Breitband rasant

Rund zehn Jahre nach Einführung der ersten DSL-Anschlüsse knacken erste Angebote die 100-MBit/s-Marke. Die sind noch lange nicht überall verfügbar, die Provider bauen aber massiv aus. In den Städten werden schnelle Anschlüsse bald Standard und eröffnen neue Nutzungsmöglichkeiten.

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Von
  • Urs Mansmann
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Die Klage über zu wenig Bandbreite ist in den Ballungszentren verstummt, die Kunden können dort an den meisten Stellen bereits heute so viel Tempo bekommen, wie sie brauchen, ständig fallen neue Rekorde. Ein 16-MBit/s-Anschluss gilt bereits als behäbig, 32 MBit/s über die Kabelnetze und 50 MBit/s über VDSL-Zugänge als normal. Und die Kabelgesellschaften legen die Latte noch höher: 100 MBit/s bei Kabel Deutschland und KabelBW, 128 MBit/s bei Unitymedia. Dazu kommen Regional- und Lokalanbieter wie EWE-Tel, Netcologne oder Wilhelm.tel, die damit beginnen, ein eigenes Glasfasernetz zum Kunden auszubauen (siehe S. 106 ). Die Telekom hat ein Pilotprojekt mit Downstream-Geschwindigkeiten bis zu 200 MBit/s gestartet. Selbst in dörflichen Gegenden gibt es erste Glasfaserprojekte [1].

Kabel Deutschland bietet 100-MBit/s-Anschlüsse bereits in Hamburg, Hannover, Helmstedt, Kiel, Magdeburg und München an. Bis März 2011 will das Unternehmen auch Augsburg, Berlin, Dresden, Leipzig, Ludwigshafen, Nauen, Nürnberg, Potsdam, Saarbrücken und Würzburg versorgen. Auch Unitymedia steckt mitten in der Umrüstung und hat zahlreiche Städte mit 128 MBit/s versorgt. Am weitesten ist der Ausbau in Baden-Württemberg gediehen: KabelBW hat bereits das komplette Kabelnetz auf 100 MBit/s aufgerüstet.

Auf dem Land setzt man inzwischen vielerorts auf Funklösungen. Die Provider stehen mit LTE in den Startlöchern. Allerdings bleibt Funk von der Leistung her deutlich hinter dem Kabel zurück (siehe S. 106). Auf den ersten Blick hantieren die Mobilfunkprovider mit vergleichbaren Bandbreiten wie die DSL-Anbieter. Beim näheren Hinschauen bemerkt man dann aber, dass sich zahlreiche Kunden diese Bandbreite teilen müssen. Eine LTE-Zelle im 800 MHz-Band hat eine Gesamtkapazität von rund 75 MBit/s. Diese teilen sich alle Kunden innerhalb einer Zelle, in der Praxis vermutlich meist einige Dutzend bis einige Hundert, denn solche Zellen bauen die Mobilfunkanbieter vorrangig dort auf, wo der höchste Bedarf besteht.

Die Bandbreite von Internetanschlüssen nimmt stetig zu. Bislang ist noch kein Ende des Wachstums in Sicht.

Wie schon zu Beginn des DSL-Zeitalters fragen sich viele, wer denn derart große Bandbreiten benötigt und was sich damit anfangen lässt. Diese Frage existiert, seit es Breitbandanschlüsse gibt. Als die Telekom erstmals DSL mit 768 kBit/s bereitstellte, fanden sich sofort Zweifler, die ausrechneten, warum man diese Kapazität niemals werde ausschöpfen können, hatte doch der ISDN-Anschluss mit 64 kBit/s jahrelang voll und ganz ausgereicht.

Mit den 50 oder 100 MBit/s ist es ähnlich: Noch sind hochauflösende Videos mit 1080 Bildzeilen im Internet die Ausnahme, noch ist Material mit mehr als 24 Bildern pro Sekunde kaum verfügbar, noch steckt die 3D-Technik in den Kinderschuhen. Aber schon heute erweisen sich 25-MBit/s-Anschlüsse mitunter als zu langsam: Erste Kunden mit der kleineren VDSL-Variante klagen darüber, dass sie per IPTV nicht mehr als einen HD-Stream gleichzeitig betrachten können. Wenn die Zahl der HD-Programme zunimmt, werden vermutlich bald auch Inhaber von 50-MBit/s-Anschlüssen in das Klagelied einstimmen.

