ist für jeden Menschen ein Thema, aber in Kenia besonders belastet. So erzählt Yousif, wie die Briten als Kolonialmacht die Bewegungsfreiheit der einzelnen Menschen durch Aufteilung des Landes in 42 Stammesgebiete einschränkten. Jeder Bürger musste eine sogenannte „Kipande“ mit sich führen, ein Schriftstück, das ihn einem Stamm und Gebiet zuordnete. Die Kommunikation zwischen den Stämmen wurde so eingeschränkt, dass ein gemeinsamer Aufstand gegen die Besatzungsmacht kaum möglich war. Dazu wurden Minderheiten schnell diskriminiert, was sich auch in den darauffolgenden Zeiten kaum veränderte. Umso wichtiger ist Yousif der Kampf in der Gegenwart. Als Teil einer Minderheit setzt er sich besonders für die Bevölkerungsgruppen ein, die Diskriminierung erlebt haben oder zu befürchten haben.
Wer die gesamte Geschichte dieses Kampfes für digitale Gleichberechtigung und dem Schutz personenbezogener Daten in Kenia hören möchte, findet sie auf der Seite des Kongresses auch mit deutscher Übersetzung zum Ansehen oder Download.
(cbr)