Strom aus dem Luft-Karussell

Das US-Start-up Makani Power entwickelt Flugdrachen, die aus Windenergie Strom erzeugen. Bereits 2015 könnten sie auf den Markt kommen.

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Von
  • Steffan Heuer

Das US-Start-up Makani Power entwickelt Flugdrachen, die aus Windenergie Strom erzeugen. Bereits 2015 könnten sie auf den Markt kommen.

Eine steife Brise ist für Corwin Hardham privat wie geschäftlich immer eine gute Nachricht. Der Geschäftsführer und Mitgründer von Makani Power im kalifornischen Alameda surft regelmäßig von seinem Wohnort in San Francisco auf die andere Seite der kabbeligen Bucht zur Arbeit im Tower eines alten Militärflughafens. Auf dessen stillgelegtem Rollfeld testet das Start-up-Unternehmen sein Produkt: einen Drachen mit ausgefeilter Bordelektronik, der an einer langen Leine in 300 bis 500 Metern Höhe kreist und dabei Energie erzeugt – und zwar nach Angaben der Firma erheblich effizienter und deswegen preiswerter als herkömmliche Windkraftanlagen.

Stromerzeugung per Drachen ist keine grundlegend neue Idee. Aber während viele andere Start-ups nie über Konzeptskizzen hinauskommen, zum Beispiel weil sie Fluggeräte in mehreren Tausend Metern Höhe im Jetstream einsetzen wollen, fliegen Makanis Drachen bereits regelmäßig Test-einsätze in Hawaii und Kalifornien. "In diesem Jahr haben uns die Tests so gute und verlässliche Resultate geliefert, dass wir uns an die Öffentlichkeit wagen", erklärt Hardham, der die Firma 2006 mit zwei anderen begeisterten Kite-Surfern gegründet hat.

Der inzwischen siebte Prototyp, an dem Hardhams Team in Alameda schraubt und feilt, besteht aus einem Carbon-faser-Flügel mit acht Metern Spannweite, in dem sich ein eigens entwickeltes Avionik-System befindet und an dem drei Propeller angebracht sind. Die Generatoren erzeugen auch bei schwachem Wind Strom, der über ein patentiertes, in die Leine integriertes Kabel an den Boden geleitet wird.

Das Gerät hat eine Leistung von 20 Kilowatt und wiegt gerade einmal 50 Kilogramm, aber das ist erst der Anfang. "Bis 2012 werden wir die kommerzielle Version mit einem Megawatt Leistung in der Luft haben, bis 2015 soll das Produkt auf den Markt kommen", sagt Hardham. Der ausgewachsene Drachen wird eine Spannweite von 35 Metern besitzen und rund zwei Tonnen wiegen. Dazu kommt ein vier Zentimeter dickes Halte- und Leitungskabel mit einer weiteren Tonne Gewicht, das Makani entwickelt hat. Es muss elastisch und stark genug sein, um Kräfte von bis zu einem Meganewton aufzunehmen. In den ersten Testversionen hatten die Ingenieure der Firma Kupferkabel mit Kletterseilen verflochten, die neue Version ist nach Firmenauskunft bedeutend raffinierter, aber noch geheim.

"Wir haben drei Patente auf das Kabel angemeldet, denn die optimale Kombination von Zugkraft, Dehnbarkeit und Gewicht war nicht einfach zu finden", erklärt Hardham. Sein Unternehmen hat das Drachen-Kraftwerk bei Windgeschwindigkeiten bis zu 50 km/h praktisch getestet und den Betrieb am Rechner mit bis zu 240 km/h simuliert.

Die Vorzüge von Makanis Drachen liegen im Vergleich zu einem herkömmlichen Windkraftwerk in seiner Reichweite, Flexibilität und geringen Masse. Je höher die fliegende Windkraftanlage am Himmel platziert wird, desto kräftiger weht der Wind und desto größer ist die Energieausbeute. So schätzt der Windenergie-Experte Ken Caldeira von der Carnegie Institution in Stanford, dass fliegende Generatoren einen Nutzungsgrad von 60 bis 80 Prozent erreichen, während herkömmliche Anlagen am Boden oder offshore auf nicht mehr als 30 bis 40 Prozent kommen.

Um das Fluggerät zu starten, wird es vom Boden aus mit Druckluft angeströmt. Sobald der natürliche Wind genug Auftrieb erzeugt, steigt das Fluggerät wie ein Kinderdrachen auf die gewünschte Flughöhe, um dann in eine elliptische Flugbahn einzuschwenken. Start, Steigflug und das Kreisen auf der Ellipse werden je nach Windstärke und -richtung von einer Software gesteuert. Sobald eine Flaute eintritt oder ein Unwetter aufzieht, soll das Steuerungssystem den Drachen zu Boden lenken und sicher landen – ein Problem, das die Firma bislang nur teilweise gelöst hat. Noch werden die Drachen mit einer Art Seilwinde eingeholt und manuell gelandet.

Der Ein-Megawatt-Drachen kann im Jahresdurchschnitt dieselbe Leistung erzeugen wie eine herkömmliche Zwei-Megawatt-Anlage, rechnet Hardham vor, bei einem erheblich geringeren Aufwand an Ressourcen und Installation. Der Mast einer entsprechend großen konventionellen Wind-mühle bestünde aus 400 Tonnen Beton, bräuchte einen Kran zur Installation, und auch die Wartung sei erheblich aufwendiger. Die Basisstation des Makani-Drachens, so Hardham, komme dagegen mit 100 Tonnen Beton oder als Offshore-Version mit einer am Meeresgrund verankerten Boje aus. "Die Generatoren sind mit 200 Kilogramm noch die schwersten Komponenten bei unserem System", erklärt Hardham. "Die lassen sich leicht mit einem Lastwagen oder einem Boot heranschaffen."

Das Start-up hat für seine vollautomatische Version Stromversorger als Kunden im Visier. Diese sollen Dutzende oder Hunderte der Drachen als Windfarm installieren. "Unser System rechnet sich als großer Windpark, nicht als einzelne Anlage für eine Gemeinde", sagt der Gründer. In einer Modellrechnung seines Unternehmens für Investoren fällt die Stromerzeugung in einem 100-Megawatt-Park mit 100 Drachen über einen Betriebszeitraum von 20 Jahren rund 40 Prozent preiswerter aus als der Betrieb einer gleich großen herkömmlichen Windfarm.

Google setzt bereits auf die neue Technologie und hat 20 Millionen Dollar in das Start-up investiert – als Teil seines "RE<C" genannten Programms, das ein ehrgeiziges Ziel verfolgt: Aus erneuerbaren Energieträgern soll Strom billiger produziert werden als aus Kohle. Auch die US-Regierung hat das Projekt mit drei Millionen Dollar gefördert. Jetzt will Makani Power weitere 25 Millionen Dollar einwerben, um seinen Megawatt-Drachen zur Marktreife zu entwickeln. Halten Hardham und seine Mitstreiter den ehrgeizigen Terminplan ein, wird der Kite-Surfer bald in einer stärkeren Brise kreuzen. (bsc)