Billboard 2004: Keine Richtungswechsel in US-Urheberrechtspolitik

RIAA-CEO Mitch Bainwol machte auf der Billboard Digital Entertainment Conference deutlich, dass er ein Verbot von Tauschbörsen für unausweichlich hält.

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Von
  • Janko Röttgers

"Am liebsten würde ich einfach nur Betamax rufen und aus dem Saal stürmen", scherzte Hollywood Reporter-Journalistin Chris Marlowe am Freitag auf der Billboard Digital Entertainment Conference in Los Angeles. Anlass dafür war eine von ihr moderierte Diskussionsrunde zum Einfluss der Politik auf die digitale Entertainment-Wirtschaft. Die Anspielung auf den Videorecorder der frühen Achtziger brachte eine Kontroverse auf den Punkt, mit der sich seit zwei Jahren P2P-Anbieter, Musikindustrie und Politik in den USA beschäftigen: Sind Tauschbörsenporgramme wie Videorecorder Technologie mit legalen Nutzungsmöglichkeiten – oder Teil eines auf Urheberrechtsbruch aufbauenden Businessplans?

Michael Weiß vom Morpheus-Anbieter Streamcast Networks berief sich darauf, dass US-Gerichte in den vergangenen zwei Jahren Tauschbörsen-Anbieter über mehrere Instanzen von der Verantwortung für die Taten ihrer Nutzer frei gesprochen haben. RIAA-Chef Mitch Bainwol zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass der von der Entertainment-Wirtschaft angerufene Oberste Gerichtshof der USA diesen Entscheidungen widersprechen werde.

Prinzipiell sei P2P-Technologie nicht verkehrt, so Bainwol. "Es ist wie mit Cholesterin – man muss gutes von schlechtem trennen." Bainwol machte keinen Hehl daraus, dass er Morpheus für einen Vertreter der schlechten P2P-Angebote hält. "Sie zerstören Lebensentwürfe", warf er Weiß vor. Streamcast klaue Künstlern das Essen vom Tisch. Weiß hielt dagegen, indem er rhetorisch fragte: "Warum gibt es bei den Billboard Awards eigentlich keine Kategorie für den Sündenbock des Jahres?" Die Verkaufszahlen der Musikindustrie würden derzeit wieder wachsen, obwohl P2P-Angebote unvermindert populär seien.

Bainwol erklärte, notfalls Lobbyarbeit für eine Gesetzesänderung betreiben zu wollen, wenn der Oberste Gerichtshof den Fall nicht annehme. Im Herbst hatten US-Politiker bereits unter Federführung des US-Senators Orrin Hatch versucht, ein Gesetz zum Verbot von Tauschbörsen zu verabschieden. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am breiten Widerstand der Technologiefirmen. Nachdem Hatch nun aus dem Senat ausgeschieden ist, rechnet Bainwol nicht mit einer Neuauflage des Gesetzes in den nächsten sechs Monaten. Letztlich halte er ein Verbot freier Tauschbörsen jedoch für unausweichlich.

Schärfere Gesetze gegen P2P-Anbieter und Nutzer erwartet auch der US-Kongressabgeordnete Howard Berman. "Der Kongress wird dieses Thema nicht ignorieren", prophezeite er. Berman gilt als einer der treuesten Verfechter der Interessen der Entertainment-Industrie. Am vergangenen Dienstag wurde er als Kandidat der Demokraten für Südkalifornien wiedergewählt. Einen Richtungswechsel in Sachen Urheberrechtspolitik erwartet er auch durch die gewachsene Macht der Republikaner im US-Parlament nicht. Berman dazu: "Dies sind in vielen Fällen wirklich keine parteipolitischen Fragen." (Janko Röttgers) / (ad)