Wikileaks veröffentlicht Irak-Protokolle

Wikileaks hat gemeinsam mit internationalen Medien Dokumente aus dem Irak-Krieg der Jahre 2004 bis 2009 veröffentlicht, die unter anderem bisherigen Angaben über zivile Opfer widersprechen. In London nahm Wikileaks-Gründer Assange Stellung zur Veröffentlichungsaktion; Kritik kam von US-Außenministerin Clinton.

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Von
  • Detlef Borchers

Erneut hat WikiLeaks gemeinsam mit großen internationalen Zeitungen und Fernsehstationen skandalträchtige Papiere über amerikanische Kriegspraktiken an die Öffentlichkeit gebracht.

Die Online-Plattform für politische Indiskretionen Wikileaks hat in Zusammenarbeit mit etlichen Medienpartnern 391.832 Dokumente im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg aus den Jahren 2004 bis 2009 veröffentlicht. "Diese Veröffentlichung ist ein Akt der Wahrheit", erklärte Wikileaks-Gründer Julian Assange auf der ins Internet gestreamten Pressekonferenz, die heute in London stattfand. "Sie zeigt, dass der Angriff auf die Wahrheit lange vor dem Krieg erfolgt und noch länger anhält. Aber wir brauchen nicht 40 Jahre und länger darauf zu warten, dass die Archive geöffnet werden, wir haben Wikileaks."

Assange nannte die Zahlen von 109.000 Toten, darunter 66.000 Zivilisten, die von Wikileaks in Zusammenarbeit mit dem Bureau of Investigative Journalism und dem Projekt Iraq Body Count ermittelt wurden. Die offiziellen Angaben des US-amerikanischen Militärkommandos sprechen von rund 40.000 Zivilisten.

Gegenüber den Militärberichten aus Afghanistan vor drei Monaten, an deren Veröffentlichung der Spiegel, der Guardian und die New York Times beteiligt waren, konnte Wikileaks erheblich zulegen, was die Zahl der Medienpartner anbelangt. Neben dem Spiegel, dem Guardian und der New York Times sind diesmal auch der Fernsehsender Al Jazeera und die Jerusalem Post dabei, außerdem das schwedische Fernsehen, der britische Channel 4 und BBC Radio.

Trotz der sehr unterschiedlichen Aufbereitung der Dokumente durch diese Medien wird deutlich, dass vor allem die Diskussion über Folter und kriegswidrige Tötungen im Irak neue Nahrung bekommt. In der Pressekonferenz betonte Assange, dass die Dokumente "Beweise für Kriegsverbrechen" enthalten würden. Nach Darstellung des Guardian haben die US-Militärs insbesondere Berichte über Folter, Vergewaltigung und Mord ignoriert, die von irakischen Truppen und der irakische Polizei ausgingen. Insgesamt sollen über 300 Vorfälle dieser Art dokumentiert sein. Auch sollen die Einsatzberichte der US-Truppen belegen, dass Gegner getötet wurden, obwohl sich diese zuvor ergeben hatten.

US-Außenministerin Hillary Clinton kritisierte die Veröffentlichung der Irak-Papiere durch Wikileaks und die internationalen Medien; die Aktion gefährde das Leben von Soldaten und bedrohe die nationale Sicherheit der USA sowie ihrer Verbündeten.

(Bild: Whitehouse.gov)

In einer ersten Reaktion auf die Veröffentlichung der Dokumente hat US-Außenministerin Hillary Clinton empört reagiert. Der Schritt gefährde Leben, erklärte sie. Die nationale Sicherheit der USA und die ihrer Verbündeten seien bedroht. Genau diesem Eindruck traten die Journalisten des Guardian auf der Pressekonferenz entgegen. Zitiert wurde ein Brief des US-Verteidigungsministers Gates zu den Afghanistan-Dokumenten, in denen dieser die Veröffentlichung als Harmlos einstufte.

Im Rahmen der Pressekonferenz zeichnete der ehemalige britische Botschafter Craig Murray den Wikileaks-Sprecher Julian Assange mit dem bereits im August verliehenen Samual Adams Award for Integrity in Intelligence aus. Bei YouTube ist eine Aufzeichnung der Londoner Veranstaltung in drei Teilen abrufbar: Teil 1, Teil 2 und Teil 3. (psz)