Auch anderswo wächst das Transfervolumen: PC-Applikationen werden immer mächtiger. Das regelmäßige Update für das iOS SDK beispielsweise umfasst über 3 Gigabyte. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob deren Übertragung mehrere Stunden oder wenige Minuten dauert. Und wer online ein modernes Computerspiel kauft, tut das nur, wenn der Download tatsächlich flotter vonstatten geht, als in den nächsten Laden zu spazieren und dort das Spiel auf DVD zu erwerben. Schon heute liegt das Download-Volumen moderner Spieletitel jenseits der 10-Gigabyte-Marke, Tendenz steigend.

Auch der Upstream wird immer wichtiger: Selbst gefertigte Bilder und Videos weisen immer höhere Auflösungen auf, die Dateien werden immer größer. Selbst mit einem ansonsten rasant schnellen 100-MBit/s-Anschluss dauert das Hochladen von 100 Fotos (500 Megabyte) über den 6-MBit/s-Upstream noch 11 Minuten, der Inhalt einer einlagigen DVD (4,7 Gigabyte) liegt erst nach einer Stunde und 45 Minuten auf dem Server.

Glasfaser- und VDSL2-Anbieter drosseln den Upstream, obwohl ihre Technik anders als ADSL oder TV-Kabel grundsätzlich symmetrisch ausgelegt ist. Sie haben offenbar Angst, dass Tauschbörsen-Uploads ihre Netze verstopfen könnten, wenn sie den Kunden zu viel Bandbreite im Upstream zugestehen. Außerdem fürchten sie, ihre teuren symmetrischen Geschäftskundenprodukte zu kannibalisieren.

Tauschbörsen als illegale Quelle von Uploads treten vom Gesamtvolumen her offenbar mehr und mehr in den Hintergrund. Illegales Tauschen von Musiktiteln ist diversen Studien zufolge schon seit 2003 im Rückgang begriffen. Bei Filmen spielen Streaming-Portale eine immer größere Rolle – den Upstream des Kunden belegen diese nicht. Immer mehr Transfers in Tauschbörsen umfassen legales Material, das frei kopierbar ist. Wer legal handelt, ist jedoch nicht bereit, Einschränkungen des Netzbetreibers hinzunehmen. Wer seine Linux-Updates per Torrent zieht, wird sich hartnäckiger über eine Tauschbörsen-Drossel beschweren als ein Kunde, der illegal urheberrechtsgeschütztes Material verbreitet.

Noch ein ganz legaler Trend treibt den Bedarf nach Bandbreite nach oben: Mehr und mehr Anwendungen laufen nicht mehr auf dem lokalen Rechner, sondern in der Cloud. Die Daten werden auf Serverfarmen im Internet verteilt. Bei Cloud-Anwendungen hängt die Performance des Gesamtsystems außer von der Latenz ganz entscheidend von der eingesetzten Bandbreite ab, auch im Upstream. Mehr verfügbare Bandbreite bedeutet mehr Tempo, real und gefühlt, auch wenn man diese nur kurzzeitig in den Lastspitzen voll ausnutzt.

Die Provider wissen natürlich, was ihre Kunden wollen: Mehr Tempo. Die Bandbreitenzunahme für Privatkundenanschlüsse der vergangenen 15 Jahre verlief rasant – und derzeit gibt es keine Anzeichen, dass sich die Entwicklung verlangsamt. Allerdings ist die Kupfer-Doppelader inzwischen am Limit angelangt. Viel mehr als 50 MBit/s lassen sich mit der derzeitigen Technik pro Richtung darüber in der Praxis nicht übertragen.

Auch die Kabelnetzbetreiber setzen auf Kupferkabel. Allerdings unterscheidet sich das dafür verwendete Koaxialkabel technisch grundlegend von einer ebenfalls kupfernen Telefonleitung. Die nutzbare HF-Bandbreite bei einem ADSL-Anschluss liegt bei rund 1,2 MHz, bei ADSL 2+ sind es 2,4, bei VDSL maximal 30. Über ein Koaxialkabel lassen sich hingegen Signale bis in den Gigahertz-Bereich übermitteln. Die Kabelnetze nutzen das Spektrum bis rund 862 MHz, die insgesamt erzielbare Bandbreite ist deshalb höher als bei DSL-Lösungen. Allerdings gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen DSL und Kabel: Eine DSL-Anbindung ist eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung. In den TV-Kabel-Netzen hingegen sind viele hundert Haushalte jeweils zu Clustern oder Nodes zusammengefasst. Die höhere verfügbare Kapazität des TV-Kabels teilen sich immer mehrere Haushalte.

