Hightech-Mikroskop für eine Handvoll Dollar

Eine Forschungsgruppe am Caltech hat ein winziges Mikroskop ohne Linsen entwickelt, das eine Auflösung von 0,75 Mikrometern schafft und bei der schnellen Diagnose von Malaria helfen könnte.

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Von
  • Christopher Mims

Eine Forschungsgruppe am Caltech hat ein winziges Mikroskop ohne Linsen entwickelt, das eine Auflösung von 0,75 Mikrometern schafft und bei der schnellen Diagnose von Malaria helfen könnte.

Mit einem Digitalkamera-Sensor für 1,50 Dollar haben Forscher am California Institute of Technology (Caltech) ein verblüffend simples und unschlagbar billiges Mikroskop gebaut. Das winzige Gerät, das ohne Linsen auskommt, könnte in ländlichen Regionen von Entwicklungsländern bei der Diagnose von Krankheiten helfen. Ebenso ließe es sich für schnelle Reihentests an neuen Wirkstoffen einsetzen.

Das Gerät besteht aus einem Netz mikrofluidischer Kanäle, durch die eine Flüssigkeitsprobe über den Lichtsensorchip geführt wird. Der macht währenddessen in schneller Folge Bilder von der Flüssigkeit. Anders als vergleichbare Ansätze benötigt dieses Mikroskop keine weiteren Teile – weder eine winzige Apertur noch einen elektrokinetischen Antrieb, um Zellen mit Hilfe eines elektrischen Feldes auszurichten.

„Es ist einfacher als alle Vorläufermodelle“, sagt David Erickson, Mikrofluidik-Experte an der Cornell University, anerkennend. Das liegt daran, dass die Flüssigkeit lediglich mit Hilfe von Druckunterschieden durch den Bildbereich bewegt wird. Die Bilddaten wiederum werden mit ausgeklügelten Algorithmen ausgewertet.

Wenn eine Blutprobe durch die Kanäle fließt, drehen die darin befindlichen Zellen sich der Länge nach – sie machen gewissermaßen langsame Purzelbäume. Auf diese Weise können sie vom darunter liegenden Sensorchip in allen möglichen Perspektiven aufgenommen werden. Diese vielen verschiedenen Ansichten helfen Ärzten, zum Beispiel Krebszellen aufzuspüren. Deshalb könne man sich hier das Präparieren von Blutproben auf Glasplatten sparen, sagt Changhui Yang, Leiter des Labors, in dem das Mikroskop entwickelt wurde.

Dessen Auflösung beträgt derzeit 0,75 Mikrometer – das entspreche einem Mikroskop mit 20-facher Vergrößerung, sagt Guoan Zheng aus der Caltech-Gruppe. Er hat das Projekt geleitet und ist Hauptautor des dazugehörigen Papers, das die Forscher im Journal Lab on a Chip veröffentlicht haben.

Die Pixel auf dem Sensorchip haben eine Kantenlänge von 3,2 Mikrometern. Ein spezieller Algorithmus setzt jeweils 50 Einzelaufnahmen zu einem hochauflösenden Bild zusammen, das einem Bildschirm mit einer Pixelbreite von nur 0,32 Mikrometern entspricht. Allerdings kann auch dieses Verfahren nur Details erkennen, die durch mindestens ein Pixel voneinander getrennt sind. Deshalb ist die effektive Auflösung doppelt so groß, nämlich 0,75 Mikrometer. Die Caltech-Forscher haben ihre Konstruktion deshalb SROFM getauft, für „Subpixel Resolving Optofluidic Microscope“.

Während der Aufnahmen wird immer nur ein Teil der Sensorfläche genutzt. Auf diese Weise schafft das von Zheng entwickelte Verfahren 300 Bilder pro Sekunden. Das bedeutet, dass nach der Verarbeitung eine hochauflösende Videosequenz mit sechs Einzelbildern pro Sekunde herauskommt.

Mit einem empfindlicheren CMOS-Sensor ließe sich die Auflösung sogar noch weiter steigern, sagt Seung Ah Lee, in der Zhang-Gruppe am SROFM mitgearbeitet hat. Sie hält eine Verdoppelung für möglich – sie würde einem Mikroskop mit 40-facher Vergrößerung entsprechen. Damit könnten die Wissenschaftler dann auch die Verformungen der roten Blutkörperchen erkennen, die eine Malaria-Infektion verraten. Wollen Ärzte etwa in Afrika Blutproben auf Malaria-Erreger testen, sind sie derzeit auf herkömmliche optische Mikroskope angewiesen – vorausgesetzt, es ist überhaupt eines vorhanden. Zudem braucht es einige Übung, um die Analyse vorzunehmen.

Aydogan Ozcan, der an University of California in Los Angeles an einem ähnlichen Miniatur-Mikroskop arbeitet, lobt die Arbeit der Caltech-Forscher: Sie sei „ein wichtiger Fortschritt für die optofluidische Mikroskopie“. Der Ansatz habe allerdings auch Grenzen. Die Kanäle müssten einerseits schmal genug sein, um nur ganz bestimmte Partikelgrößen in einer Flüssigkeit dirigieren zu können. Andererseits müsste sie breit genug sein, um auch noch das größte Teilchen in einer Probe transportieren zu können.

Ozcan selbst verzichtet deshalb auf mikrofluidische Kanäle. Stattdessen nimmt der Chip in seinem Gerät eine Art „Hologramm“ auf: ein Interferenzmuster, das entsteht, wenn LED-Licht durch die Probe fällt. „Meines Erachtens können sich aber beide Ansätze ergänzen“, sagt Ozcan. Am Ende der Entwicklung, hofft er, könnte wirklich ein billiges, Handy-basiertes Diagnose-Werkzeug für Entwicklungsländer herauskommen.


Das Paper:
Zheng, G. et al., „Sub-pixel resolving optofluidic microscope for on-chip cell imaging“, Lab on a Chip, DOI: 10.1039/C0LC00213E, 29.9.2010 (Abstract) (nbo)