ACTA: Umstrittenes Anti-Piraterieabkommen steht

Kurz vor Nikolaus haben die elf ACTA-Verhandlungspartner in Sydney ihr Päckchen geschnürt und den endgültig abgestimmten Text des geplanten Abkommens vorgelegt. Doch ist damit in einigen strittigen Punkten noch längst nicht alles geklärt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 106 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die elf Verhandlungspartner für das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) haben am Wochenende in Sydney ihr Weihnachtspäckchen geschnürt und die endgültige Fassung (PDF-Datei) des umstrittenen Anti-Piraterieabkommens vorgelegt. Der abgestimmte Text wird nun den beteiligten Regierungen und Parlamenten vorgelegt. Für die EU-Staaten muss die EU-Kommission den Text verabschieden und dann dem Rat und dem EU-Parlament zur Zustimmung vorlegen. In Deutschland wird darüber hinaus das Bundesjustizministerium das Anti-Piraterieabkommen dem Bundestag vorlegen.

Eine Woche lang hatten die Verhandlungspartner in Sydney noch an der Endfassung gefeilt. Unter anderem schaffte es eine von der EU-Kommission angestrebte Änderung zur Definition von "Pirateriegut" in das Abkommen. Brüssel hatte eine Klarstellung empfohlen, dass eine Urheberrechtsverletzung nur dann in einem Partnerland verfolgt werden kann, wenn sie auch nach dort geltendem Recht als Verstoß gilt. So dürften etwa In den USA Verwendungen urheberrechtlich geschützten Materials, die dort von der Fair-Use-Doktrin gedeckt sind, trotz Antrag aus einem ACTA-Partnerland nicht verfolgt werden.

Eine der strittigsten Fragen haben die ACTA-Vertragspartner auch in ihrem juristisch überarbeiteten Dokument noch nicht geklärt: die Definition der Rechtsverletzung "kommerzieller Natur". Im Abschlussdokument heißt es vage, das schließe "solche Handlungen ein, die als kommerzielle Aktivitäten zum direkten oder indirekten kommerziellen Vorteil vorgenommen wurden". Ein eindeutiger Ausschluss von Verstößen durch private Nutzung ist das nicht. Letztlich dürften künftig die Gerichte darüber befinden, ob auch Internetnutzer strafrechtlich belangt werden können.

Freigestellt wird den Vertragspartner auch, ob sie Privatpersonen beim Grenzübertritt von Kontrollen der persönlichen Gegenstände ausnehmen. Den Versicherungen, es werde keine iPod-Durchsuchungen an der Grenze geben, muss man erst einmal Glauben schenken – auch hier gibt es keine Absicherung im Abkommen selbst. Eine Frage der Auslegung ist auch die Formulierung zu den Durchsetzungsmaßnahmen, sich "über digitale Netze erstrecken und dabei auch die illegale Nutzung von Mitteln einschließen, die breit angelegter Verbreitung zum Zwecke der Verletzung dienen". Das EU-Parlament und der Bundestag dürfen sich über die Implementierung dieser Regeln nun den Kopf zerbrechen.

Keineswegs beruhigt durch die Endfassung zeigten sich die ACTA-Kritiker. Trotz aller Beteuerungen der EU befürchtet die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen Einschränkungen des für Patienten in armen Ländern lebensnotwendigen Generika-Handels. Vertreter der Telekommunikationsbranche hatten zuvor erneut gefordert (PDF-Datei), die EU-Unterhändler sollten nicht über in Europa geltende Standards hinausgehen – strafrechtliche Sanktionen für Urhebereechtsverstöße sind in der EU bisher nicht allgemein üblich. Unterdessen arbeitet eine vom ACTA-Experten Axel Metzger von der Universität Hannover koordinierte Gruppe europäischer Urheberrechtsexperten an einer Stellungnahme zum Verhältnis von ACTA und EU-Recht. (vbr)