Viel mehr als 100 MBit/s werden die Kabelnetzbetreiber deshalb voraussichtlich nicht anbieten können. Denn die größere Bandbreite des eigenen Anschlusses verleitet die Kunden dazu, insgesamt mehr Transfervolumen in Anspruch zu nehmen und das könnte die Kabelnetze recht schnell an die Kapazitätsgrenze bringen. Zwar lässt sich die Gesamtbandbreite durch sogenannte Node-Splits, neue Übertragungsverfahren wie DVB-C2 und Zuweisung zusätzlicher Kanäle mittel- bis langfristig vervielfachen, die auf diesem Wege erreichbaren Bandbreitengewinne werden durch das Wachstum der Kundenzahl und das ständig steigende Transfervolumen pro Kunde aber wieder aufgezehrt. Kabel-Deutschland hat gerade ein Pilotprojekt vorgestellt, bei dem das TV-Kabel eine Bandbreite von 1,2 GBit/s schaffte, der Transfer belegte aber rund ein Viertel der Gesamtbandbreite des Kabelsegments.

Wenn die Kabelnetzbetreiber die Analogeinspeisung einstellten und Spartenkanäle per IPTV oder konventionell on demand zuspielten, könnten sie die vorhandenen Ressourcen optimal nutzen. Die Einspeisung von rund 30 bis 35 Analogkanälen belegt rund die Hälfte des nutzbaren Spektrums. Würde man dieses exklusiv für den Internetzugang verwenden, könnte man darüber 1,5 bis 1,8 GBit/s übertragen. Beim Einsatz von DVB-C2 kämen nochmals rund 50 Prozent dazu. Würde man die Ressourcen im Kabelnetz insgesamt nicht statisch, sondern dynamisch und intelligent managen und nur das übertragen, was der Zuschauer im jeweiligen Cluster tatsächlich sehen will, könnte man noch höhere Bandbreiten anbieten. Das würde aber auch bedeuten, dass alle heute verbreiteten Empfangsgeräte und Internet-Modems im Kabelnetz ersetzt werden müssten. Ob die Kabelnetzbetreiber diesen Sprung wagen werden, ist mehr als fraglich.

Kabel Deutschland plagen offenbar schon heute Kapazitätsprobleme. Das lässt sich daraus schließen, dass das Unternehmen in einigen Regionen den Durchsatz bestimmter datenintensiver Anwendungen wie Tauschbörsenprogramme zu den Hauptverkehrszeiten unter der Woche von 18 bis 24 und am Wochenende zwischen 10 und 24 Uhr auf wenige MBit/s drosselt. Die Beschwerden mehrerer Leser, die uns gegenüber die Drosselung sehr detailliert dokumentiert haben, lassen keinen anderen Schluss zu als eine technische Maßnahme seitens des Breitband-Anbieters, also Kabel Deutschland. Solch ein Schritt wäre nicht nötig, wenn die Infrastruktur ausreichend ausgebaut wäre und Kapazitätsreserven aufwiese.

Die Glasfaseranschlüsse rücken immer näher zum Kunden, das erhöht die Bandbreite auf den immer kürzeren Kupferleitungen.

Wir baten Kabel Deutschland um eine Stellungnahme – und erhielten eine wachsweiche Antwort: „Kabel Deutschland betreibt in ihrem IP-Netzwerk eine Qualitätssicherung, die sicherstellt, dass zeitkritische Anwendungen, wie zum Beispiel eBay oder Online-Spiele, auch in den verkehrsstarken Zeiten zuverlässig funktionieren. Dies kommt allen Nutzern zugute, kann aber selbstverständlich bei anderen, Dauerlast erzeugenden Applikationen, wie zum Beispiel Internettauschbörsen, zu leichten, aber kurzfristigen Einschränkungen führen. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass alle Applikationen jederzeit durchführbar sind.“ Mit gezielten Drosselungen bestimmter Dienste steht Kabel Deutschland am Markt relativ allein da. Die DSL-Anbieter haben diese Praktiken schon vor vielen Jahren eingestellt, weil die Kunden auf die Barrikaden gegangen sind.

Die Telekom beugt dem übergroßen Datenhunger einiger Kunden ebenfalls vor. Sie wählte dafür aber eine für den Kunden transparente Methode; ihr Vorgehen hat sie offenbar bei den Betreibern von Mobilfunknetzen abgeschaut. VDSL-Standardverträge ohne IPTV enthalten ein Transfervolumen von 100 oder 200 Gigabyte. Überschreitet der Kunde dieses, wird er in der Geschwindigkeit für den Rest des Abrechnungszeitraums auf 6 MBit/s im Downstream zurückgestuft. Auch 1&1 sprang bei 16-MBit/s-Anschlüssen jüngst auf den Drosselzug auf: Wer bei Neuverträgen ein beschränktes Transfervolumen pro Monat akzeptiert, surft im Gegenzug ein klein wenig günstiger.

