Festnahme wegen Attacken von Wikileaks-Unterstützern [3. Update]

Die Angriffe auf Finanzdienstleister, die Konten oder Transaktionen für die Whistleblower-Plattform sperrten, gehen weiter. Die UN-Menschenrechtskommissarin kritisierte das Vorgehen von Finanzdienstleistern und staatlicher Stellen gegen Wikileaks, das berühre mehrere Menschenrechte.

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Von
  • dpa

Nach den Veröffentlichungen der US-Diplometendepeschen durch Wikileaks, der Festnahme von Wikileaks-Mitgründer Julian Assange aufgrund eines schwedischen Haftbefehls wegen Vorwürfe sexueller Vergehen und den sich entwickelnden Debatten über die Rolle der Whistleblower-Plattform kommt die Szene nicht zur Ruhe. Die DDoS-Attacken auf Finanzdienstleister, die Konten oder Transaktionen für Wikileaks gesperrt haben, gehen derzeit weiter – zurzeit ist anscheinend weiterhin api.paypal.com das Angriffsziel; Paypal hatte zwar die zuvor gesperrten Zahlungen an Wikileaks beziehungsweise die Wau-Holland-Stiftung wieder freigegeben, das Konto für Spenden bleibt aber weiterhin gesperrt. (Siehe dazu auch: Operation Payback: Proteste per Mausklick.)

Pläne für einen Angriff auf Amazon, die Wikileaks-Inhalte aus ihrem Hosting-Service Amzon Web Service verbannt hatten, haben die Aktivisten dagegen offensichtlich vorerst aufgegeben: Der Dienstleister, der mit seinen Hosting-Offerten gerade Ausfallsicherheit und Load Balancing in der Cloud garantieren will, erschien wohl derzeit als zu großes Ziel. Über den deutschen Twitter-Account von "Operation: Payback" wird aber auch dazu aufgerufen, moneybookers anzugreifen – ebenfalls ein Finanz-Dienstleister, über den Spenden für Wikileaks abgewickelt wurden und der Zahlungen für Wikileaks gesperrt hatte. [2. Update: Mittlerweile gibt es auch einen Aufruf , die DDoS-Angriffe einzustellen und stattdessen die Wikileaks-Archive nach bislang wenig beachteten Veröffentlichungen zu durchforsten und sie massenhaft zu verbreiten: "They don't fear the LOIC. They fear exposure", heißt es unter Anspielung auf die bei den Angriffen eingesetzte Software.] Kristinn Hrafnsson von Wikileaks kündigte derweil an, die Wau-Holland-Stiftung, über die Spenden für Wikileaks abgewickelt werden können, werde noch bis Ende dieses Jahres einen Bericht über die Verwendung der Spenden vorlegen.

Wegen der Attacken auf Websites von Mastercard und Visa ist mittlerweile ein 16-jähriger Niederländer festgenommen worden. Die Zeitung De Volkskrant berichtete unter Berufung auf Polizeiquellen, der Teenager habe bereits gestanden. Bei ihm seien mehrere Computer und USB-Sticks beschlagnahmt worden. [1. Update: Weitere Festnahmen, auch in anderen Ländern, seien denkbar, hieß es am heutigen Freitag bei der Staatsanwaltschaft in Den Haag.] [3. Update: Nach der Festnahme wurde auch Website der Staatsanwaltschaft in Den Haag zeitweise lahmgelegt. Sie war am Freitag mehrere Stunden nicht erreichbar. Auch Websites der niederländischen Polizei wurden mehrfach gestört.]

Die USA wollen die Umstände der Attacken näher untersuchen, sagte US-Justizminister Eric Holder nach einem Treffen mit EU-Offiziellen aus den Bereichen Sicherheit und Justiz. "Wir wissen von diesen Vorfällen. Wir schauen sie uns an." Die Regierung von Präsident Barack Obama verurteilt die Veröffentlichung von mehr als 250.000 vertraulichen Diplomatendepeschen durch die Wikileaks-Aktivisten als Verbrechen. Kritiker meinen deswegen, dass US-Dienstleister wie Amazon ihre Zusammenarbeit mit Wikileaks auf politischen Druck eingestellt hätten.

Brasiliens noch amtierender Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat die Festnahme von Wikileaks-Gründer Julian Assange kritisiert. Der Australier habe nur das veröffentlicht, was er gelesen habe, so Lula. "Wenn er es gelesen hat, dann nur, weil es jemand geschrieben hat, also ist doch der schuldig, der es geschrieben hat." Lula versicherte der Wikileaks-Plattform seine Unterstützung.

Auch die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sieht wegen des Drucks auf die Enthüllungsplattform Wikileaks den Versuch einer Zensur. Der Fall rund um Wikileaks sei komplex und berühre mehrere Menschenrechte, sagte Pillay laut dpa. "Es geht um das Gleichgewicht zwischen der Freiheit auf Meinungsäußerung, dem Recht der Menschen auf Information und der Notwendigkeit, die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung zu wahren." Es sei schon erstaunlich, was da passiert sei, sagte die Kommissarin.

Pillay kritisierte namentlich die Kreditkartenfirmen, die Wikileaks ihre Dienstleistungen entzogen und damit Finanzierungsquellen abgeschnitten hatten. Es sei nicht klar, ob diese Aktionen von Privatfirmen die Verpflichtung der Staaten auf Gewährung der Menschenrechte beeinträchtigten. Wenn der Wikileaks-Gründer irgendein Vergehen begangen habe, dann sollte die Justiz in einem fairen Verfahren feststellen, wie diese Rechte ausgewogen gewahrt bleiben könnten, fügte die Kommisarin hinzu. Was aber derzeit geschehe, verletze möglicherweise die Rechte von Wikileaks auf Meinungsfreiheit. (jk)