Schicht im Schacht

Richard Heinberg und David Fridley verkünden in der aktuelle Ausgabe von "Nature" das nahende Ende der billigen Kohle. Doch das Gerede von "Peak Coal" erweist der Energiewende einen schlechten Dienst.

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Von wegen "Fürchtet euch nicht": Das wird dieses Jahr wohl nichts mit der frohen Botschaft und dem beschaulichen Jahresende. Zumindest nicht, wenn man Richard Heinberg und David Fridley glauben mag. Denn die haben in der aktuelle Ausgabe von "Nature" verkündet, der Glaube an die nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit billiger Kohle sei sehr, sehr trügerisch. Nach Peak Oil kommt nun Peak Coal auf uns zu: Schon bald wird die Nachfrage nach Kohle das Angebot übersteigen.

Grundlage für den Weckruf der beiden Wissenschaftler, die ansonsten unter anderem für das Post Carbon Institute arbeiten, sind eine Reihe von Studien, die in den vergangenen Jahren auf die schwindenden Kohle-Reserven aufmerksam machen. Gewissermaßen der Kronzeuge unter den Quellen ist ein Aufsatz von Tadeusz W. Patzek und Gregory D. Croft auf, die das Fördermaximum bereits 2011 vermuten (hier die zugehörige Pressemitteilung der University of Texas). Die Schlussfolgerung liegt für Heinberg und Fridley natürlich auf der Hand: Es macht keinen Sinn, teuere und aufwendige Technologien wie die Abscheidung und unterirdische Lagerung von CO2 zu entwickeln, denn in einigen Jahren ist Kohle so teuer, dass sich der ganze Aufwand nicht lohnen würde

Leider ist die wissenschaftliche Relevanz des Papers von Patzek und Croft für mich – na sagen wir mal – ein bisschen problematisch. Denn die beiden bedienen sich einer Methode, die der Prophet der Peak Oil-Theorie Marion King Hubbert entwickelt hat. Das geht im Prinzip so: Man weiß, dass die globale Fördermenge, gegen die Zeit aufgetragen, eine so genannte "logistische Funktion" bildet. Das heißt, die Kurve geht am Anfang steil nach oben, flacht irgendwann ab, hat ein Maximum, schwingt nach unten und läuft an den Flanken langsam aus (sieht ungefähr so aus, wie eine plattgedrückte Gauss-Kurve). Nun weiß man eigentlich erst dann sicher, dass das Fördermaximum überschritten ist, wenn die Förderwerte mit der Zeit immer kleiner werden. Man kann aber versuchen, die Lage des Maximums vorherzusagen, in dem man die bereits bekannten Förderwerte der Vergangenheit an die – theoretisch ja bekannte – Kurvenform anfittet.

Klingt eigentlich ganz einleuchtend, führt aber zu sehr breit gestreuten Resultaten. Denn die Qualität der Vorhersage ist sehr stark von der Qualität der zur Verfügung stehenden Daten abhängig – und die sind recht lückenhaft. Die Schwankungsbreite der Vorhersagen kann also gut und gerne mal zehn Jahre betragen.

Das eigentliche Problem aber ist meiner Meinung nach noch wo anders: Die Peak-Theoretiker versuchen durch eine angestrengte Beweisführung ein Sachzwang-Argument zu konstruieren. Nach dem Motto: "Seht her, wir wissen, dass Kohle schon bald sehr teuer werden wird. Deswegen habt ihr eigentlich gar keine andere Wahl, als nach Alternativen zu suchen." Solch eine Strategie mach mich – sorry, aber vielleicht bin ich da ja etwas paranoid – zutiefst misstrauisch. Das riecht nach: Wir versuchen uns vor einer politischen Entscheidung zu drücken, indem wir uns hinter einem Sachzwang-Argument verstecken. Das geht mit schon bei der Regierung immer auf die Nerven

Immerhin – in einem Punkt haben die beiden Recht: Dreh- und Angelpunkt der zukünftigen Entwicklung des weltweiten Kohlemarktes – und damit auch unserer Energiezukunft – wird die weitere Entwicklung von Angebot und Nachfrage in China sein. Das schreibt auch die Internationale Energie-Agentur in ihrem World Energy Outlook 2010: “China will continue to have a crucial influence on global coal trade. The country has been turning increasingly to imports in recent years, as domestic supply has struggled to keep up with rapidly rising demand." Das Land kümmere sich derzeit um die Beseitigung von Flaschenhälsen im Transportsystem und entwickle seine riesigen inländischen Kohlefelder im Norden und Westen. Schon aufgrund der schieren Größe des Marktes komme es aber zu Unsicherheiten bei Angebot und Nachfrage. Und die hätten mit großer Wahrscheinlichkeit bald deutliche Auswirkungen auf Handelsmuster und Preise im internationalen Kohlemarkt. (wst)