Die Mobilfunkanbieter haben mit ihren LTE-Lösungen ein noch größeres Kapazitätsproblem und legen deshalb die Drosselgrenze viel niedriger, auf wenige Gigabyte pro Monat, marktüblich sind fünf. Und sie verringern die Geschwindigkeit anschließend auf ISDN- oder Modem-Niveau. Wer den Inhalt einer einlagigen DVD heruntergeladen hat, surft also den Rest des Monats wie in der Internet-Steinzeit mit minutenlangen Ladezeiten für jede Webseite. Zeitgemäß ist das nicht, der Bedarf vieler Familien mit Jugendlichen oder erwachsenen Kindern liegt bereits heute in einigen Fällen jenseits der 100-Gigabyte-Marke pro Monat. 5 Gigabyte reichen da gerade mal für ein bis zwei Tage.

Nachdem das Drosseln von Internetzugängen in den Festnetzen lange Jahre tabu war, holen die Internet-Provider Traffic Shaping und Volumenbegrenzungen wieder aus der Mottenkiste. Geradezu widersinnig, dass ausgerechnet die schnellsten Verbindungen für den Kunden mit diesen Maßnahmen konterkariert werden. Dabei verärgern die Anbieter ausgerechnet die Intensivnutzer, die typischerweise viele Freunde und Bekannte bei der Wahl ihres Internetanschlusses beraten. Der Schuss könnte nach hinten losgehen, die Internetgemeinde hat bei solchen Einschränkungen ein langes Gedächtnis.

VDSL und TV-Kabel sind nur eine weitere Übergangstechnik. Die Schnittstellen zwischen Kupfer- und Glasfasernetz wandern immer näher zum Kunden hin, das Tempo der Anschlüsse steigt dadurch beständig. Wenn man die technische Entwicklung fortschreibt, landet man unweigerlich beim Glasfaserkabelanschluss für jedes Haus, der zumindest theoretisch riesige Kapazitätsreserven hat. Alleine der nutzbare Infrarotbereich in einem Glasfaserkabel umfasst 60 THz, das ist rund das 70 000-fache eines Kupferkabels [2]. Abhängig ist die nutzbare Bandbreite in erster Linie von den eingesetzten Geräten an den Kabelenden.

Die größten Kosten entstehen beim Verlegen der Glasfaserkabel bis ins Haus. Wenn dafür pro Haushalt 1000 Euro investiert werden müssten – eine eher konservative Schätzung – entstünden volkswirtschaftliche Gesamtkosten von rund 40 Milliarden Euro. Dem gegenüber steht aber ein Zugewinn an Wirtschaftswachstum. Unterm Strich könnte sich die Investition mittel- und langfristig durchaus lohnen.

Die TV-Kabelanbieter haben die Nase vorn: Ihr Glasfasernetz zu den Übergabepunkten liegt bereits wesentlich näher beim Kunden als das der VDSL-Anbieter, denn die Koaxialstrecken sind in der Regel kürzer als die für VDSL genutzten Telefonleitungen. Vielerorts verlaufen die Koaxkabel in Leerrohren, in denen sich Glasfaser problemlos nachrüsten ließe. Allerdings sind die Kabelgesellschaften ausschließlich in vorhandenen Ausbaugebieten tätig. Lediglich KabelBW baut sein Netz noch weiterhin aus, sofern sich die Investitionen lohnen.

Im Europavergleich ist Deutschland trotz der Fortschritte der letzten Jahre deutlich zurückgefallen. Andere Länder haben die Führung übernommen und liegen beim Glasfaserausbau deutlich vorne. Die Glasfaserversorgung in Deutschland nimmt nur ganz langsam Fahrt auf, die meisten Investitionen gehen derzeit in FTTN-Techniken (Fiber To The Node) wie VDSL oder TV-Kabel. Immerhin bringen diese die Glasfaser schon einmal näher zum Kunden. Auf diese Investitionen lässt sich dann in den kommenden Jahren aufbauen.

[1] Urs Mansmann, Alle schnell ans Netz, Breitband-Internet in ländlichen Gebieten, c’t 10/10, S. 152

[2] Richard Sietmann, Next Generation Access, Das Endspiel: Warum Fiber to the Home nicht vorankommt, c’t 4/10, S. 78

Mehr Infos

Highspeed-Internet

Artikel zum Thema "Highspeed-Internet" finden Sie in c't 25/2010:

  • Schnelles Internet auf dem Vormarsch - Seite 92
  • Wechsel zum Turbo-Anschluss - Seite 96
  • Heimnetz auf Tempo bringen - Seite 102
  • Glasfaser statt TV-Kabel und DSL - Seite 106

(uma)