Datenschützer: Ich weiß, was Du gestern getan hast

Großbritannien ist nach einem Bericht von Privacy International wie China oder Russland eine "endemische Überwachungsgesellschaft". Bei den EU-Ländern steht Deutschland noch an erster Stelle im Ranking, was den Datenschutz anbelangt.

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Von
  • Florian Rötzer

Nigel Gilbert warnte während der 28. International Conference of Data Protection and Privacy Commissioners in London, dass in fünf Jahren auf dem Internet so viele persönliche Daten zu finden seien, dass jeder herausfinden könne, was eine Person zu welcher Zeit gemacht habe. Man müsse dann nur mit Suchmaschinen wie Google suchen, "was ein bestimmter Mensch gestern um 2 Uhr 30 getan hat, und würde eine Antwort erhalten". Die Suchergebnisse stammten von zahlreichen Datenbanken, beispielsweise von Videoaufnahmen oder Datenbanken, in denen die aus RFID-Chips gelesenen Informationen gespeichert sind: "Alles kann für immer gespeichert werden."

Der britische Datenschutzbeauftragte Richard Thomas hatte zur Eröffnung der Konferenz mit Verweis auf den Bericht davon gesprochen, dass wir uns bereits in einer Überwachungsgesellschaft befinden. In wenigen Jahren habe insbesondere Großbritannien die Überwachung bis fast in allen Bereichen ausgebaut. In dem Bericht heißt es: "In allen wohlhabenderen Länder dieser Erde gehört Überwachung zum Alltag – und zwar nicht nur von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, sondern rund um die Uhr. Und dabei geht es nicht nur um die Videoüberwachung (CCTV), die unser Gesicht mehrere hundert Mal pro Tag aufzeichnet, oder die Kassiererin im Supermarkt, die nach unserer Kundenkarte fragt. Diese Systeme stellen eine grundsätzliche, komplexe Infrastruktur dar, in der die Erfassung und Verarbeitung von Personendaten als moderne Lebensnotwendigkeit vorausgesetzt wird."

Großbritannien gilt auch im jährlichen Bericht der Bürgerrechtsorganisation Privacy International als weltweit führende Überwachungsgesellschaft. Für den Bericht wurde versucht, den Stand des Datenschutzes und der Überwachung in 70 Ländern zu erfassen. Allgemein hält der Bericht fest, dass in vielen Ländern, legitimiert durch den Kampf gegen den Terrorismus, die Überwachung aus- und der Datenschutz entsprechend abgebaut wurde. Genannt werden unter anderem biometrische Pässe, Datenbanken und Kontrollen, Überwachung der Kommunikation sowie längere Speicherung der Daten, Austausch der Informationen mit anderen Behörden und Staaten, Auslagerung der Überwachung an private Firmen, Videoüberwachung und Data-Mining-Programme. Zur staatlichen Überwachung kommt die Privatwirtschaft, die zunehmend mehr persönliche Daten sammelt. Hervorgehoben wird hier vor allem die Verbreitung von RFID-Chips in allen Bereichen, mit denen sich auch Konsumenten besser überwachen lassen. Allerdings weist der Bericht auch darauf hin, dass in vielen Ländern Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen aktiv sind und manchmal auch Erfolge erzielt haben.

Im Vergleich der Länder schneidet Großbritannien unter den westlichen Demokratien am schlechtesten ab und steht als "endemische Überwachungsgesellschaft" auf gleicher Stufe mit Russland, China, Malaysia und Singapur. In Großbritannien gibt es etwa vier Millionen Überwachungskameras. Die Wachstumsrate steigt explosiv an, innerhalb der letzten drei Jahre haben sich die Kameras um 300 Prozent vermehrt. Der durchschnittliche Brite wird täglich 300-mal von einer Überwachungskamera aufgenommen. Auf 14 Einwohner kommt bereits eine Überwachungskamera. Mit einer Vielzahl von neuen Gesetzen wurde in allen Bereichen die Überwachung in den vergangenen Jahren "exzessiv" ausgebaut. Lobend erwähnt wird hingegen das Informationsfreiheitsgesetz.

Bei den EU-Ländern steht Deutschland noch an erster Stelle im Ranking, was den Datenschutz anbelangt. Belgien, Österreich, Griechenland und Ungarn rangieren auf den folgenden Plätzen. Die Bestnote – durchgehende Einhaltung von Menschenrechten und keine invasive Politik – erhielt kein Land. Vor Großbritannien als dem Land, in dem um den Datenschutz am schlechtesten bestellt ist, wurden Spanien, Slowenien, die Niederlande und Schweden eingeordnet. Bei den außereuropäischen Ländern schneiden Kanada und Argentinien am besten ab. Die USA stehen gleichauf mit Thailand und den Philippinen als "umfassende Überwachungsgesellschaften". (fr)